Über 20 Jahre lang hatte Bert Overlack sein eigenes Unternehmen mit mehr als 270 Mitarbeitern, hat Internationalisierung und Expansion erlebt – aber auch Marktzusammenbruch, Insolvenz und Neuaufbau. Er weiß, wovon er spricht, wenn es um die Themen Scheitern und Existenzängste geht. Heute berät und begleitet Bert Overlack Unternehmer, die ähnliches erleben wie er vor acht Jahren, ist aber auch Ansprechpartner für Unternehmer, die schon erfolgreich sind. Im vergangenen Jahr veröffentlichte er sein Buch FuckUp: Das Scheitern von heute sind die Erfolge von morgen, in dem er dem Leser hilft, sich mit der Möglichkeit einer Krise und des Scheiterns auseinanderzusetzen.
Für Innovation Origins wird Bert Overlack ab sofort in einer eigenen Kolumne über Erfolge, Scheitern und vieles mehr schreiben. Vorab erzählte er im Telefoninterview über sich, seine Motivation als Coach und seine Ziele.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Coach zu werden?
Ich habe mir das Thema Misserfolg zum Thema gemacht. Der Grund ist, dass ich vor 11 Jahren mit meiner Unternehmensgruppe Insolvenz anmelden musste und in dem ganzen Prozess erlebt habe, wie schwer es sein kann, so ein Misserfolgserlebnis auch zu verarbeiten. Ich habe dann damit begonnen, mich etwas systematischer damit zu beschäftigen und auch darüber zu sprechen. Irgendwann ist dann ein Buch daraus geworden. Jetzt ist es ein Thema für Vorträge und Workshops, wie auf persönlicher, gesellschaftlicher und auch unternehmerische Ebene mit Misserfolg umgegangen werden kann. Wie man daraus lernen und diese Erfahrung auch an andere weitergeben kann. Damit andere auch daraus lernen können.
Auf Ihrer Website steht, „Ihr Erfolg ist meine Mission“…
Das ist auch richtig so, aber ich bin kein Erfolgstrainer sondern eher ein Sparringspartner oder Coach, Berater. Ich nenne es am liebsten Sparringspartner für Unternehmer und Geschäftsführer bis hin zum Beirat in Veränderungsprozessen. Als Alter Ego, väterlicher Freund, bezahltes schlechtes Gewissen, wie auch immer. Der Hintergrund ist, dass viele Entscheidungsträger auf der ersten oder zweiten Ebene oft niemand haben, mit dem sie sich austauschen können. Ein Coach ist manchmal nicht genug, weil es auch um betriebswirtschaftliche oder unternehmerische Themen geht. Das können nur wenige Coaches, weil sie mehr psychologisch orientiert sind. Ein Berater greift zu kurz, weil er sehr oft die psychologische Seite nicht bedienen kann. Ich habe das Glück, dass ich beides bedienen kann.
Was hat Sie dazu bewogen, genau das zu machen, was sie jetzt tun?
Bis 2011 war Insolvenz nicht Teil meiner Lebensplanung. Ich habe im Laufe der Zeit danach gemerkt, dass es Menschen in unterschiedlichen beruflichen Situationen, in unterschiedlichen Altersgruppen gab, denen es gut tat, mal über eigene Misserfolge zu sprechen. Insbesondere Unternehmer oder auch Gründer von Start-ups. Ich habe mich intensiv mit der psychologischen Seite beschäftigt und ich kenne die betriebswirtschaftlichen Themen, um die es geht. Das war der Hintergrund des Ganzen, zu sehen, dass es anderen Menschen gut tut und, dass ich Menschen dahingehend erreichen kann, dass sie mit dem Thema scheitern bzw. Restart oder Second Chance anders umgehen.
Wie gewinnen Sie Ihre Kunden? Kommen sie zu Ihnen oder machen Sie Akquise? Oder durch Mund-zu-Mund-Propaganda?
Das ist unterschiedlich. Akquise mache ich nur bedingt, weil das nicht funktioniert. Ich halte relativ viele Vorträge. Das ist eine Art der Akquise, indem Menschen mich erleben können. Viel ist aber auch Mund-zu-Mund-Propaganda. Eigentlich ist das auch der wichtigste Teil. Vorträge und Weiterempfehlung.
Was erzählen sie bei ihren Vorträgen?
