Im Juni gab Facebook mit einem Konsortium von Technologie-Unternehmen den Plan zur Gründung der neuen digitalen Währung Libra bekannt. Politiker reagierten höchst skeptisch. Ist doch das Geldmonopol ein urstaatliches Privileg. Aber Libra ist nicht die erste digitale Währung und Experten attestieren dem Zahlungsmittel durchwegs Konkurrenzfähigkeit – schon allein der prominenten Namen wegen. Unter den dreißig Mitgliedern befinden sich auch Visa, Uber, Mastercard und Paypal. Dem Konsortium um Facebook könnte es aber vor allem an einem mangeln: Vertrauen! Hat Facebook doch schon Probleme, die zahllosen Fake-Accounts zu kontrollieren.
„Wenn von den 2,7 Milliarden Facebook-Nutzern nur 100 Millionen mitmachten, hätte Libra schon mehr Kunden als der gesamte deutsche Bankenmarkt”, rechnete der deutsche Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung. Ein Verbot für die Einführung der Libra kann es nicht geben. Jedoch sieht es Wuermeling als „eine Errungenschaft, dass unabhängige Notenbanken für stabiles und sicheres Geld sorgen“ und warnt vor der Rückkehr eines neuen Wilden Westens im Geldsystem.
Darüberhinaus hält es der Bundesbank-Vorstand für möglich, dass sich Facebook durch die Libra zum größten Gläubiger von Staaten entwickelt. Der Kurs der Kryptowährung Bitcoin hängt von Angebot und Nachfrage ab und schwankt dadurch stark. Libra soll eine stabile Währung werden und ist nicht nur mit den großen Währungen unterlegt, sondern auch mit Staatsanleihen.
Angriff auf die Bankenwelt
Das Konsortium will eine Gesellschaft in der Schweiz gründen und ein stabiles System schaffen, in dem etablierte Währungen als Grundlage dienen. Die Gesellschaft will kurzlaufende Staatsanleihen und Bankeinlagen nutzen. Teodoro Cocca, Professor für Asset und Wealth Management an der Johannes Kepler Universität in Linz, bezweifelt, dass das System so einfach funktioniert und die Libra vollständig mit Anleihen aus stabilen Währungsräumen unterlegt werden kann.
Darüberhinaus sieht Cocca in der Libra einen Angriff auf die Bankenwelt. Im Konsortium der renommierten Technologiekonzerne befindet sich kein einziges Bankinstitut. Das digitale Bezahlsystem Libra soll das länderübergreifende Bezahlen und das Übertragen von Gutschriften von Person-zu-Person vereinfachen – und wird die Banken in eben diesen Services treffen. Überweisungen per Whatsapp, Instagram oder Messenger wären möglich. In China ist der bargeldlose Bezahldienst über WeChat übrigens schon Realität.
Für die Kunden hätte die digitale Währung zwar überschaubare Vorteile – aber doch den Vorteil geringerer Provisionen, als diese bei herkömmlichen Geldinstituten anfallen.
Die Zinsen, welche die Währungen abwerfen, sollen dazu dienen, die Kosten des Systems zu decken. Dadurch soll verhindert werden, dass die Libra extrem schwankt (stablecoin). Für die Kunden wird die Währung allerdings keine Zinsen abwerfen.
Ein weiterer Risikofaktor sind Währungsrisiken: Tauscht jemand Euro gegen Libra und ist Libra mit dreißig Prozent Euro unterlegt, hat er auf siebzig Prozent seines Guthabens ein Währungsrisiko. Ein Problem, das aus Fremdwährungskrediten bekannt ist.
Attraktive Innovationen möglich
Trotzdem: rund um Libra könnte ein attraktiver Innovationsbereich von Services entstehen, so Cocca. Aus dem Datenpool der auf Blockchain abgespeicherten Zahlungshistorien könnten ganz neue Finanzdienstleistungen entwickelt werden. Als Beispiele nennt der Experte maschinell abgeleitete Real-Time-Kreditratings oder Smart-Contracts zur Überwachung der Bonität der Händler.
Frage der Regulatorien
Für Cocca liegt die Herausforderung in den regulatorischen Fragen. Libras werden in einer Währung wie Euro eingezahlt und sind in einem digitalen Wallet beim Endkonsumenten gespeichert. Er kann sich nicht vorstellen, dass für dieses Modell weltweit eine einheitliche Regelung gefunden wird. Er rechnet mit nationalen Spezifikationen.
Wie bei der Eröffnung eines Bankkontos müssten auch die Nutzer der Libra ihre Identität dem Anbieter gegenüber offenlegen. Eine Maßnahme, die der Verhinderung der Geldwäscherei dient. Daraus ergibt sich für Cocca eine weitere zentrale Frage: Nämlich, wie und durch wen in diesem Ökosystem die Geldwäsche-Bestimmungen (Know-Your-Customer (KYC)) eingehalten werden.
Laut White Paper besteht eines der Ziele des Projektes in der Entwicklung eines offenen digitalen Identitätsstandard. Daraus leitet Cocca ein individuelles KYC-Rating für jeden Nutzer ab.
Wo bleiben Amazon und Google?
Neben Banken gibt es aber noch andere Abwesende im Libra-Konsortium. Cocca weist auf das Fehlen der Technologieriesen Amazon und Google hin und schließt daraus konkurrierende Strategien. Die Diskussion um digitale Währungen dürfte mit der Libra also erst einen vorläufigen Höhepunkt erreicht haben.
Vor- und Nachteile der Nachvollziehbarkeit
Das zwölfseitige White Paper, das Facebook veröffentlichte, ist nicht besonders aussagekräftig. Entscheidende Fragen blieben unbeantwortet. So auch die Frage nach der Technologie, auf der das neue digitale Zahlungsmittel basieren soll. Experten gehen davon aus, dass es die Blockchain-Technologie sein wird – die ebenso der digitalen Währung Bitcoin zugrunde liegt.
„Dank Blockchain kann man (…) auch mit Unternehmen, die man noch gar nicht kennt, risikolos eine Geschäftsbeziehung aufbauen“,
sagt Bernhard Bergmair vom Linz Center Of Mechatronics (LCM) an der Johannes Kepler Universität. Vereinfacht gesagt, ist die Blockchain eine Datenbank, die nicht auf einem einzigen Server liegt, sondern weltweit auf viele Einzelrechner verteilt ist. Da jeder Teilnehmer die gleichen Zugriffsrechte hat, sind Missbrauch und Manipulation ausgeschlossen. Allerdings müsse auch immer die Frage gestellt werden, was in der Blockchain gespeichert wird. Denn, dass etwas falsch eingegeben werde, davor sei auch die beste Technologie nicht gefeit.
Der Vorteil der Blockchain ist gleichzeitig deren Nachteil. Das System erleichtert den Handelshäusern den Weg eines Coin genau nachzuvollziehen. Das öffnet aber auch den Weg zum gläsernen Konsumenten, dessen Aktivitäten umso besser nachvollziehbar sind, je mehr dieser im System Libra unternimmt und bezahlt.
„Die Gefahr des überwachten Bürgers, der Übergang zum Überwachungsstaat ist ein fließender“,
sagt Thomas Buchegger vom Linz Center Of Mechatronics. China ist schon auf dem Weg dorthin und bewertet seine Bürger nach sozialer Kreditfähigkeit.
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