Bei der Destillation werden, vereinfacht gesagt, Flüssigkeiten mittels eines thermischen Verfahrens voneinander getrennt. So lassen sich beispielsweise verdampfbare Flüssigkeiten gewinnen. Man kann aber auch Lösungsmittel von schwer verdampfbaren Stoffen trennen und durch Kondensation wieder auffangen. Dieses traditionelle Verfahren ist zwar sehr effektiv, aber auch energieaufwendig.
Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben Wissenschaftler nun ein Verfahren entwickelt, das die Destillation überflüssig machen könnte. Mit neuen „porösen Flüssigkeiten“. Dabei schweben in einem Lösemittel Nanoteilchen, die Gasmoleküle verschiedener Größen voneinander trennen. Das geschieht, indem leere Poren in den Teilchen Öffnungen besitzen, in die nur Moleküle einer bestimmten Größe eindringen können. Größere Moleküle blieben draußen und werden so von den kleineren getrennt. Eingesetzt werden könnten die porösen Flüssigkeiten direkt, erklären die Forscher, sie könnten aber auch zu Membranen verarbeitet werden, „die Propen als Ausgangsstoff für den weit verbreiteten Kunststoff Polypropylen effizient aus Gasgemischen trennen“.
Propen wird vor allem bei der Aufbereitung von Rohöl oder natürlichem Erdgas gewonnen, indem es durch Destillation von anderen Gasen separiert und gereinigt wird. In der chemischen Industrie sind Propen einer der wichtigsten Grundstoffe zur Herstellung von Polypropylen. Dieser Kunststoff wird vor allem für Verpackungsmaterialien und in der Bau- oder Automobilbranche eingesetzt.
Weniger Treibhausgase durch ein Fünftel an Energieverbrauch
„In der Fachliteratur geht man davon aus, dass die Gastrennung in der Petrochemie mit Hilfe von Membranen nur ein Fünftel der Energie kosten würde, die für Destillationen benötigt wird“, sagt Nachwuchsgruppenleiter Dr. Alexander Knebel vom Institut für Funktionelle Grenzflächendes KIT, der bis 2019 an der Leibniz Universität Hannover und in Saudi-Arabien forschte. „Das bedeutet angesichts des hohen Propen-Bedarfs eine Einsparung riesiger Mengen des Treibhausgases CO2.“ Insbesondere die petrochemische Industrie könnte also davon profitieren, wenn sie für die Abtrennung von Propen auf Membranen setzt anstatt auf Destillation. Bei den von Knebel und seinen Kollegen durchgeführten Studien war die Durchflussrate bei den neuen Membranen mindestens dreimal so hoch wie bei bisherigen Materialien.
Ausgangsbasis der Forschung war das feste Material ZIF-67 (zeolitic imidazole framework). Dessen Atome bilden ein Metall-Organisches Netzwerk mit 0,34 Nanometer breiten Porenöffnungen. Indem sie Nanopartikel von ZIF-67 gezielt an der Oberfläche veränderten, gelang es den Forschern erstmals, „ein Metall-Organisches Netzwerk in Flüssigkeiten wie Cyclohexan, Cyclooctan oder Mesitylen fein zu verteilen, also zu dispergieren.“ Die entstandene Dispersion nennen die Wissenschaftler poröse Flüssigkeit.
Für den Weg durch eine Säule, die mit der porösen Flüssigkeit gefüllt ist, brauche gasförmiges Propen deutlich länger als beispielsweise Methan, erklärt Knebel. Denn Propen werde in den Poren der Nanopartikel gleichsam festgehalten, die kleineren Methanmoleküle hingegen nicht. „Diese Eigenschaft der Dispersion wollen wir künftig ausnutzen, um flüssige Trennmembranen zu erzeugen.“
Reinheitsgrad von mindestens 99,9 Prozent
Mit den porösen Flüssigkeiten lassen sich laut Aussagen der Forscher auch feste Trennmembranen mit besonders vorteilhaften Eigenschaften produzieren: Beispielsweise Membranen aus einem Kunststoff und dem chemisch modifizierten ZIF-67. Hier gelang es dem Team, den Anteil an modifiziertem ZIF-67 in der Membran bis auf 47,5 Prozent erhöhen, ohne dass diese mechanisch instabil wurde. Bei einer Gasmischung aus gleichen Teilen Propen und Propan, die über zwei hintereinandergeschaltete Membranen geleitet wurde, war das Ergebnis Propen mit einem Reinheitsgrad von mindestens 99,9 Prozent, „obwohl sich die beiden Gasmoleküle nur um 0,2 Nanometer in ihrer Größe unterscheiden“.
Entscheidend für die Leistungsfähigkeit der Membranen sei es, dass möglichst viele Metall-Organische Partikel einheitlich im Kunststoff verteilt werden könnten und dass die Poren in den Nanopartikeln bei der Membranherstellung nicht durch Lösemittel verstopft seien, d.h. leer bleiben. „Beides konnten wir erreichen, weil wir nicht direkt feste Partikel in die Membran eingearbeitet haben, sondern den scheinbaren Umweg über die porösen Flüssigkeiten gegangen sind“, erläutert Knebel.
Schnaps oder Desinfektion?
Das neue Verfahren eignet sich jedoch nicht nur für die Petrochemie. Es kann auch bei der Herstellung von Alkohol angewendet werden. Generell könnte man die Destillation auch hier ersetzen, sagt Knebel. „Prinzipiell wäre das möglich. Vermutlich [würde es] in einer Polymermembran eingesetzt, nicht direkt als poröse Flüssigkeit. Und der Prozess würde sich dann nicht Permeation sondern Pervaporation nennen.“
Bei alkoholischen Getränken wie Gin, Rum oder dergleichen sieht der Forscher jedoch eine Schwierigkeit. „Problematisch sehe ich da, dass man ja Fuselöle und leichtflüchtige Bestandteile zu einem gewissen Teil für den Geschmack/Geruch haben möchte, was nur in der Destillation der Fall ist“, erklärt er. „Die wären bei Membrandestillation dort komplett raus und man hätte als Produkt sehr reinen Alkohol.“ Das sei aber „auch schön“, wenn man zum Beispiel Desinfektion herstellen will. „Die Energieeinsparungen wären ähnlich gut wie in der Gasseparation.“
Knebel und seine Kollegen der Leibniz Universität Hannover, der King Abdullah University of Science and Technology und des Deutschen Instituts für Kautschuktechnologie berichteten über die Ergebnisse ihrer Forschung im Fachmagazin Nature Materials.
Titelbild: Poröse Flüssigkeiten als Membran: Mit diesem Verfahren könnten sich in der Kunststoffindustrie enorme Mengen Energie und damit CO2 einsparen lassen. (Foto: Alexander Knebel, KIT)