Der klassische Vortrag hat drei Teile: Dererste ist meine Geschichte. Da geht es um die authentische, emotionale Ebene. Auch um den Bezug herzustellen. Der zweite Teil geht darum, warum scheitern wir? Das geschieht anhand meiner Geschichte, aber reflektiert mit verschiedenen wissenschaftlichen Modellen aus der Forschung. Der dritte Punkt ist, wie können wir aus Scheitern lernen? Auch das ist keine Selbstverständlichkeit, da gibt es ein paar Voraussetzungen. Fehler oder scheitern kann man letztendlich nicht komplett vermeiden, es geht darum, was wir aus diesen Erfahrungen machen.
In Deutschland gilt Scheitern immer noch als Niederlage und man spricht am besten nicht darüber. In anderen Ländern wie den USA ist scheitern normal und wenn man etwas in den Sand gestzt hat, fängt man eben nochmal neu an. In Deutschland muss man sich schämen und verstecken wenn man scheitert…
Ja und nein. Das ist auch ein Teil meiner Mission: Ich verstecke mich nicht mehr. Weil ich das kann, und weil ich mit meiner Geschichte so im Reinen bin, habe ich den Mut, das Thema aus der Tabuisierung herauszuholen und in die Öffentlichkeit zu tragen, damit es eben nicht mehr tabuisiert wird. Das funktioniert witzigerweise, weil nach jedem Vortrag ältere Unternehmer, 50+ oder auch 60+, auf mich zukommen und sagen, ‚vielen Dank, dass Sie es einmal gesagt haben. Wir alle hatten unsere schweren Zeiten. Wir alle haben es erlebt, dass man mal tagelang, wochenlang, nachts nicht schlafen kann, weil uns irgendetwas umtreibt.‘ Es muss ja nicht immer eine Insolvenz sein. Sie bedanken sich, dass es endlich einmal jemand ausspricht, weil es ihnen einfach gut tut.
Was würden Sie Menschen raten, die z.B. einen Beruf gewählt haben, in dem sie wissen, dass sie nie glücklich werden oder auch Menschen, die schon gescheitert sind?
Der wichtigste Punkt ist, darüber reden. Ob in der Familie, ob im Freundeskreis. Darüberhinaus gegebenenfalls mit einem Coach, einem in irgendeiner Form qualifizierten Außenstehendem. Das Gespräch ist immer die beste Therapie. Auch der Blick von außen. Beim Thema Berufswahl würde ich mir im nächsten Schritt jemanden suchen, der qualifiziert ist, mich zu beraten und zu unterstützen. Jemand, der das Thema Berufswahl beherrscht, vor allem von der Persönlichkeit und seinen Stärken und Kompetenzen her. Einer, der einen beraten kann, den Beruf dann auch finden zu können, der zur Persönlichkeit und zu den Stärken optimal passt. Dann gibt es vielleicht nicht die große Karriere, aber die will auch nicht jeder. Aber die Chance ist da, einen Beruf zu ergreifen, der einfach Freude macht.
Macht Ihnen das Freude, was Sie jetzt tun? Ist das Ihr Traum?
Ja, das macht mir absolut Freude. Ich habe noch einige Entwicklungsideen, wie daraus noch mehr Freude werden kann, aber ich bin da auf einem sehr guten Weg.
Und wo sehen Sie sich heute in fünf, zehn oder 20 Jahren?
Ich möchte dieses Thema weiter vorantreiben und wäre gerne international tätig. Einerseits mit Vorträgen, andererseits mit Workshops und drittens mit wissenschaftlich begleitenden Untersuchungen. Ich bin jetzt nicht der große Wissenschaftler aber, mit so mit einer Art Think-Tank, der sich weltweit mit dem Thema Lernen aus Scheitern auseinandersetzt, um zu zeigen, das es die falsche Strategie ist, Scheitern in der Schmuddelecke zu haben.
So in der Art wie Jack Canfield?
Ja, so in etwa in diese Richtung. Etwas spezialisierter, aber ja, Jack Canfield bringt das eigentlich ganz gut rüber.
Warum glauben Sie, dass so viele Innovationsprojekte scheitern?
