AI-generated image of Chinese electric cars in front of Brandenburger Tor Berlin
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Kennen Sie den Police-Song „Wrapped Around Your Finger“? Der kryptische Text endet unter anderem mit folgendem Lyric:

„Devil and the deep blue sea behind me
Vanish in the air you’ll never find me
I will turn your face to alabaster
When you’ll find your servant is your master“
 

Als die Neuigkeiten um die „Kooperationen“ von VW und Audi mit chinesischen OEMs in den Sozialen Medien diskutiert wurden, waren die deutschen und internationalen Brancheninsider und Fans ziemlich erschüttert. Jahrelang hatten sie sich lustig gemacht über die miese Energieeffizienz des Audi „Fat e-tron“ 55, und über das schlechte Preis/Leistungsverhältnis der ID-Serie von VW. 

Zudem wurden die Defizite in der Digitalisierung immer offensichtlicher. Da änderte auch der ständige Austausch der Verantwortlichen und die Umbenennung der Software-Abteilung in CARIAD letztlich nichts. Wichtige neue Projekte wurden deshalb weit in die Zukunft verschoben.

Herbert Diess‘ Leistung

Zwar hatte Ex-VW CEO Dr. Herbert Diess das Fundament für die schnellere Elektrifizierung des Konzerns nach dem unsäglichen Dieselgate gelegt, aber alte und gewachsene Institutionen wie die mächtige Gewerkschaft konnten mit der bisweilen rustikalen Art und Weise des streitbaren CEOs nichts anfangen. Die Entlassung war nur die letzte Konsequenz.

Der VW-Konzern entledigte sich dadurch des einzigen fast kompromisslosen Kämpfers für die elektrische Verkehrswende. 

Zweifel an Oliver Blumes Elektromobilitäts-Perspektive

Der Porsche-CEO Oliver Blume übernahm. Blume ist ein echter Petrolhead, der mit der Elektrifizierung auf VW-Niveau herzlich wenig anfangen kann. Sicher, er hat fast im Alleingang den Porsche Taycan als elektrische Fahrmaschine initiiert, das Auto ist aber nur geeignet für eine winzige Klientel, die das nötige Kleingeld mitbringt. Für den Massenmarkt ist das Over-Engineering zu teuer.

Der VW Konzern macht einen nicht unerheblichen Anteil seiner Geschäfte in China. Die Chinesen standen lange Zeit auf die Qualität der deutschen Marken und Premiummarken. Wohl wissend, dass sie den Vorsprung der Europäer in der Verbrennertechnologie nicht aufholen konnten, kaprizierte sich das Reich der Mitte auf die elektrische Verkehrswende.

China erkannte, dass Elektroautos die Zukunft sind. Damit verbunden eine heftige Digitalisierung des Fahrzeugs und nicht zuletzt der Aufbau einer Batterieindustrie, die inzwischen Weltmarktführer ist. 

Währenddessen ruhten sich die europäischen und deutschen OEMs auf den Lorbeeren ihrer Verbrenner-Industrie aus. VWs Einstieg in die Elektromobilität war zwar für die europäischen Konsumenten aus markentypischen Gründen positiv, im digitalen Avantgard-Land China jedoch muteten die Infotainment-Systeme aus Wolfsburg wie Steinzeit an.

Das Desaster in China

Und dann funktionierte die Skalierung der (bezahlbaren) Elektroplattformen nicht schnell genug. Das Resultat: in China war Wolfsburg und Ingolstadt komplett abgemeldet. 

Lange Zeit weigerte sich das Unternehmen, sich dies einzugestehen, und rechnete damit, dass viele tausend Entwickler das Blatt noch wenden könnten. Aber das Digitale ist ohnehin nicht die Stärke der Deutschen. Es kam wie es kommen musste. Kooperationen wurden anvisiert um den Anschluss zu halten und Defizite zu kompensieren.

Wolfsburg klopfte laut Gerüchten zunächst bei BYD, dann bei Li Auto und NIO an. Schließlich erbarmte sich allerdings nur XPeng. Das chinesische Start-up macht zwar fantastische Elektroautos, die Geschäfte liefen aber auch nicht gerade rosig. Da war der neue Investor hochwillkommen, auch wenn nur knapp 5% Anteile verkauft wurden.

Damit aber nicht genug. Offenbar ist VW auch an einer zusätzlichen Kooperation mit Leapmotor interessiert. Hier könnte man sich beispielsweise für den Leapmotor Pilot und das OS interessieren – warum? Weil das Start-up sowohl Hard- also auch Software als auch die E/E-Architektur (BCM – Body Control Module und ECUs) inhouse produziert.

Audi hingegen bleibt beim bisherigen VW-Partner SAIC um moderne aber günstigere Antriebsplattformen „einzukaufen“. 

Die Chinesen haben clever auf die richtige Strategie gesetzt, und die Entwicklung rund um die Elektromobilität vehement angetrieben. Das zahlt sich nun aus, denn niemand kommt mehr am Reich der Mitte vorbei – übrigens auch Mercedes-Benz nicht. Smart ist seit Jahren ein Joint Venture zwischen Geely und Mercedes. Wobei die Plattform und Digitalisierung von Geely kommt und nur das Design aus Stuttgart. 

Wie ging die Zeile bei Police?

„I will turn your face to alabaster
When you’ll find your servant is your master”

Über diese Kolumne:

In einer wöchentlichen Kolumne, die abwechselnd von Eveline van Zeeland, Eugene Franken, Katleen Gabriels, PG Kroeger, Carina Weijma, Bernd Maier-Leppla, Willemijn Brouwer und Colinda de Beer geschrieben wird, versucht Innovation Origins herauszufinden, wie die Zukunft aussehen wird. Diese Kolumnisten, die manchmal durch Gastblogger ergänzt werden, arbeiten alle auf ihre Weise an Lösungen für die Probleme unserer Zeit. Bitte lesen Sie hier die bisherige Episoden.