Menschen haben sehr unterschiedliche Körperformen. Die bestehenden Kleidergrößensysteme decken diese nur unzureichend ab. Das zeigt sich darin, dass industriell gefertigte Kleider selten genau passen. Meistens sind sie zu groß, zu klein, zu kurz oder zu lang … Das Start-up AMB möchte das Kleidergrößensystem der Modeindustrie revolutionieren.
AMB GmbH ist ein Deep Tech-Start-up, das im Bereich Erkennung, Rekonstruktion und Vermessung menschlicher Körper arbeitet; zu denken als Plattform aus Computervision und Data Science. Der Ansatz basiert auf Bilderkennung und neuronalen Netzwerken, die durch verschiedene Algorithmen entstehen. Adressaten sind alle Industrien, die sich auf den menschlichen Körper beziehen. Wie etwa Mode, Gesundheit, Medizin, Sicherheit und Ergonomie. In der Markteinführungsphase liegt der Fokus auf der Produktsparte TrueSize und der Digitalisierung von globalen Echt-Körperdaten für die Modeindustrie.
Hypersegmentierter Datenpool
Körperformen unterscheiden sich regions- und kulturspezifisch und auch innerhalb von Regionen und Kulturen. Nach neuesten Erkenntnissen sind Körperformen auch von Gesellschaftsschicht und Beruf beeinflusst. Diese Vielfalt ist durch die bestehenden Kleidergrößen-Systeme nur unzureichend zu erfassen. Das resultiert in einer massiven Überproduktion, deren Entsorgung die Umwelt belastet. Durch den Onlinehandel hat sich dieses Problem noch verschärft: etwa fünfzig Prozent der Bestellungen werden retourniert und das stellt die Rentabilität des Handels in Frage.
TrueSize ist eine Software, die es der global agierenden Industrie erleichtert, alle Märkte mit passgenauer Kleidung zu beliefern. Ein hypersegmentierter Datenpool mit Echtdaten ermöglicht die automatisierte Anwendung von sehr spezifischen Körpermaßdaten. So können etwa Region, Alter und Berufsstatus in die Segmentierung einbezogen werden. Ergänzend soll eine App erscheinen, die den Konsumenten die Selbstvermessung ermöglicht. Bestehende Kleidergrößensysteme werden obsolet.
Gründerin des Start-up ist Anna Maria Brunnhofer. Sie absolvierte eine Ausbildung an der Höheren Bundeslehranstalt (HBLA) für Mode- und Produkt Innovationsmanagement in Lentia im Fach Modedesign und Betriebsführung. Dem schloss sie ein Studium an der Katholischen Privatuniversität Linz (Economics and Science) und an der niederländischen Radboud University an. Parallel zu ihrer Ausbildung begann Brunnhofer früh in den elterlichen Unternehmen mitzuarbeiten. Ihre Eltern betreiben eine Galerie und eine hochspezialisierte Siebdruckerei. Ihr Interesse für Kameratechnik und neuronale Netzwerke wurde über die Strategieberatung angeregt, wo sie Start-ups, Museen und technische Unternehmen im Bereich digitale Medien berät. Brunnhofer im Interview:
Was ist Ihre Motivation? Welches Problem lösen Sie und warum ist das wichtig?
Unsere Welt ist menschenzentriert und trotzdem gibt es noch relativ wenig Wissen über Menschen. Wir arbeiten mit echten Daten von globalen Körpergrößen – den TrueSizes, um hypersegmentierte Datensätze zu ermöglichen. Dabei interessieren wir uns für die Rekonstruktion von Körpern genauso wie für den Prozess der dazu führt. Mit diesem Wissen können wir sehr spezifische Fragestellungen beantworten. In der Modeindustrie kann ein hypersegmentiertes Körpergrößensystem für passgenaue Kleidung für ein globales Publikum genutzt werden. In der Kooperation von Mensch und Roboter können intelligente Augen für Roboter entwickelt werden. Diese informieren den Roboter über menschliche Mitarbeiter und deren Aktionen und verhindern Kollisionen. Der Arbeitsprozess wird sicherer und effizienter.
Was war das größte Hindernis, das Sie überwinden mussten? Gab es einen Moment in dem Sie aufgeben wollten?
Wenn mir nahestehende Menschen oder große Unternehmen sagen, das geht nicht, dann sind das Momente, in denen ich darüber nachdenke. Aber es stellt sich immer rasch der watch me – Moment ein. Hürden geben mir nur noch mehr Energie. Das wichtigste ist, ein Team zu haben, das genauso wie ich Spaß daran hat, Konventionen zu hinterfragen.
Was waren die bisher schönsten Momente? Welche Leistungen haben Sie wirklich stolz gemacht?
Als mein erster Lead-Developer Wahid sagte, dass er toll findet, was wir machen, dass er dabei sein will und sich auf unsere Reise freut. Oder als unser neuestes Teammitglied Rawan sagte, dass die Energie bei uns ansteckend ist und die Arbeit an neuen Leistungen im F&E-Bereich motivierend. Natürlich war es auch ein tolles Gefühl, als wir unsere erste wirklich große Finanzierung bekommen haben.
Was können wir im kommenden Jahr von Ihnen erwarten?
Marktfähige Produkte und radikal neu Zugänge zu Industrien rund um menschliche Körper. Unser Ziel ist es, Wohlbefinden und Sicherheit von Menschen zu fördern.
Wo möchten Sie mit Ihrem Unternehmen in fünf Jahren sein – was ist Ihr höchstes Ziel?
Wir wollen Marktführer im Bereich Erkennung, Rekonstruktion und Vermessung menschlicher Körper sein. Als Deep Tech-Startup erwarten wir uns nicht so schnell Umsätze, aber wenn es dann soweit ist, einen raschen Umsatzanstieg.
Was unterscheidet Ihre Innovation von existierenden Dingen?
Unsere Algorithmen sind Lernaufgaben, die wir der Maschine über Körpererkennung und -vermessung geben. Wie zum Beispiel einen Menschen auf einem Bild zu erkennen; pixelgenau Umrisse, Volumina, Maße und Größe zu erkennen. Die Bilderkennung erfolgt zweidimensional, das heißt, es ist keine 3D-Kamera oder Sensorik erforderlich. Mithilfe der App kann sich jeder allein – ohne fremde Hilfe – vermessen. Außerdem arbeiten wir gerät- und plattformunabhängig. Das System soll für den Konsumenten so simpel wie möglich sein. Trotzdem messen wir präzise – und nicht mit Annäherungen, wie dies momentan bei sensorfreien Systemen der Fall ist.
Über True Size
Gründer:
Anna Maria Brunnhofer (31)
Gründungsjahr:
2019
Finanzierung:
Das Start-up erhält seit 2019 Förderungen aus verschiedenen Quellen und verfügt – inklusive privater Investments – über eine Finanzierung im hohen sechsstelligen Bereich.
Mitarbeiter:
Fünfzehn Teammitglieder und enge Zusammenarbeit mit fünfzehn Studierenden von österreichischen und niederländischen Universitäten;
Hiring:
Ja, großartige Menschen, die sich für die Zukunft, Computervision und Datenwissenschaften begeistern, sind immer willkommen.
Höheres Ziel kurzgefasst:
Ich möchte zur Schaffung einer humanzentrierten Technologie beitragen.