© Universität Groningen, Olaf Scholten
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In Deutschland blitzt es pro Jahr rund 500.000 Mal. Wie diese Blitze genau entstehen, ist aber selbst Wissenschaftlern immer noch nicht ganz klar. Sicher ist, dass sich Eiskristalle, die in einer Gewitterwolke aufeinander prallen, elektrisch aufladen, ähnlich wie bei der aus dem Alltag bekannten statischen Aufladung. Diese Kristalle können durch Wind getrennt werden, sodass ein Teil der Wolke positiv, der andere negativ geladen ist. Wenn der Spannungsunterschied zwischen positiven und negativen Wolkenteilen zu groß wird, kommt es zu einer heftigen Entladung: Blitz und Donner.

Ein internationales Forscherteam hat mit hochauflösenden Daten des Radioteleskops LOFAR (Low Frequency Array) nun nadelförmige Strukturen in der Erdatmosphäre entdeckt, die laut Aussagen des Teams unter Leitung von Dr. Brian Hare und Prof. Dr. Olaf Scholten von der Universität Groningen dafür verantwortlich sind, dass ein Blitz innerhalb von wenigen Sekunden mehrmals einschlagen kann.

„Die Entladung beginnt mit einem kleinen Volumen von Luft, in dem Elektronen sich von den Luftmolekülen trennen“, weiß man beim Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), das ebenfalls an der Studie beteiligt war. „Diese ionisierte Luft, auch Plasma genannt, ist elektrisch leitend. Das Plasma breitet sich als verzweigte Kanäle aus, bis es auf die Erde trifft und sich die elektrische Spannung der Wolken als Blitz entlädt.“ Anhand von hochauflösenden, aus Radiosignalen von Blitzen abgeleiteten Daten des Radioteleskops LOFAR, konnten die Forscher die genauen Prozesse in diesen Kanälen bis hin zu den „Blitznadeln“ nachvollziehen.

Blitze
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Darum schlägt ein Blitz zwei Mal ein

Die Spitze eines solchen Plasmakanals kann positiv oder negativ geladen sein und die Forscher konnten beobachten, dass sich positiv geladene Plasmakanäle bei der Entladung anders verhalten als negativ geladene. Hierbei spielen die „Blitznadeln“ eine entscheidende Rolle. Diese Nadeln sind rund 100 Meter lang, haben einen Durchmesser von weniger als fünf Metern und führen senkrecht von den positiv geladenen Kanälen weg.

Die Wissenschaftler vermuten nun, dass Teile der Ladung eines positiven Plasmakanals nicht direkt in den Boden abfließen, sondern in den Nadeln gespeichert und in die Gewitterwolke zurückgegeben werden. Dadurch lade sich die Wolke erneut auf, erklärt Hare. „Wir sehen eine immense Anzahl an Nadeln in unseren Beobachtungen. Dies wiederum zeigt uns, wie sich Wolken nach einer Blitzentladung so schnell wieder aufladen können. Daher kommt es aus einer Wolke zu wiederholten Blitzeinschlägen auf dem Boden, und Gewitter liefern nicht nur einen Blitz, sondern viele spektakuläre, aber auch gefährliche Entladungen.“

Die neuen Erkenntnisse stünden im Widerspruch zum bisherigen Verständnis von Blitzen, in dem Ladung entlang von Plasmakanälen von einer Wolke zur anderen fließe, sagt Scholten. „Nur durch die unübertroffen genauen Messungen mit LOFAR konnten wir zeigen, dass sich entlang der positiven Kanäle kleine Seitenkanäle bilden, die besonders helle Radiowellen aussenden, was bedeutet, dass dort Ladung fließt.“

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Das Low Frequency Array LOFAR

LOFAR ist ein dezentrales Radioteleskop, das aus tausenden einfachen Antennen in verschiedenen Ländern besteht, unter anderem am Forschungszentrum Jülich und in Norderstedt bei Hamburg. Glasfasernetze verbinden die Antennen untereinander und mit einem Hochleistungsrechner, der sie zusammenschaltet und in ein riesiges, virtuelles Teleskop verwandelt. Es dient in erster Linie für astronomische Beobachtungen, beispielsweise der Messung der kosmischen Strahlung, ist aber so flexibel einsetzbar, dass es sich auch zur Messung von Blitzen eignet.

„Wir messen Frequenzen von 30 bis 80 Megahertz, liegen also genau zwischen dem Kurzwellen- und dem Ultrakurzwellenbereich“, berichtet Hare. „Mit diesen weltweit einzigartigen Daten konnten wir zum ersten Mal Blitze so genau auflösen, dass einzelne physikalische Prozesse sichtbar wurden. Durch die Benutzung von Radiowellen konnten wir auch ins Innere der Gewitterwolken schauen, wo sich die spannenden Prozesse abspielen. Dank der hohen räumlichen und zeitlichen Auflösung von LOFAR können wir die Ausbildung von Blitzen in einer völlig neuen Größenordnung bis hinein in die primären Prozesse untersuchen.“

Die Messungen würden ursprünglich aus der Forschungsgruppe stammen, die sich mit kosmischer Strahlung beschäftigt, berichtet Anna Nelles vom Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY. „An der Schnittstelle zwischen Teilchenphysik und Astronomie war dieses Gebiet bereits recht exotisch für ein Radioteleskop. LOFAR wurde ja vor allem für die Astronomie gebaut. Dass wir nun das beste Blitz-Interferometer der Welt sind, kam für alle überraschend und zeigt, welche spannenden Möglichkeiten sich durch Grundlagenforschung mit herausragender Infrastruktur ergeben können.“

Das Forscherteam stellte das bisher unbekannte Phänomen im Fachblatt „Nature“ vor.