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Ein glückliches Zusammentreffen von Umständen und Beharrlichkeit. Das kennzeichnet sowohl die Realisierung der Doktorarbeit des 70-jährigen Jan Ploeger als auch das Thema: die geistige Verbindung von Fahrrad und Bahn. Sie zeigt, warum dies ein einzigartiger Erfolg ist, wie er zustande kam und was wir daraus für den Kampf gegen den zunehmenden Autoverkehr lernen können. Ploeger wurde am 18. April vom Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen & Innovationswissenschaften promoviert. „Wir investieren Millionen in technologische Zukunftsträume wie den Hyperloop, nehmen aber den genialen Erfolg des Fahrrads als selbstverständlich hin.“

Als Ingenieur im Fachbereich Bauingenieurwesen und Verkehrsplanung hat Jan Ploeger jahrzehntelang ein Archiv über die Akzeptanz des Fahrrads als niederländisches Verkehrsmittel aufgebaut. In der Zwischenzeit hatte seine Betreuerin Ruth Oldenziel, Professorin für Ingenieurgeschichte, schon seit einiger Zeit nach geeigneten Doktoranden gesucht, die den Erfolg der Fahrradnutzung in den Niederlanden erforschen sollten. Die beiden lernten sich auf einer Fahrradkonferenz kennen, und die Verbindung war schnell hergestellt.

Schneeball-Effekt

Ein besonderer Teil von Ploegers Archiv ist ein historisches Exemplar der ANWB-Mitgliederzeitschrift Kampioen aus dem Jahr 1929. Jan Ploeger fand es einst auf seinem Dachboden. „Dieses Exemplar gehörte meinen Schwiegereltern. Wir werfen nie etwas weg.“ Der darin enthaltene Artikel mit dem Titel ‘Fahrräder als Eisenbahngepäck abzulehnen ist möglich’ erregte sofort seine Aufmerksamkeit. „Es war eine erste Idee für ein Leihfahrrad, das, was wir heute als OV-Fiets kennen. Das Thema Fahrrad-Zug-Kombination hatte mich schon länger fasziniert, vor allem unter dem Aspekt des sozialen Engagements. Dass es damals offenbar schon in Erwägung gezogen wurde, hat mich noch neugieriger gemacht. Das führte zu einem Schneeballeffekt.“

Systemsprung

„Warum halten wir das Fahrrad eigentlich für ein ‚einfaches‘ Verkehrsmittel, wenn es doch eine fortschrittliche Erfindung mit vielen Vorteilen ist“, dachte Ploeger. „Es ist ein gutes Beispiel für einen Systemsprung. Das Fahrrad ist nicht die Fortsetzung des Karrens, des Transportmittels mit Rädern, das ihm vorausging. Alle Elemente waren erfinderisch: die Kette, die Speichenräder, die Kugellager, der Gummireifen und so weiter.“

„All diese Dinge gab es noch nicht. Es waren verschiedene innovative Elemente, die in großen Abständen zusammenkamen. Und davon hat später das Automobil profitiert. Eine Menge Technologie für das Auto kam direkt vom Fahrrad. In diesem Sinne ist das Fahrrad also tatsächlich Hightech.“

Immerhin promoviert

Ploeger vertiefte sich mehr und mehr in das Thema. Auf diese Weise nahm er ungewollt die Doktorarbeit vorweg, die er als Absolvent der Technischen Universität Delft einmal aufgeschoben hatte. 1994 hatte er auf Drängen seines damaligen Chefs die Einladung zur Promotion abgelehnt.

„Er war ein Befürworter der damaligen Vorgehensweise in Frankreich: erst Wissen und Fähigkeiten auf dem Gebiet aufbauen, dann kann man immer noch zurückgehen“. Aber wie das so ist: Seine Karriere nahm Fahrt auf, und der Doktortitel geriet immer weiter aus dem Blickfeld.

Jan Ploeger erhält seinen Doktortitel von der Promotorin Ruth Oldenziel.

Sammelwut

Unterdessen sammelte er weiter Informationen über sein geliebtes Fahrrad. „Ich bin zum Beispiel seit fünfzig Jahren Mitglied im Fietsersbond und habe alle Zeitschriften aufbewahrt“, sagt er. So entstand ein beeindruckendes analoges Archiv, das für die Dissertation, die er im Ruhestand schrieb, unerlässlich war: Het verstandshuwelijk van fiets en trein: kansrijke ketenmobiliteit seits 1900.

Interessant war das Prinzip der erfolgreichen Verbindung von öffentlichem Verkehr und Radfahren in den Niederlanden. In dieser Hinsicht ist der Erfolg des OV Fiets ein Kunststück, um das uns andere Länder beneiden. „Mit dem Auto fährt man von Tür zu Tür. Wie kann man den gleichen Komfort mit der Kombination von Fahrrad und Zug realisieren? Diese Frage stellen sich Politiker und Wissenschaftler weltweit zunehmend. Sie wollen die Zahl der Autos in städtischen Gebieten reduzieren. Für die Antwort kommt das Fahrradland Niederlande ins Spiel”, erklärt Ploeger.

