Influencer. Die neuen Superstars der Kids. Das, was diese meist jungen Leute auf Instagram, Tik Tok oder YouTube zum Besten geben, ist für unseren Nachwuchs Gesetz. Viel mehr als alles, was Eltern oder Lehrer sagen. So sehr das im „normalen“ Leben oft nervig sein kann, so gut und wichtig kann der Einfluss dieser Influencer in der aktuellen Corona-Krise aber sein. Das behauptet zumindest ein Wissenschaftler des Schwedischen Forschungsrates.
Um die Ausbreitung von COVID-19 in den Griff zu bekommen beziehungsweise zu verringern, ist es wichtig, die Menschen so schnell und effizient wie möglich über die Richtlinien und Vorschriften der Regierung zu informieren. Und hier kommen die Medien ins Spiel. Alle Medien. Nicht nur die TV-Nachrichten und Tagezeitungen, denn der Medienkonsum ist je nach sozialer Gruppe und Altersgruppe sehr unterschiedlich. Also braucht man, um möglichst viele Menschen zu erreichen, einen mehrgleisigen Ansatz. Und der schließt auch die Influencer ein.
„Persönliche“ Beziehungen
Firmen machen sich die Dienste von Influencer bereits seit Langem zunutze. Sie lassen die jungen Leute für ihre Produkte Werbung machen. Natürlich gegen mehr oder weniger fürstliche Honorare. Und die Millionen Follower kaufen dann genau das, was ihre Idole ihnen anpreisen. „Heutzutage haben Influencer nicht nur eine enorme Reichweite, sondern sie haben auch eine ganz besondere Beziehung zu ihren Fans, die der Regierung möglicherweise fehlt”, sagt Jonas Colliander vom Schwedischen Forschungsrat.
Wieso aber haben diese Internet-Stars so viel Einfluss auf ihre Anhänger? Ganz einfach. Sie bauen im Laufe der Zeit eine (Pseudo)Beziehung auf, geben persönliche Details und Gewohnheiten preis, zeigen Ihr Zuhause und reden über ihre Freunde. So erzeugen sie bei ihren Followern die Illusion einer persönlichen Freundschaft.
„Ihre Empfehlungen und ihre Ratschläge werden eher so angesehen, als ob sie von Freunden kommen als von einer Medienpersönlichkeit oder einer Regierungsquelle “, erklärt Jonas Colliander. „Infolgedessen werden ihre Ratschläge oft ernster genommen, und die Menschen sind viel eher geneigt, diesen Rat zu befolgen.“
Und genau das könnte sich während der Corona-Krise als nützlich erweisen. Besonders in Schweden, wo die Regierung sich – im Gegensatz zu den meisten andern Ländern – (noch) gegen einen kompletten Lockdown entschieden hat und stattdessen auf Einschränkungen und Empfehlungen setzt, um „soziale Distanz“ zu wahren. Wenn also Influencer vorleben, dass sie sich die Hände waschen, zuhause bleiben etc. und ihren Followern sagen, sie sollen das Gleiche tun, besteht eine gute Chance, dass viele Menschen ihren Ratschlägen folgen. Aber nicht nur das.
Soziale Medien als Nachrichtenmedium
In Schweden verfolgt etwa die Hälfte der Bevölkerung einen oder mehrere Blogs, 74 Prozent nutzen Facebook und 61 Prozent Instagram. Kommunikation findet zum großen Teil über private Nachrichten oder in Facebook-Gruppen statt. „Die Regierung hat die Macht der sozialen Medien nicht schnell genug genutzt, um ihre Botschaft zu verbreiten. Unabhängig davon, ob sie sich gemeinsam darum bemühen oder nicht, werden die Menschen soziale Medien nutzen, um Informationen, aber auch Gerüchte und Desinformationen auszutauschen“, beton Colliander.
Einen Politiker gibt es aber, der sich von den anderen abhebt: Ardalan Shekarabi, der schwedische Minister für soziale Sicherheit. Er hat die Mode- und Beauty-Influencerin Angelica Blick gebeten, ihn auf ihren Plattformen zu interviewen. Sie bat daraufhin ihre 1,1 Millionen Instagram-Anhänger, ihre Fragen einzusenden.
„Das ist nicht das, was ich normalerweise poste, aber ich denke, dass man als öffentliche Person eine Verantwortung hat, und wenn man helfen kann, Dinge zu teilen, die wichtig sind, sollte man das auch tun”, sagte Blick dem Journalisten Emmanuel Karlsten.
Und die schwedische Regierung denkt um. Obwohl das Interview keine koordinierte Regierungsinitiative war, hat die Regierung 75 Millionen schwedische Kronen (knapp 6.9 Millionen Euro) für Kommunikation vorgesehen. Außerdem wurde die Schwedische Agentur für zivile Notfälle (MSB) damit beauftragt, die Arbeit zu koordinieren. So will man sicherstellen, dass die Informationen der Regierung über Corona so viele Menschen wie möglich und so effizient wie möglich erreichen.