Die aktuellen Diskussionen rund um die richtigen Maßnahmen im Hinblick auf die Eindämmung von Civid-19 und seiner Auswirkungen auf Menschen und Gesellschaften beunruhigen mich. Da gibt es einerseits die Befürworter von Schutzmaßnahmen, die es für wichtig und richtig halten, dass unsere Regierungen alles tun, um möglichst viele Menschen vor Infektionen und gesundheitlichen Schäden zu schützen und andererseits die Gegner, die Gesundheit als eine Verantwortung des Einzelnen ansehen und jede Beschränkung persönlicher Freiheiten als Angriff ihrer Grundrechte betrachten.
Eigentlich ist der Begriff „Diskussion“ schon falsch, weil wir, zumindest in den Sozialen Medien zu diesem Thema, kaum mehr einen Austausch von Meinungen und keine Aus-Einander-Setzung mit den Ansichten und Argumenten der anderen Seite mehr haben. Es gibt Standpunkte, aber keine Bereitschaft mehr, sich auf den jeweils anderen einzulassen und ihn verstehen zu wollen.
Dies ist umso erstaunlicher, als dass wir heute immer noch zu wenig über das Virus wissen, als dass wir konkrete und belastbare Aussagen über seine Eigenschaften, die Wahrscheinlichkeit einer zweiten Welle oder die nachhaltige Wirkung eines Impfstoffs haben.
“Wir müssen Gewohnheiten aufgeben, obwohl viele genau jetzt daran festhalten wollen.”
Wir leben in einer Zeit maximaler Unsicherheit über unsere Zukunft. Es ist verständlich, dass viele Menschen, die wenig Sicherheit und Orientierung im Außen erleben, eine solche Situation als belastend, verängstigend und belastend empfinden. Auf der Suche nach Sicherheit orientieren sie sich einerseits an ihren Gewohnheiten und Erfahrungen – was gestern gut war, wird morgen auch gut sein -, und andererseits an ihrer sozialen Umgebung. Beides führt dazu, dass die subjektive Lösung für eine Herausforderung in der Vergangenheit gefunden wird. Das Ziel einer solchen Strategie ist es, möglichst wieder den Ursprungszustand herzustellen. Psychologen reden hier von Resilienz; Ökonomen von einer V-Kurve. Einem möglicherweise tiefen, aber kurzen Einschnitt und einer zügigen Rückkehr zum Ausgangszustand.
Die Einschätzung von Experten deutet immer stärker darauf hin, dass wir hinsichtlich der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen von COVID-19 wahrscheinlich nicht mit einem V-Krisenverlauf rechnen dürfen, sondern eher mit einer L- oder U-Kurve. Ein L-Szenario würde bedeuten, dass COVID-19 die Wirtschaft in eine Art Stagnation versetzt und in einer Rezession verharrt. Ein U-Szenario geht davon aus, dass die Wirtschaft eine Rezession erfahren wird, sich nach einer gewissen Zeit wieder erholen kann und möglicherweise über den Zustand vor der Krise hinaus wachsen kann.
Ähnliches können wir uns auch für unsere Gesellschaften vorstellen. Die Krise, die durch COVID 19 weltweit ausgelöst wurde, führt zu Veränderungen, möglicherweise Einschränkungen und dazu, dass wir einige liebgewonnene Gewohnheiten der Vergangenheit erschüttert werden und ggf. (auf Zeit) aufgeben müssen. Beispielsweise die Überzeugung, dass der Staat für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden sorgen muss, oder die Absolutheit individueller Versammlungs- und Bewegungsrechte. Kurz: wir müssen Gewohnheiten aufgeben, obwohl viele genau jetzt daran festhalten wollen.
“Sinn ergibt sich, wenn wir die Vorteile eines Ziels für uns und andere erkennen können und gleichzeitig das Vertrauen in uns und andere haben, dieses Ziel auch erreichen zu können.”
Dieser Konflikt zwingt uns, Unternehmen, Wirtschaft und Gesellschaft neu zu denken. Die Lösung liegt nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft. Hierzu brauchen wir Innovationen – damit wir mit neuen Produkten und Dienstleistungen Märkte besser und effizienter bedienen können, und damit Wirtschaft und Gesellschaft die bestehenden Schwächen und Fehler überwinden kann.
Menschen sind sinn-orientierte Wesen. Hat etwas für uns keinen Sinn, so wenden wir diesem keine Aufmerksamkeit und keine Energie zu. Sinn ergibt sich, wenn wir die Vorteile eines Ziels für uns und andere erkennen können und gleichzeitig das Vertrauen in uns und andere haben, dieses Ziel auch erreichen zu können.
Neue Ziele erreichen wir nicht, in dem wir uns Standpunkte um die Ohren schlagen, sondern in dem wir aufeinander zugehen, uns miteinander auseinandersetzen, und gemeinsam an Lösungen – Innovationen arbeiten. Wenn Rückschritt (eine V-Kurve) keine Option mehr ist, dann ist Fortschritt (eine U-Kurve) die einzige Möglichkeit. Das U symbolisiert, dass es nicht nur abwärtsgeht, sondern nach einem Wendepunkt wieder aufwärts geht kann und die Chance besteht, dass dieses Aufwärts deutlich über den Ursprungszustand hinaus geht. Es liegt an uns, ob wir diesen Fortschritt wollen. E ist allerdings auch klar, dass es ohne Wollen keine Innovation und damit keinen Fortschritt geben wird. Je schneller und nachhaltiger wir vorhandene Innovationen annehmen und integrieren, um eine Wende herbeizuführen, desto schneller können wir über uns selbst hinauswachsen – als Gesellschaft, als Unternehmen und als Mensch!
Über diese Kolumne:
In einer Kolumne, die abwechselnd von Bert Overlack, Mary Fiers, Floris Beemster, Peter de Kock, Eveline van Zeeland, Lucien Engelen, Tessie Hartjes, Jan Wouters, Katleen Gabriels und Auke Hoekstra geschrieben wird, versucht Innovation Origins herauszufinden, wie die Zukunft aussehen wird. Diese Kolumnisten, gelegentlich ergänzt durch Gast-Blogger, arbeiten alle auf ihre Weise an Lösungen für die Probleme unserer Zeit. Damit es morgen besser wird. Hier sind alle vorherigen Episoden.