Viele Vorhaben scheitern, weil sich Parameter ändern und irgendwelche Faktoren, die dazu beitragen. Für mich sind das am Ende ganz ähnliche Muster. Und die Betroffenheit von Projektleitern von Innovationsprojekten, wenn sie sich dem Projekt wirklich verschrieben haben, ist auch hoch. Die haben letztendlich ganz ähnliche Verarbeitungsprozesse wie ein Unternehmer mit Insolvenzerfahrung. Es ist weniger persönlich dramatisch, aber es gelten die gleichen Voraussetzungen, wie man aus so einer Erfahrung lernen kann, wie für einen Unternehmer oder einen Gründer oder einen Karriereknick im Berufsleben. Dazu gibt es interessante Studien, die leider noch viel zu wenig bekannt sind. Es ist wichtig, dass es gelingt, Mitarbeiter, egal in welchen Funktionen, bei Entscheidungsprozessen im Unternehmen begleiten zu können, dass man sie nicht auf die Straße setzen muss, wenn sie etwas in den Sand gesetzt haben, bzw. dass sie nicht demotiviert sind, sondern dass sie eigentlich gestärkt aus so einer Erfahrung heraus gehen und mit der gleichen Freude wie vorher im Unternehmen weiter arbeiten.
Gerade haben neueste Umfragen gezeigt, dass die Menschen immer mehr unter Druck stehen, sie mehr Stress haben und dadurch immer aggressiver werden. Was würden Sie machen, damit Menschen gerne zur Arbeit gehen und sich nicht nur unter Druck gesetzt und gestresst fühlen?
Das ist eine sehr wichtige Frage. Der erste Punkt, und das ist das A und O, ist Wertschätzung und Respekt. Wir wissen alle, wenn wir in einer Situation nicht respektvoll behandelt werden, dann geht die Klappe runter. Das ist eine Erfahrung die sehr viele gemacht haben und die eigentlich banal ist. Es ist erstaunlich, wie Führungskräfte teilweise mit Mitarbeitern umgehen. Natürlich kann man da aber auch sehen, dass die selbst unter Druck stehen. Aber Respekt und Wertschätzung sind essentiell, also, dass der Mensch im Mittelpunkt steht. Es geht auch sehr stark um Fairness und Transparenz. Dazu gehört auch die Sinnfrage, dass die Mitarbeiter wissen wollen, warum sie etwas tun, wo ihr Beitrag liegt. Es kommt oft vor, dass Mitarbeiter ihre Arbeit machen, wenn man sie dann fragt, was ihr Beitrag zum großen Ganzen ist, können Sie diese Frage nicht beantworten. Das sind eigentlich die wichtigsten Punkte. Der dritte Punkt ist, im Mitarbeiter den Menschen zu sehen, und zwar den Menschen mit seinen Fähigkeiten, Stärken und seinem Potential, und diesen Mitarbeiter in Bereichen einzusetzen, die im wirklich liegen und in denen er so etwas wie Erfüllung finden kann. Ich habe in Unternehmen manchmal den Eindruck, dass es Mitarbeiter gibt, die den Job nur machen, weil es am Ende des Monats die Summe X dafür gibt. Ich bin davon überzeugt, dass man einen sehr wichtigen Schritt zur Motivation tut, wenn man Mitarbeiter in Bereichen einsetzt, in denen ihre Begeisterung liegt.
Diese Themen sprechen Sie auch alle in ihren Vorträgen an?
Ja. Es kommt immer darauf an, welche Nuancen es sind. In einer halben oder dreiviertel Stunde bekommt man nicht alles unter. Am Ende hat aber alles mit Führung zu tun. Wenn ich z.B. einen Mitarbeiter habe, der ein Projekt in den Sand gesetzt hat, die Verantwortung hat für ein Projekt, das gescheitert ist, dann ist der respektvolle Umgang, dass ich ihn nicht vor versammelter Mannschaft dafür verantwortlich mache. Dann muss ich ihn eher unterstützen. Es ist dann wichtig zu sehen, was kann man daraus lernen. Was lernst du daraus, was können wir als Unternehmen daraus lernen, dass uns das nicht mehr passiert? Was ändert sich für dich? Was hast du für dich erkannt? Oder man muss vielleicht noch weiter in Ausbildung und Training investieren und dann wäre eigentlich alles ganz einfach. Das Problem ist aber, dass Führungskräfte im mittleren Management oft unter Zwängen stehen. Ich bin überzeugt, dass Unternehmen und Organisationen, denen es in den nächsten Jahren nicht gelingt, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, egal auf welcher Ebene, auch den Vorstandsvorsitzenden, auch der ist ein Mensch, Probleme bekommen. Auch mein Chef darf mal einen schlechten Tag haben, auch meinem Chef geht es mal nicht gut und das darf auch sein. Unternehmen, denen das nicht gelingt, werden ziemlich schnell Schwierigkeiten bekommen.