Wenn wir den Wasserhahn aufdrehen, dann gehen wir davon aus, dass Wasser eine unbegrenzte Ressource ist. Aber Experten warnen: der Klimawandel wird zu einer veränderten Wasserverfügbarkeit führen. Süßwasser zählt zu den am stärksten gefährdeten Ökosystemen weltweit.
Es ist die Artenvielfalt in Seen und Flüssen, die unsere Wasserqualität ausmacht. In einem Ökosystem wie dem Fließgewässer trägt jedes einzelne Lebewesen seinen Teil zur Balance des Ganzen bei. Bei abnehmender Artenvielfalt ist die Wasserqualität gefährdet. Das wird langfristig selbst in der alpinen Region Österreich zu einer veränderten Wasserverfügbarkeit führen.
Wasserverfügbarkeit sichern
Es war der Hydrobiologe Thomas Hein, der im Rahmen des Biennal Symposium of International Society for River Science (ISRS) in Wien vor einem leichtfertigen Umgang mit den Süßwasser-Ressourcen warnte. Studien belegen, dass der Artenreichtum von Süßwasserlebewesen seit 1970 um 83 Prozent zurückgegangen ist. Beängstigend sei nicht nur die Menge des Artensterbens, sondern auch die Geschwindigkeit, so Hein. Der laufende Verlust von Kleinstlebewesen, Insekten und Fischen destabilisiere langfristig das Ökosystem der Fließgewässer. Das Aussterben einer Spezies sei endgültig, betont der Forscher. Die verbliebene Biodiversität in den Fließgewässern müsse letztlich erhalten werden, um die Wasserverfügbarkeit zu sichern.
Hein ist Vorstand am Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement an der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien und Mitglied der globalen Initiative Alliance for Freshwater Life. Dabei handelt es sich um ein Expertennetzwerk, das Lösungen für die Entwicklung und Erhaltung von Süßwasser-Ökosystemen besser vermitteln will. Ziel ist es, den Verlust und Rückgang der biologischen Vielfalt im Süßwasser umzukehren.
Appell an die Politik
Bis dato werden politische Initiativen zum Schutz des Süßwasserlebens nicht konsequent genug umgesetzt – so das Mantra der Organisation. Politische Strategien zur nachhaltigen Entwicklung und Nutzung von Süßwasser vernachlässigen meist die damit einhergehende biologische Vielfalt.
Im Rahmen des Biennal Symposium of International Society for River Science (ISRS) in Wien stellten Forscher eine Reihe von Studien vor, welche die Auswirkungen des Klimawandels auf die Biodiversität beschreiben. Eines der zentralen Probleme: Der Wechsel von Starkregen und Dürreperioden, der zu Überschwemmungen und Absenkungen des Wasserspiegels in Flüssen und Auenlandschaften führt. Beide Wetterereignisse verursachen einen Rückgang der Artenvielfalt.
Auslöser Starkregen und Dürreperioden
Das zeigte unter anderem eine Studie von Pawel Napiórkowsky und Nikola Kolàrova, vom Department of Hydrobiology an der Kazimierz Wielki Universität im polnischen Bydgoszcz. Die Wissenschafter untersuchten die Auswirkungen von extremen Wetterereignissen auf den Zooplankton in den Auenseen im polnischen Vistula Tal. Die Studie lief über eine Zeitdauer von neun Jahren.
Als Zooplankton wird die Gesamtheit der im Wasser schwebenden tierischen Organismen bezeichnet. Sie tragen neben dem Phytoplankton wesentlich zur Produktion von organischem Material im aquatischen Ökosystem bei.
Dominanz von Rädertierchen
Während großer klimatischer Störungen haben nur einige wenige Arten die Fähigkeit, die Ressourcen zu vereinnahmen. Im stark abgesunkenen Wasserspiegel erreichte deren Dominanz zwischen vierzig und sechzig Prozent. Sowohl Überschwemmungen als auch Dürreperioden förderten die Entwicklung von kleinen Rädertierchen, die sich von Schwebstoffen und Bakterien ernähren. Diese haben die Fähigkeit, sich an ein breites Spektrum von Umweltbedingungen anpassen zu können. Die Zunahme der Spezies der Rädertierchen ging auf Kosten der Krustentiere und wurde an verschiedenen Orten beobachtet.
Sauberere Wasserkraft
Heins Kollegin Astrid Schmidt-Kloiber, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement an der BOKU Wien, plädierte im Rahmen des Symposiums für eine sauberere Wasserkraft. Der Ausbau von Staudämmen boomt weltweit. Bereits mehr als die Hälfte aller Flüsse sind verbaut. Österreich ist in der Nutzung von Wasserkraft in Europa die Nummer 1. Diese leistete 2017 mit 35,3 Prozent den größten Beitrag zum Gesamtaufkommen erneuerbarer Energie in Österreich.
Zuzüglich Hochwasserschutzbauten befindet sich in österreichischen Flüssen pro Flusskilometer ein Querbauwerk – so die Statistik des Bundesamts für Wasserwirtschaft. Das sind rund 33.000 Wanderhindernisse für Fische und andere Organismen. Unter anderem ist es die mangelnde Gewässerdurchgängigkeit, welche die Nahrungssicherheit für Fische gefährdet und Wanderfischarten den Zugang zu ihren Laichplätzen verwehrt.
Die negativen Effekte der baulichen Eingriffe in Flusssysteme erklären, warum die vermeintlich saubere Wasserkraft wesentlicher Faktor des Artensterbens sei, so die Forscherin. Das müsse allerdings nicht sein. Nachhaltige technische Lösungen gibt es bereits. In Österreich wurden diese fallweise bereits umgesetzt. Global sieht sie jedoch einen Trend zur weiteren Verschlechterung.
Nachhaltige Maßnahmen, die in Österreich bereits gesetzt wurden, sind
- Renaturierungsprojekte, wie Viadonau und die ökologische Neugestaltung des Unterlaufs der Traisen.
- eine Fischwanderhilfe, die den Fischen und Mikroorganismen hilft, die baulichen Hindernisse verletzungsfrei zu passieren. Es handelt sich dabei um eine Wasserkraftschnecke, die zwei Funktionen in sich vereint: Fischlift und Stromproduktion.
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