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Über diese Kolumne:

In einer wöchentlichen Kolumne, die abwechselnd von Eveline van Zeeland, Eugene Franken, Katleen Gabriels, PG Kroeger, Carina Weijma, Bernd Maier-Leppla, Willemijn Brouwer und Colinda de Beer geschrieben wird, versucht Innovation Origins herauszufinden, wie die Zukunft aussehen wird. Diese Kolumnisten, die manchmal durch Gastblogger ergänzt werden, arbeiten alle auf ihre Weise an Lösungen für die Probleme unserer Zeit. Bitte lesen Sie hier die bisherige Episoden.

Apple-Mitbegründer Steven Jobs war bekannt für die Fähigkeit, Menschen in seinen Bann zu ziehen. Das geflügelte Wort des „Reality Distortion Field“ machte häufig die Runde. Das „RDS“ sollte die überwältigenden Verkaufs-und Überzeugungsfähigkeiten von Jobs verdeutlichen. Wer in dem „Feld“ gefangen wurde, der würde Jobs‘ Ausführungen kaum mehr in Frage stellen und seine Produkte ohne Wenn und Aber kaufen.

Das Wasserstoff-RDS

Die Zukunft der Energiepolitik liegt im Wasserstoff. Legionen von Politikern, vor allem in Deutschland aber auch international, stürzen sich seit einiger Zeit auf das energiehaltige Gas und beschwören eine rosige Zukunft. Unglücklicherweise kommt Wasserstoff nicht als natürlicher Rohstoff auf der Welt vor, man muss ihn erst einmal herstellen.

Hoher Strombedarf

Es gibt verschiedene Möglichkeiten Wasserstoff herzustellen, vor dem Hintergrund der Klimakrise jedoch scheiden die klassischen CO2-emittierenden Verfahren wie etwa Dampfreformation aus – einzig und allein der „grüne“ Wasserstoff kann hier Abhilfe schaffen. Der muss allerdings durch Elektrolyse hergestellt werden. Elektrolyse ist stromintensiv und um weitere Emissionen zu verhindern müssen dafür regenerative Energieerzeuger verwendet werden.

1 kg Wasserstoff, der eine Energiedichte von 33,33 kWh besitzt, benötigt zur Herstellung jedoch um die 55 kWh. Das ist die schlechte Nachricht. Um das ins Verhältnis zu setzen: 1 kg Wasserstoff enthält fast so viel Energie wie 3 kg Benzin. Das ist die gute Nachricht.

Wasserstoff als Energiespeicher

In der Automobilindustrie wird der Wasserstoff deshalb gerne als Energiespeicher-Alternative zu Batterien ins Auge gefasst. Durch die hohe Energiedichte des Gases wäre er bestens dazu geeignet, Batterien zu ersetzen. Unglücklicherweise jedoch muss der Wasserstoff über den Umweg einer Brennstoffzelle gehen um seinen Energieinhalt in Strom umzusetzen. Dieser Strom betreibt dann, ganz so wie in einem batterieelektrischen Fahrzeug, den Elektromotor.

OEMs wie BMW, Hyundai und Toyota setzen immer noch auf das Wasserstoff-Fahrzeug als Alternative zum batterielektrischen Fahrzeug. Auch der zukünftige Lkw-Langstrecken-Schwerverkehr scheint nur durch H2-Lkw möglich zu sein. Der Haken jedoch ist, dass die Umwandlung von Wasserstoff in Strom mittels Brennstoffzelle weiter verlustbehaftet ist. So reichen 1 kg Wasserstoff für etwa 100 km Reichweite in einem Pkw und weit weniger in einem Lkw. Das klingt zunächst positiv, ist aber tatsächlich nicht sehr effizient, denn würden die 55 kWh zur Herstellung des Wasserstoff direkt in eine Batterie „getankt“ könnte ein solches Fahrzeug mehr als 300 km weit fahren. 

Energieaufwand

Es kommt noch schlimmer. Gerade hat das Bundesverkehrsministerium (BMVD) wieder gezeigt, dass man nicht einmal Mathematik versteht. Der Wasserstoff-Verbrennungsmotor in Lkw wird gefördert. Nutzniesser sind BMW, Deutz (Motoren) und andere, die Mitglied der HyCET-Inititative (Hydrogen Combustion Engine Trucks) sind. Der Haken: die Effizienz eines solchen Motors liegt nur bei 50% eines Brennstoffzellenfahrzeugs. Mithin kosten obige 100 km dann sogar 110 kWh an erneuerbarem Strom…

Dabei wurden aber Energieaufwand für Transport des Wasserstoff, Lagerung und Betankung eines Brennstoffzellenfahrzeugs noch gar nicht berücksichtigt. Auch hier wir weiterer Strom verbraucht.

Wasserstoff als Rettung für die ökologische Transformation?

