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Nachdem Greta Thunberg mit der Rennyacht Malizia II ihren ‒ als Alternative zum Flug ‒ nachhaltigen Törn über den Atlantik machte, wurde in aller Welt der Carbon-Rumpf der Yacht viel diskutiert. Denn dieses Material ist als andere als nachhaltig. Doch immerhin: Es ist für die harten Bedingungen auf hoher See derzeit noch die sicherste und beste Wahl. Noch – denn das Projektteam ecosail rund um Prof. Dr.-Ing. Fahmi Bellalouna der Hochschule Karlsruhe arbeitet derzeit daran, den Bootsbau nachhaltiger zu gestalten.

Für den im Jahre 2006 von der Uni Palermo gemeinsam mit der Universität von Neapel ins Leben gerufenen 1001 VELA Cup 2019 entwickelte das Team eine Jolle, die – bezogen auf das Gewicht – zu 70 % aus Naturstoffen besteht. Denn das war die Vorgabe der Wettkampfanforderungen. Immerhin belegte das deutsche Team mit ihrer Mach 1 den 5. Platz des internationalen, studentischen Profi-Wettkampfes mit Grünen Booten.

ecosail-Team ©Salvatore Lopez

Tropenholz und Spantenstruktur

Das etwa 110 kg wiegende Boot ähnelt einer 470er, ‒ also einer olympischen Zweimann-Rennjolle mit Trapez und Spinnaker ‒, besteht aber aus laminiertem Flachsgewebe mit 50 % Naturharzanteil. Zudem ist die innere Rumpfstruktur, eine Spantenstruktur, aus tropischem Okoumè Holz und Sapelli Holz gefertigt. Dieses Tropenholz zeichnet sich durch hohe Festigkeit mit gleichzeitig geringem Gewicht aus. Das Deck der Grünen Jolle besteht aus Birch-Holz. Dies ist neben den obigen Eigenschaften zudem noch relativ flexibel.

Bellalouna erklärt den Hintergrund und die Zukunft von Bauweise und Materialen:

„Die innere Struktur des Rumpfs wurde durch eine Spantenbauweise und durch die Verwendung von leichten, aber gleichzeitig stabilen Holzarten-Okoumè Holz und Sapelli Holz realisiert. Diese Leichtbauweise hat zur hohen Gewichtsreduzierung und zu mehr Stabilität des Rumpfes geführt. Ferner wurde durch den Einsatz von Flachsgewebe als leichte und hochfeste Naturfaser und durch Vakuumpressen als Laminierverfahren der Rumpfschale eine stabile und leichte Rumpfform verliehen.”

“Der Einsatz von Naturfasern, z.B. Flachs, Jute, Halfagras, ist aufgrund der sehr positiven Ökobilanz – eben ihrer Fähigkeit in trockenen und wasserarmen Gebieten zu gedeihen und der Möglichkeit sie mehrmals pro Jahr zu ernten ‒, vergleichbar mit Holz. Die Naturfasern haben sehr gute mechanische Eigenschaften. Somit werden sie zukünftig mehr an Bedeutung in den industriellen Anwendungen, z.B. im Automobil-, Schiffs- und Flugzeugbau, gewinnen”, ergänzt Bellalouna.

Branchenübergreifend: Naturfasern für industrielle Fertigung

Denn Ziel des ecosail-Projektes ist es, nicht nur im Bootsbau die industrielle Verwendung von Naturfasern zu untersuchen und zu bewerten. Und immerhin hat das studentische Seglerteam ja nun die Tauglichkeit der entwickelten Konzepte in der Praxis bewiesen. Im nächsten Schritt werden diese bei Fachausstellungen und in Fachveröffentlichungen potenziell interessierten Unternehmen vorgestellt. So hofft das Uni-Team auf weitere mögliche Kooperationen. Denn schon jetzt arbeiten die Studenten, von denen viele Profi-Segler sind, im engen Austausch mit Firmen aus dem Yacht-Design sowie der -Fertigung zusammen.

©Sven Doll

Im Prinzip werden sogar alle Hochschulteams, die an dem 1001 Vela Cup teilnehmen, durch Sponsoren aus der Segelbootkonstruktion und dem Segelbootbau unterstützt. Gleichzeitig nutzen die Unternehmen die Veranstaltung als intensive Austauschplattform sowie als Impulsgeber für die Entwicklung ihrer neuen Konzepte.

Bellalouna freut sich:

„Das Interesse von Kunden an umweltfreundlichen und nachhaltigen Produkten hat den Bootsmarkt auch erreicht. Das Segeln ist per se eine umweltfreundliche und nachhaltige Mobilitätsform, die nur den Wind und die Thermik als Energiequelle benutzt. Daher achten inzwischen viele Kunden auf die Materialzusammensetzung und auf die Herstellverfahren von Segelbooten. Diese Entwicklung wird oft von Experten ‒ wie Designern, Ingenieuren, Werftmitarbeitern aus dem Boots- und Dickschiffsbaubereich ‒, immer bestätigt.“

Doch bis dahin ist noch ein langer Weg. Bellalouna erläutert:

„Boots- und Dickschiffsbau sind aufgrund der Stückzahlen und der Größe des Markts sehr teuer. Daher versuchen die Hersteller hier möglichst etablierte Materialien und Herstellverfahren einzusetzen, um Kosten zu reduzieren. Der Einsatz von neuen ökologischen Materialien und Herstellverfahren ist technisch aufgrund der fehlenden Daueruntersuchungen sehr riskant und wirtschaftlich nicht rentabel. Die meisten Boots- und Dickschiffsbauer sind kleine Werften, die dieses technische und wirtschaftliche Risiko nicht tragen können. Und in der Forschung gibt es in Deutschland sowie weltweit zwar Hochschulen und Institute, die sich der Entwicklung von nachhaltigen Konzepten für kleine Boote und Dickschiffe widmen, es ist jedoch kein lukratives Forschungsgebiet.“

Hybrid-Faser statt reinem Carbon

Auch wenn Naturfasern aufgrund ihrer sehr guten, mechanischen Eigenschaften und sehr guten Ökobilanz langfristig eine alternative für Carbon und Kunststofffasern darstellen könnten, sieht Bellalouna zukünftig deren Aufgabe eher im Bereich von Hybrid-Fasern, die aus Natur- und Kunststofffasern zusammengesetzt werden. Denn, so der Prof.:

„Die Herstellung von Rümpfen durch Verbundwerkstoffe aus Epoxidharz und Kunststofffasern ist aufgrund der Wirtschaftlichkeit und der guten technischen Beherrschung bezüglich der Belastung und der Fertigung mittelfristig nicht 100 % wegzudenken. Das hängt natürlich von der Weiterentwicklung im Bereich von Naturverbundwerkstoffen ab…“

Grüner Bootsbau fächerübergreifend

Insgesamt waren übrigens am etwa 8000 Stunden dauernden Bootsbau der zukunftsweisenden ecosail-Jolle 25 Studenten beteiligt. Sie kamen aus den Studiengängen Maschinenbau, Mechatronik, Fahrzeugtechnik, Wirtschaftsingenieurwesen und International Management.

Der nächste 1001 VELA Cup findet vom 17. bis 22. September 2020 im Golf von Palermo statt. Hier werden dann neben den Karlsruhern noch zwei weitere deutsche Hochschulen, die Fachhochschule Kiel und Hochschule Ostwestfalen-Lippe, mit eigenen Teams dabei sein.