Windenergie gilt als eine der Energiequellen der Zukunft. Windkraftwerke erzeugen elektrischen Strom, indem ein großer Propeller einen Generator antreibt. Wegen ihrer klimafreundlichen Ökobilanz entstehen in aller Welt immer größere leistungsfähigere Windkraftanlagen.
Allerdings müssen die Rotorblätter starke Belastungen aushalten, speziell in schwierigen Windverhältnissen. Neben der durch die Rotationsbewegung selbst ausgelösten Fliehkräfte sind das Belastungen durch Biege- und Scherkräfte. Deutsche Forscher haben nun Rotorblätter mit einer Biege- Torsionskupplung an der Blattnabe konstruiert. Im Rahmen des „SmartBlades-2“-Programms testen Wissenschafter vom Fraunhofer-Institut für Energiesysteme (IWES) und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Boulder/Colorado (USA) drei Rotorblätter mit einer derartigen Kupplung. Das Versuchsgelände in Boulder gehört dem US-amerikanischen National Renewable Energy Laboratory (NRL oder Nationales Labor für Erneuerbare Energien) des Energieministeriums. Ausgewählt wurde der Standort wegen seiner Umweltbedingungen. Sie bieten im Winter ein breites Spektrum von niedrigen bis zu böigen und sehr hohen Windgeschwindigkeiten.
“Diese Messkampagne ist die erste Bewährungsprobe für unsere Entwicklungen. Wir sind sehr gespannt, wie sich unsere Rotorblätter in diesem Freifeldtest verhalten werden”, sagt die SmartBlades2-Projektmanagerin Zhuzhell Montano Rejas vom DLR-Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik.
Wie die Smart Blades funktionieren
Üblicherweise steuert man eine Windkraftanlage, indem man die Stellung der Rotorblätter zum Luftstrom, also den Blattwinkel verstellt. Bei einigen Modellen werden auch einfach nur die Blattspitzen verstellt. So können die Bediener die Leistung der Anlage steuern und beispielsweise eine Überbelastung bei zu hohen Windgeschwindigkeiten vermeiden. Wenn ein Propeller Leistung produzieren soll, stehen die Blätter quer zum Luftstrom. Abgeschaltet wird durch die so genannte Segelstellung. Bei der drehen die Bediener das Propellerblatt sozusagen in den Wind, also so, dass eine Kante direkt in die Luftströmung zeigt. Der Propeller hört dann auf, sich zu drehen.
Die Biege-Torsionskupplung sitzt direkt am Propelleransatz. Sie bietet zusätzliche Flexibilität. Durch diese Kupplung können sich die Rotorblätter selbständig an wechselnde Windverhältnisse anpassen. Sie verwinden sich bei höheren Windgeschwindigkeiten und bieten dem Luftstrom auf diese Weise weniger Angriffsfläche. Das senkt die Belastung der Windkraftanlage, während die Lebensdauer der Rotorblätter steigt.
Entworfen haben die drei „Smart Blades“ Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme (IWES). Gebaut wurden sie im DLR-Zentrum für Leichtbauproduktionstechnologie in Stade. Beim Bau wurden zahlreiche Sensoren installiert, um Messdaten sammeln zu können. „Um die Verformungen, Beschleunigungen und Beanspruchungen der Blätter zu erfassen, setzen wir mehrere Messsysteme ein, welche Messungen über die gesamte Blattlänge erlauben. Die Umströmung der Rotorblätter an der Oberfläche wird mit einem aerodynamischen Messsystem erfasst“, berichtet der Leiter der Messkampagne Dr. Christian Kress vom Fraunhofer IWES. Das Fraunhofer-Institut hat die Leitung der Messkampagne. Auch der Testgenerator, den das NREL zur Verfügung stellt, wurde mit Sensoren ausgestattet.
Außerdem tastet ein Lasersensor das Windfeld vor und hinter der Windkraftanlage ab. So können die Wissenschafter verfolgen, wie der Rotor die Luftströmung beeinflusst. Die Messkampagne wird bis Herbst 2019 dauern. Die Verantwortlichen erhoffen sich Erkenntnisse sowohl für die weitere Entwicklung von Rotorblättern mit Biege-Torsionskupplung wie für deren Markteinführung.