Das Problem der regenerativen Energieerzeugung liegt vor allem in der Speicherfähigkeit. Durch die Volatilität der Stromerzeugung entstehen hier große Probleme. Zwischen den Extremen zu wenig Sonne und Wind und hoher Erzeugung durch ideale Bedingungen wollen Öko-Fans die regenerative Energieerzeugung durch Energiespeicherung „krisenfester“ gestalten. Dummerweise steckt die Stromspeicherung in einem Dilemma: sie ist äußerst teuer und energieintensiv. Würde man Li-Ionen-Batterien einsetzen kämen Kosten auf die Volkswirtschaften zu, die in keiner Weise zu rechtfertigen wären. Der Rohstoff-Aufwand für Lithium, Kobalt & Co würde ins Gigantische wachsen. Bleibt der Wasserstoff als Alternative.

Was, so die Argumentation der Ökospezialisten, spricht dagegen, überschüssigen Strom durch Elektrolyseure direkt als Wasserstoff zu speichern? Eigentlich nichts, es bewegt nur leider die Nadel kaum.

Gasturbinen

Das US-Portal gasturbineworld.com hat sich der Problematik angenommen. Die Berechnungen machen wenig Hoffnung. Die Wasserstoff-Ausbeute von allen Windrädern in den USA (installierte Leistung: 122 GW) durch Elektrolyseure, wäre viel zu gering und würde gerade mal zwei Gastrubinen für jeweils 4.000 Stunden antreiben können – das ist weniger, als ein konventionelles Kraftwerk normalerweise produziert.

Viel zu wenig für alle Anwendungsmöglichkeiten für grünen Wasserstoff. Allein die deutsche chemische Industrie, die bereit wäre, zukünftig CO2-neutral zu produzieren, hätte dann einen Strombedarf, der so hoch wäre, wie der Gesamtstrombedarf Deutschlands derzeit. Das liegt auch daran, weil Wasserstoff hier eine weitere Rolle als Produktbestandteil spielt. Man denke nur an eFuels und andere Kohlenwasserstoffe.

Märchenstunde in der Energiepolitik

Eine realistische Energiepolitik ist der Garant für Wohlstand und Klimaschutz überall auf der Welt. Günstige, bezahlbare und saubere Energie sind dafür Voraussetzung. Nun befindet sich Europa derzeit inmitten einer selbstverschuldeten Energiekrise. Die wurde ausgelöst durch eine verfehlte Politik, die vor allem in Deutschland zu einem seltsamen Ergebnis führte: durch die Konzentration auf erneuerbare, volatile Energieerzeugung und dem Willen aus Atom- und Kohlekraft gleichzeitig auszusteigen, entstand die riesige Abhängigkeit von günstigem russischem Gas. 

Das Kind ist in den Brunnen gefallen

Gibt es hier noch eine Rettung? Ich meine ja, aber diese Rettung wird langwierig, für eine Minderheit schwer vermittelbar sein und einige hundert Miljard Euro kosten. Der Aufbau der regenerativen Energieerzeugung in Deutschland hat inzwischen über 450 Miljard Euro gekostet. Der Anteil an der Primärenergieerzeugung liegt unglücklicherweise tatsächlich bei weniger als 30 Prozent über das Jahr. Ein AKW der neuesten Generation mit einer gesicherten Leistung von 1.200 MW kostet derzeit 15-20 Miljard Euro.

AKW

Für 450 Miljard Euro hätte man in Deutschland also mindestens 24 TW weitere konstante Leistung zu den bestehenden AKW (die bekanntlich bis auf 3 alle abgeschaltet wurden) installieren können. Genug, um auf Gas, Kohle und andere fossile Energieerzeuger komplett zu verzichten und die ökologische Transformation Wirklichkeit werden zu lassen. 

Vor dem Hintergrund der Elektrifizierung der gesamten Volkswirtschaft, der wachsenden Elektromobilität und der Transformation von Gasheizungen auf elektrische Wärmepumpen eine überlegenswerte Alternative. 

Unmengen von Energie

Dumm nur, dass sich Europa von der Kernenergie als Technologie fast gänzlich verabschiedet hat. Das Know-how ist abgewandert und bestenfalls rudimentär noch in Frankreich und Schweden vorhanden. Polen kauft sein geplantes AKW deshalb in Südkorea.

Was uns zum Wasserstoff zurückbringt: auch die Wasserstoff-Gesellschaft der Zukunft benötigt Unmengen von Energie, die Wind- und Solarkraft kaum in dieser Menge bereitstellen können, vom Flächen und Ressourcen-Verbrauch ganz abgesehen. 

Aber die Deutschen glauben auch hier wieder – wie gewohnt – sehr pfiffig unterwegs zu sein. Sie rechnen mit dem Import der benötigten H2-Mengen aus Drittländern „wo der Wind ständig weht und die Sonne ständig scheint“. So ist er der Deutsche: verlässt sich gern auf Dritte, und merkt nicht, wie man schon wieder dabei ist, mit Karacho an die nächste Abhängigkeits-Wand zu fahren.