Graue Literatur

Aber welche Faktoren haben bei der Entwicklung dieses Fahrradlandes eine Rolle gespielt? Ploeger ging der Sache auf den Grund. „Da kam mir mein persönliches Archiv zu Hilfe, auf dem ich gut aufbauen konnte. Denn es stellte sich heraus, dass es eine Menge Informationen gab, die aber meist in grauer Literatur versteckt waren. Ich musste also tief graben. Zunächst führte ich ausführliche Interviews mit wichtigen Personen aus den 1960er- bis 1990er-Jahren, um eine Richtung für die Forschung zu finden. Dann habe ich viel in meinen eigenen Archiven sowie im riesigen NS-Archiv und einigen anderen Archiven gefunden.

All diese Nachforschungen führten zu einer akribischen Beschreibung des Forschungsgegenstands von Ploeger: die Entstehung der informellen Kettenmobilität aus der Sicht der Radfahrer. Insbesondere zeigt sie, wie groß der Einfluss von Radfahrerorganisationen auf die Entwicklung von guten Fahrradabstell- und -verleihmöglichkeiten an niederländischen Bahnhöfen war. „Diese Lobby gibt es in den Niederlanden seit 1900. Radfahrer entdeckten, wie bequem es war, Fahrrad und Bahn zu kombinieren, und wollten dies besser ermöglichen. Dabei haben sie sich an die Gewerkschaften gewandt, zuerst über den ANWB, dann kam der Fietsersbond.“

Abkehr vom Klassenkampf

Seiner Meinung nach hat sich diese Unterstützung in den Niederlanden immer bewährt. „Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war das Fahrradfahren auch in den Nachbarländern, wie zum Beispiel in Deutschland, weit verbreitet. Aber als dort die Autoindustrie aufkam, wurde man schnell als Verlierer bezeichnet, wenn man keinen Mercedes oder Volkswagen besaß. Man nannte das Hosenklammer-Syndrom, was sich auf die Metallklammern bezog, die die Hosenbeine von der Fahrradkette fernhielten. Die gleiche Idee spielte sich in Großbritannien ab: Dort fuhr die Arbeiterklasse mit dem Fahrrad und die Wohlhabenden hatten ein Auto.

Dieser Klassenkampf zwischen Fahrrad und Auto war für die calvinistischen Niederländer eine Verschwendung. „Verhalte dich einfach normal, dann bist du verrückt genug. Dieses Sprichwort ist typisch für die niederländische Mentalität”, stellt Ploeger klar.

Abschreckung

Darüber hinaus distanzierten sich die Niederlande von einem weiteren Trend in anderen Ländern: der Ausweitung der Stadtentwicklung nach amerikanischem Vorbild mit großen Shopping Malls außerhalb der Städte. „Die Bilder von zunehmendem Autoverkehr, langen Staus und riesigen Parkplätzen haben uns Angst gemacht. Niemand in den Niederlanden wollte Städte mit leeren Herzen, die so genannten Donut Cities. Die Radfahrer profitierten also von unserer Raumordnungspolitik, die seit 1958 darauf ausgerichtet ist, die Städte kompakt zu halten und die Wohnbebauung in Bahnhofsnähe zu fördern.“

Dennoch hatten die Niederlande damals im Vergleich zu anderen europäischen Ländern die wenigsten Autos, so Ploeger. „Das hat mich auch überrascht. Wir hatten offenbar die richtige Weitsicht.“ Eine weitere bemerkenswerte Schlussfolgerung, die Ploeger aus seinen Recherchen zieht, ist, dass die Eisenbahngesellschaft NS relativ spät in die erfolgreiche Verbindung von Fahrrad und Bahn einstieg.

„Erst in den späten 1960er Jahren, als sie unter Verlusten litten, entdeckten sie die Vorlieben der Reisenden. Davor hatte man sich nie wirklich damit befasst, weil es keinen Bedarf gab. Aber als das Auto auch in den Niederlanden zu einem wichtigen Konkurrenten wurde, verlor NS immer mehr Kunden. Daher erhielt das Unternehmen von nun an strukturelle staatliche Unterstützung.“

Mögliche neue Ära

Da der Autoverkehr in den Niederlanden seither ohnehin zunimmt, ist es laut Ploeger umso wichtiger, die Kombination Fahrrad und Bahn zu schätzen. „Wir bauen immer mehr Straßen für die zwei verkehrsreichsten Stunden am Tag während der Rushhour. Vielleicht sollten wir jetzt, im Jahr 2024, zurück ans Reißbrett gehen und mit der Weitsicht von 1958 andere Entscheidungen treffen. Die Schaffung des OV Fiets ist daher nicht nur der Abschluss meiner Dissertation, sondern auch einer langen und schwierigen Geschichte und der Beginn einer möglichen neuen Ära der Kettenmobilität.“

„Ein weiteres schönes Beispiel dafür, wie sich neue Technologien gegenseitig verstärken: Bessere Materialien und Komponenten machen das OV Fiets robuster, digitale Bezahlmöglichkeiten sorgen dafür, dass das Ausleihen des Fahrrads heute drei Sekunden statt zehn Minuten dauert. Das kann man durchaus eine technische Revolution nennen.“

Interaktion mit Studierenden

Eine Revolution, bei der altes und neues Wissen zusammenkommen, wie bei Ploegers Doktorarbeit. „Ich habe den Austausch mit den jungen Studenten an der TU/e sehr genossen. Wir haben uns gegenseitig mit Tipps und guten Ideen geholfen und konnten uns auf diese Weise immer weiterbringen. Der Ruhestand ist überhaupt nicht langweilig”, sagt er abschließend mit einem Lächeln.