Ob Virtuelle Realität oder VR-Anwendungen für den Anwender funktionieren, muss getestet werden. Das erfordert oft aufwendige Labortests. Aber jüngst stellte der Göttinger Informatiker Dr. Patrick Harms ein Programm vor, mit dem sich diese Phase der VR-Entwicklung automatisieren lässt.
Immer breitere Nutzung von Virtueller Realität
Virtuelle Realität wird immer mehr Teil unseres Lebens. Wir bewegen uns in komplexen Spielewelten, erkunden die Tiefen der Ozeane, das antike Griechenland oder den Kölner Dom. Aber VR wird mittlerweile auch in der Angsttherapie, der Chirurgie oder in der Städteplanung eingesetzt. Umso wichtiger ist es, dass Nutzer sich zurechtfinden und mit dem VR-Szenario erfolgreich interagieren können.
Das musste bislang in aufwendigen Testreihen mit Probanden getestet werden. Menschen probieren die VR-Lösung aus. Dann werten Entwickler die Versuche aus und verbessern die Anwendung. Das kann lange Dauern und viel Geld kosten. Der Göttinger Informatiker Dr. Patrick Harms hat ein Programm entwickelt, mit dem sich VR-Szenarios ohne lange Versuchsreihen gründlich testen lassen. Seine Software-Tools erkennen viele Haken und Ösen eines neuen VR-Szenarios.
Testsoftware für VR-Anwendungen
Um MAUSI-VR zu testen, nutzte Harms zwei verschiedene Szenarien. Im ersten VR-Szenario sollte der Benutzer eine Tasse holen und sie unter einer Kaffeemaschine platzieren. Dann sollte er einen Knopf drücken, um die Tasse zu füllen. Im zweiten Szenario musste der Benutzer einen Zettel kopieren. Harms’ Software geht nun in drei Stufen vor. In der ersten Stufe zeichnet das System alle Handlungen der Probanden auf. So erzeugt die Software ausführliche Aktivitätslisten. Im zweiten Schritt sucht das Programm diese Aktivitätslisten nach typischem Nutzerverhalten. Im dritten Schritt bewertet MAUSI-VR mit Blick auf vorher festgelegte Auffälligkeiten. „So ist es unter anderem möglich, festzustellen, wie gut Nutzerinnen und Nutzer einer VR von dieser geleitet werden, und ob sie bei der Bedienung üblicherweise ergonomisch ungünstige Abläufe durchführen müssen“, sagt Harms.
Fehlerquellen in VR-Szenarien
Tatsächlich können Design-Fehler dazu führen, dass Nutzer in einem VR-Szenario Schwierigkeiten bekommen. Ein ganz elementares Problem betrifft die räumliche Orientierung. Wenn sich Nutzer in der VR bewegen, nicht aber in der Realität, kann eine Art umgekehrter Seekrankheit entstehen. „Man sieht, dass man sich bewegt, bewegt sich aber nicht“, beschreibt Harms die Erfahrung. Jedoch hat sich Harms primär mit einem anderen Problem beschäftigt.
Ein VR-Szenario muss die Erwartungshaltungen der Nutzer erfüllen. Sonst finden diese sich nicht zurecht. „Wenn eine VR nicht so konzipiert ist, dass der Nutzer erkennt, was er tun soll, hat er Schwierigkeiten“, so Harms. Das kann ein Login-Button sein, der fehlt oder als solcher nicht erkennbar ist. Nutzer müssen dann den Button suchen und kommen im VR-Szenario nicht weiter. Eine weitere Fehlerquelle sind optische Irritationen sein wie eine perfekt weiße Wand, die es in der Wirklichkeit nicht gibt. Oder Nutzer finden es irritierend, wenn Objekte im Raum schweben und brechen die Interaktion ab.
Nutzen über die VR hinaus
MAUSI-VR zeichnet dieses Verhalten auf und liefert harte Daten darüber, wie Anwender eine VR tatsächlich benutzen. Die Technologie lässt sich nicht nur in der Entwicklung von VR-Szenarien einsetzen. Ein weiteres Einsatzfeld wäre die Produktentwicklung oder die Gebäudeplanung. Hier könnte man Produkte im Entwicklungsstadium oder ein Gebäude in der Planung in VR abbilden. Bei den Tests könnten Probanden VR-Brillen nutzen und sich von zu Hause aus einloggen.
MAUSI-VR beruht auf Vorarbeiten, die Harms im Rahmen der Forschergruppe „Softwaretechnik für verteilte Systeme“ um Prof. Dr. Jens Grabowski, Institut für Informatik der Universität Göttingen durchgeführt hat. Die Forschergruppe untersucht die Benutzerfreundlichkeit von Webseiten und Desktop-Software.