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An der Universität Innsbruck gibt es eine ausgeprägte Expertise für Dendrochronologie, die auch Jahrringforschung genannt wird. Ziel der Wissenschaft ist es, Hölzer zu datieren und Rückschlüsse auf Baugeschichte, Klima und Gletscherentwicklung zu ziehen.

Die Jahrringe sind Spuren des Wachstums von Bäumen. Sie zeigen einzelne Wachstumsphasen, aus denen Wissenschafter verschiedene Informationen lesen können. Vor allem aber ist es das Alter von Bäumen, das auf diese Art bestimmt werden kann. Der Begründer der Wissenschaft ist der Amerikaner Andrew Ellicott Douglass. Ihm gelang es Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts erstmals, die Jahrringabfolgen verschiedener Hölzer in eine jahrgenaue Übereinstimmung zu bringen.

„Jahrringe gleichen nie denen aus den Vorjahren. Diese Variabilität können wir untersuchen, was wiederum das Erstellen von charakteristischen Abfolgen, sogenannten Jahrringkurven, ermöglicht“, erklärt der Geograph Kurt Nicolussi, Leiter der Abteilung für Alpine Dendrochronologie an der Universität Innsbruck.

Erstellen eines Jahrringkalenders

Bei lebenden Bäumen werden die Jahrringe von außen nach innen datiert. Der Jahrring direkt unter der Rinde ist dem aktuellen Jahr zuzuordnen, die darauffolgenden jeweils den Jahren zuvor. Anschließend fügt man älteres Holzmaterial hinzu. So entsteht sukzessive ein immer weiter in die Vergangenheit reichender Jahrringkalender, der in speziellen Computerprogrammen erfasst wird und Referenzdatensätze liefert. Diese ermöglichen den Vergleich von Holzstücken unbekannten Alters – und die jahrgenaue Datierung alter Hölzer.

Regional charakteristische Muster

Die Jahrringserie, die man erstellt, sollte in der Regel achtzig oder mehr Ringe haben. Bei Holzstücken mit weniger Jahrringen, funktioniert das nicht. Diese Jahrringserie vergleicht man dann mit bestehenden Referenzdatensätzen und versucht so eine präzise jahrgenaue Einordnung vorzunehmen, erklärt Nicolussi. Jahrringabfolgen weisen charakteristische Muster auf. Muster, die nicht nur in einem Einzelbaum zu finden sind, sondern in ähnlicher Form in verschiedenen Baumindividuen und durchaus auch in einem größeren regionalen Bereich.

Präzise Datierung von Hölzern

Mit Verfahren der Dendrochronologie kann man sehr genaue Zeitangaben machen. In der Archäologie wurden diese bereits genutzt, um Pfahlbausiedlungen im Umkreis der Alpen in den letzten 6000 Jahren genau zu datieren. Man kann Dorfentwicklungen von Dörfern, die vor Jahrtausenden gebaut wurden, nachvollziehen. In der Baugeschichte können Hölzer von alten Burgen und Kirchen analysiert werden, um Rückschlüsse auf die Baugeschichte zu ziehen.

Baumstämme können aber auch helfen, die Entwicklung der Gletscherregionen besser zu verstehen. Über diesen Forschungszweig ist Nicolussi zur Dendrochronologie gekommen, der schon seit den 1980er Jahren auf diesem Gebiet forscht. Heute verfügen er und sein Team über die längste durchgängige Jahrringreihe aus einem Gebirgsraum weltweit. Der Datensatz führt durchgängig durch die vergangenen 10.000 Jahre.

Rekonstruktion der Gletscherentwicklung

Die Analyse eines Baumstamms der unter dem Eis eines Gletschervorfelds zum Vorschein kommt, kann zeigen,

  • wann dieser Baum gelebt hat;
  • wie lange dieser Baum gelebt hat;
  • Wenn dieser Baum vor Ort gewachsen ist, so weiß man, wie lange diese Stelle eisfrei war.

So kann dieser Baumstamm helfen, die Gletscherentwicklung der Vergangenheit zu rekonstruieren.

In den letzten drei Jahrzehnten sind durch die Gletscherschmelze viele Hölzer freigegeben worden.

“Diese Funde belegen lange frühere Rückzugsphasen, aber die Gletscher heute hinken dem aktuellen Klima hinterher und müssen erst weiter zurückschmelzen, um wieder in ein Gleichgewicht zu kommen. Deshalb erleben wir heute, dass manche Gletscherenden zusammenbrechen, weil aus den Nährgebieten immer weniger Eis nachkommt“, sagt Nicolussi.

Rückschlüsse auf das Klima

Neben der Datierung erlaubt die Dendrochronologie auch Rückschlüsse auf das Klima der vergangenen 10.000 Jahre. Stellt man unterschiedliche Jahrringabfolgen gegenüber, zeigen sich unter gewissen Voraussetzungen ähnliche Schwankungen im Zuwachs bei den einzelnen Jahrringabfolgen. „Bei einem Abgleich stoßen wir allerdings auch auf Grenzen, weil der Standort der Bäume für das in den Jahrringen enthaltene Klimasignal entscheidend ist“, erklärt Nicolussi. Als Beispiel nennt er den sehr heißen und trockenen Sommer 2003. Damals fehlte den Bäumen in den Tieflagen die Feuchtigkeit für das Wachstum und das zeigt sich in sehr schmalen Jahrringen. Bäume in den Hochlagen hatten hingegen einen sehr guten Zuwachs.

Vulkanausbruch als globales Phänomen

Jahrringe zeigen das regionale Klimasignal. Allerdings gibt es auch Ereignisse, die sich überregional und global auf das Baumwachstum auswirken können. Ein Beispiel dafür sind große Vulkanausbrüche. Dabei werden Asche und Schwefeldioxid in die Stratosphäre geschleudert und das führt zu einer globalen Abkühlung des Klimas. Das kann sich in zeitgleichen, abrupten Einbrüchen des Jahrringwachstums auf verschiedenen Kontinenten auswirken“, erklärt Nicolussi.

Die Jahrringe sind auch in verkohltem Holz noch gut zu erkennen. Das ermöglicht den Wissenschaftern Rückschlüsse auf den historischen Bergbau zu ziehen. Der Nutzen von Holz und Holzkohle für die Wissenschaft ist vielfältig. Das Archiv im Institut für Alpine Dendrochronologie umfasst mehr als 6000 Proben.

 

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