Die wichtigsten Innovationen der Buchmesse sind – natürlich – die Bücher. Genauer gesagt, die Inhalte der neuen Bücher. Entsprechend finden sich in den Newsrubriken allein der rund 100 Aussteller aus München vor allem Buch-Cover und Anreißertexte, die frische Geschichten und Autoren preisen. – Wer als Leser jemals Angst gehabt haben sollte, dass ihm der Stoff ausgehen könnte, hat ganz offenbar eine Sorge weniger zu haben.
Innovation minimalistisch
Das neue von Charlotte Link ist genauso da, wie das gerade zum besten deutschen Roman des Jahres gekürte von Inge-Maria Mahlke – nebst der anderen für den Deutschen Buchpreis nominierten Werke. Dabei müssen die Geschichten nicht einmal neu sein. Manesse macht vor, wie sich mit augenfreundlichem Satzbild und Illustrationen von Gustave Doré auch aus jahrhundertealten Texten wie Dantes Göttlicher Kommödie Neuigkeiten schnitzen lassen.
Dass Bücher nicht mehr ausschließlich zwischen zwei Buchdeckel stattfinden müssen, ist ebenfalls hinlänglich im Markt angekommen. Wenn selbst Schwergewichte wie Random House eine eigene Audio-Division gegründet haben, gehört Multimedia zum Standardrepertoire. Da kann sich der anno ’93 in München an der Spitze der Bewegung gegründete Hörverlag mit CDs und Downloads auch nur noch einreihen. Allerdings: Die Konsequenz, mit der Frank Schätzing seinen Neuling mit audio-visuell angereicherter Lesereise im Großformat vermarktet, sucht seinesgleichen.
Kaleidoskop der Wertschöfpungsketten
Wirklich beeindruckend an der Buchmesse ist die Bandbreite an Möglichkeiten, mit denen Inhalte in die Läden bzw. an den Leser herangebracht werden können. Da sind die etablierten Verlage wie Carl Hanser, Heyne, Siedler oder Schirmer/Mosel, die engagierten Klein- und Kleinstverlage, die Verlagsbuchhandlungen wie etwa Liebeskind, die nicht darauf warten, bis die Verlagsprogramme vorgelegt bekommen, sondern auch selbst Autoren den Weg ins Regal ebnen, die Agenten, die Autoren vertreten oder ganze Autorenpakete an Verlage vermitteln oder Organisationen wie Literareon, die solche bei der Hand nehmen, die Autoren werden wollen und gegen Bezahlung Buchproduktion und Vermarktung übernehmen.
Technisch ganz vorn sind die Spieler, die ihre eigenen Online-Plattformen dazu verwenden praktisch jedem, der sich berufen fühlt, eine Veröffentlichung zu ermöglichen. Kindle Direct Publishing aus der Amazon-Gruppe gehört genauso dazu, wie Tolino Media. Die Botschaft: jeder kann Autor werden und die dazu gehörige Community rankt, empfiehlt, kritisiert nach Herzenslust. Mit der Automobilindustrie verglichen wäre das in etwa so, als wenn VW oder Daimler Interessierten die Möglichkeit zur Verfügung stellen würde, ihr jäh eigenes Auto zu kreieren, es dann zu produzieren, um es dann ihrem Kundenkreis zur Nutzung zur Verfügung zu stellen. Mal sehen, wie lange die Produktionsmethoden der Autobranche diese Art von Kunden-für-Kunden-Produktion verhindern. Tolino Media beschäftigt sich unterdessen nicht mehr mit dem Verlegen von Büchern, sondern mit der Organisation der Autoren-Community rund um seine E-Plattform.
Der nächste Schritt: Automatenbücher
In seinem Vortrag “KI für Autoren” geht Roland Jesse noch einen Schritt weiter. Mit der Erörterung der Frage, inwieweit Autoren selbst künstliche Intelligenz nutzen können, um ihre Texte besser, effizienter, erfolgreicher zu produzieren, deutet er an, dass die nächste Hype-Welle im Verlagswesen die gänzlich automatisiert erstellten Bücher sein könnten. Kernassets der Verlage wären dann die Algorithmen, die Themen und Tragödien medienneutral zusammentragen und unter anderem den Druck zwischen die zwei Buchdeckel veranlassen könnten. Wer die ein oder andere Neuerscheinung des Jahres 2018 zur Hand nimmt bekommt den Eindruck, diese Algorithmen sind schon unter uns.
Foto: Frankfurter Buchmesse