Arthrose ist in Deutschland die häufigste aller Gelenkerkrankungen. Bei rund 18 Prozent der Erwachsenen ist die Knorpelschicht eines Gelenks zerstört, dass sie unter starken Schmerzen und Entzündungen leiden. Im Extremfall führt die Krankheit bis zur Bewegungsunfähigkeit und zum Gelenkersatz. Weltweit ist Arthrose ebenfalls die häufigste Gelenkerkrankung, unter der etwa 200 Millionen Menschen leiden.
Laut Informationen der Deutschen Arthrose-Hilfe leiden in Deutschland etwa fünf Millionen Menschen unter Arthrose, Tendenz steigend. Am häufigsten betroffen sind Hände, Knie und Hüften, es können aber auch alle anderen Gelenke befallen sein. Ältere Menschen leiden zwar häufiger unter einer Arthrose als jüngere, trotzdem betonen Ärzte, Arthrose sei kein altersbedingter Verschleiß.
„Wir sprechen immer von Gelenkverschleiß als Basis der Arthrose. Tatsächlich aber ist diese Aussage falsch“, erklärt Prof. Dr. med. Wolfgang Rüther, Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und Präsident des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) in Hamburg im Ärzteblatt. „Unser Knie aber ist kein Motor, der nach 250.000 Kilometern schwächelt.“ Arthrose entstehe nur, wenn eine initiale Schädigung des Knorpels eintrete und sich dadurch dann die Gelenkzerstörung entwickele.
Auslöser von Arthrose können Fehl- oder Überbelastungen der Gelenke sein, zum Beispiel als Folge von Übergewicht oder Hochleistungssport. Die Krankheit kann sich aber auch bei einer ganz normalen Belastung bilden, wie Stoffwechselstörungen, einer Infektion, einer Verletzung oder Entzündung im Gelenk, die den Knorpel beeinträchtigt, oder auch durch eine genetisch bedingte Abweichung in der Knorpelmatrix.
Dennoch leiden ältere Menschen häufiger unter Arthrose als jüngere. Ab dem 60. Lebensjahr ist es gut die Hälfte der Frauen und ein Drittel der Männer, vor dem 30. Lebensjahr nur 1,6 Prozent. Auch die verschiedenen Arten der Arthrose sind sehr unterschiedlich verteilt. Bei einer Hüftgelenk-Arthrose sind beide Geschlechter gleichermaßen betroffen, Frauen leiden im Alter aber doppelt so häufig an einer Arthrose der Knie- und Fingergelenke wie Männer. In Deutschland haben bereits vier Millionen Menschen ein künstliches Gelenk. Bisher wird die Diagnose Arthrose allerdings oft viel zu spät gestellt.
An der Charité in Berlin, der Hochschule Fulda, der Universität Ulm und der Technischen Hochschule Mittelhessen wird deshalb aktuell an einer schonenden Methode gearbeitet, den Knorpelschaden am Knie schon frühzeitig zu erkennen – mit Schalldiagnostik.
Gelenk kann knarren wie eine Tür
Nicht nur Menschen im „knackigen Alter“, bei denen die Gelenke bei Bewegungen oft Geräusche von sich geben, auch Orthopäden wissen es schon lange: Ein kaputtes Gelenk kann knarren wie eine Tür. Die Wissenschaftler haben nun jedoch herausgefunden, dass Knorpelschäden einen ganz eigenen Sound haben, der für das menschliche Ohr nicht hörbar ist. Wenn ein Mensch mit Knorpelschäden Kniebeugen macht, entstehen Geräusche, die typisch sind und sich von anderen Geräuschen abheben. Durch die spezielle Technik der Schallemissionsanalyse lassen sich diese Geräusche mit einer Schallkurve aufzeichnen.
Für die Aufzeichnung der Geräusche von Knorpelschäden haben die Forscher im Laufe ihrer langjährigen Forschungsarbeit ein spezielles Mikrofon und Sensoren entwickelt, die diese spezifischen Schallmuster automatisch ausfiltern. Um herauszufinden, wie ein kranker Knorpel im Vergleich zum gesunden Knorpel klingt, haben sie außerdem viele Test, auch am toten Material, dem Knochen, gemacht. Dazu rieben sie unter anderem Knorpel ab oder bohrten Löcher, um herauszufinden, wie unterschiedliche Gelenkschäden klingen.
Schalldiagnostik und MRT kommen zum gleichen Ergebnis
In einer Pilotstudie brachten die Wissenschaftler dann am Kniegelenk von 29 Testpersonen das Aufnahmegerät an und zeichneten die Geräusche auf, während die Patientinnen und Patienten eine Kniebeuge machten. Bei einem erkrankten Kniegelenk entstehen hierbei durch diese Belastung Geräusche. Die Wissenschaftler notierten auch die Gradzahl der Bewegung, bei der die typischen „Schadensgeräusche” auftraten, um dadurch Hinweise auf den Ort der Knorpelschäden zu bekommen. Bei einem Teil der Patientinnen und Patienten gab es zudem auffällige Schallmuster, obwohl die Röntgendiagnostik unauffällig war.
Am Ende verglichen die Forscher die Resultate der Schalldiagnostik mit zuvor angefertigten MRT-Aufnahmen und stellten fest, dass die Ergebnisse in 95 Prozent der Fälle übereinstimmten. Das heißt: Nahezu alle radiologisch bestätigten Schäden wurden auch mithilfe der Schalldiagnostik entdeckt.
Die Wissenschaftler sehen in diesem vielversprechenden Ergebnis ein großes Potenzial: „Die Schalldiagnostik kann möglicherweise auch schon früher als Röntgenaufnahmen oder MRT einen Gelenkverschleiß bemerken”, hofft Prof. Dr. Udo Wolf, Mitautor der Studie und Professor für Physiotherapie am Fachbereich Pflege und Gesundheit der Hochschule Fulda. Für diesen Nachweis brauche es jedoch weitere klinische Studien.
Früherkennung noch nicht möglich
Da Knorpelschäden auf Röntgenbildern oder MRT-Aufnahmen erst in einem späteren Stadium zu sehen seien, wenn der Knorpel abgenommen hat und so dünn geworden ist, dass sich der Gelenkspalt verschmälert hat und Knochen droht, auf Knochen zu reiben, sei eine Früherkennung der Arthrose aktuell noch nicht möglich, so Wolf. Bei der Diagnose sei der Knochen dann meist schon so beschädigt, dass nur noch ein neues Gelenk infrage käme. „Wenn wir schon früh herausfinden könnten, dass eine Arthrose beginnt, könnte man rechtzeitig therapeutisch entgegenwirken, etwa mit Kompressionsbehandlungen oder Krafttraining”, hofft der Physiotherapeut Wolf.
Das zugrunde liegende Verfahren wird bereits seit längerer Zeit zur Überprüfung der Qualität von Werkstoffen, zum Beispiel in der Autoindustrie, angewendet, um zu testen, ob das verwendete Material einwandfrei ist. Dazu wird das Material verformt und die mechanische Belastung produziert Schall. In der Medizin hat die Schallemissionsprüfung gleich mehrere Vorteile. Im Gegensatz zu vielen bildgebenden Verfahren ist sie schonend, weil es keine Strahlenbelastung gibt und sie ist vergleichsweise preisgünstig.
In weiteren Studien wollen die Forscher nun überprüfen, ob die Schalldiagnostik bereits kleine Veränderungen am Knorpel wahrnehmen kann, die über das klassische bildgebende Verfahren nicht erkennbar sind. Die aktuelle Studie ist im Journal of Medical Engineering and Physics erschienen.
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