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Das Corona-Virus und seine immer weitere Verbreitung wirken sich mehr und mehr auf das Leben in Deutschland und Europa aus. Menschen geben sich nicht mehr die Hand oder igeln sich sogar zuhause ein, wer niest oder sich räuspert, wird schief angeschaut, in Supermärkten steht man zum Teil vor leeren Regalen, Firmen schicken ihre Angestellten nach Hause, Veranstaltungen werden abgesagt und so weiter. Das Virus bestimmt das Leben und niemand kann sagen, wie sich die Situation weiterentwickeln wird.

Christian Drosten, Virologe und Direktor des Instituts für Virologie der Berliner Charité, geht davon aus, dass sich ca. 60 bis 70 Prozent der Deutschen infizieren werden. „Das kann durchaus zwei Jahre dauern oder sogar noch länger“, wird der Mediziner von Bild zitiert. Das wären etwa 50 bis 60 Millionen Menschen. Könnte aber eine intensive Nachverfolgung von Kontaktpersonen von Erkrankten, eine Pandemie verhindern? Ja, sagen britische Mathematiker. In Lancet Global Health veröffentlichten Modellrechnungen zeigen sie, dass dies kein aussichtsloses Unterfangen wäre. Unter gewissen Voraussetzungen könnte die Corona-Epidemie innerhalb von 3 Monaten gestoppt werden.

Bei Krankheiten wie offener Lungentuberkulose sind Kontaktuntersuchung und Fallisolierung schon lange bewährte Methoden, um kleinere Krankheitsausbrüche zu stoppen. Ob diese Maßnahmen auch bei COVID-19 greifen würden, hängt nach Ansicht einer Projektgruppe an der London School of Hygiene & Tropical Medicine um die Epidemiologin Rosalind Eggo vor allem von 2 Faktoren ab. Ein Faktor sei die „Basisreproduktionszahl R0“, d.h. die Zahl der Menschen, die ein Infizierter ansteckt. „Liegt die R0 bei unter 1, sinkt die Zahl der Erkrankten und die Epidemie findet ein allmähliches Ende.“ Wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet, war R0 in Wuhan zu Beginn der Corona-Epidemie relativ hoch.

Unsicherheitsfaktor Kranke ohne Symptome

„Liegt der anfängliche R0-Wert bei 3,5, ist eine Pandemie kaum noch zu verhindern“ schreibt Eggo. Dann sei ein Ausbruch im Prinzip nur zu stoppen, wenn es gelinge, mehr als 90 % der Kontakte zu identifizieren und unter Quarantäne zu stellen. Bei einem R0-Wert von 2,5 müssten mehr als 70 % der Kontakte gefunden und isoliert werden. Bei einem R0-Wert von 1,5 könnte die Epidemie bereits gestoppt werden, nachdem 50 % der Kontakte identifiziert wurden.

Als zweiten wesentlichen Faktor nennen die Wissenschaftler den Anteil der Infektionen, die sich vor Ausbruch der Symptome ereignen. „Ideal wäre es, wenn es keine asymptomatischen Übertragungen gäbe. Dies ist bei dem SARS-CoV-2 offenbar nicht der Fall.“ Derzeit gehen Forscher davon aus, dass 15 % der Menschen, die infiziert werden, noch keine Symptome haben. In diesem Fall seien die Chancen auf ein Ende der Epidemie laut den Berechnungen von Eggo mit 90 % oder mehr sehr hoch. Allerdings träfe das nur zu, wenn die anfängliche R0 bei 2,5 liege und mindestens 80 % der Fälle gefunden und isoliert werden könnten. Natürlich dürfe bei der Kontaktsuche nicht zu viel Zeit vergehen. Ein großer Unsicherheitsfaktor seien jedoch auch Menschen, die zwar infiziert und somit Überträger sind, bei denen die Krankheit aber nie ausbricht und somit unerkannt bleibt.

Kontaktuntersuchungen sind indes sehr aufwendig: Hatte ein Erkrankter Kontakt mit 20 Personen, müssen bei 100 Fällen bereits 2.000 Kontaktuntersuchungen durchgeführt werden. Sollte die Zahl der Erkrankungen weiter zunehmen – wovon derzeit auszugehen ist – käme das Gesundheitssystem sehr schnell an seine Grenzen.
Deshalb ist Eggo auch eher pessimistisch.

„In den meisten plausiblen Ausbruchszenarien reichen Fallisolierung und Kontaktverfolgung allein nicht aus, um Ausbrüche zu kontrollieren“, schreibt sie. Zwar könnte eine effektive Kontaktverfolgung und -isolierung dazu beitragen, „das Ausmaß eines Ausbruchs zu verringern oder ihn über einen längeren Zeitraum unter Kontrolle zu bringen.“ Andererseits würde selbst eine nahezu perfekte Kontaktverfolgung in einigen Szenarien nicht ausreichen.

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