Ich weiß, ich weiß. Es wird langsam pathologisch. Die Kolumnen über Deutschland und die dortige wirtschaftliche Entwicklung sowie die „Erfolge“ der Autoindustrie sind wenig erbaulich.
Tatsächlich scheint das gesamte Land wie gelähmt zu sein. Mit dem peinlichen Abschneiden der ehemals erfolgreichen Nation bei den Olympischen Spielen in Paris scheint nun auch der sportliche Nimbus so gut wie verschwunden. Das zehrt immer mehr am Selbstbewusstsein.
Chinageschwindigkeit
Auch der deutsche Autopapst Ferdinand Dudenhöffer hat in seinem jüngsten Interview wieder einmal auf den drohenden Niedergang der Autoindustrie hingewiesen. Der würde vor allem durch die Planungsunsicherheiten weiter beschleunigt. Auslöser sei unter anderem die wieder aufflammende Diskussion um die Revision des EU-Verbrenner-Aus in 2035.
Und seit einiger Zeit glauben pessimistische Brancheninsider sogar, dass der große Wolfsburger VW-Konzern weiter an Boden verlieren werde, und sich zukünftig in eine chinesische und europäische Teilmarke aufsplitten könnte. Womit wir beim Thema wären.
Die chinesischen OEMs arbeiten schnell.
Dass chinesische Autofirmen auf dem Gebiet der Elektromobilität schnell arbeiten, ist ein offenes Geheimnis. Der durchschnittliche Zeitraum zwischen Vorstellung eines neuen Modells und erstem Serienmodell ist dort in der Regel auf unter einem Jahr geschrumpft. Eine Dynamik, die in Deutschland, aber auch anderen Autoländern, völlig unbekannt ist.
Wenn deutsche OEMs eine „Auto-Studie“ vorstellen, sind zwei Punkte schon einmal sicher: das Fahrzeug wird so nie kommen (Beispiel Mercedes) und wenn, dann erst in vielen Jahren und ganz anders – meistens langweiliger. Gerade so passiert mit der Vorstellung des neuen elektrischen Golf GTI, der 2029 (!) auf den Markt kommen soll. Und das Handelsblatt berichtete am vergangenen Montag, dass das VW Projekt Trinity EV, ein günstiger Stromer mit großer Reichweite von ehemals 2026 auf Ende 2032 (!) verschoben werde.
Technologische Weiterentwicklung
Während der VW-Konzern mit der mittlerweile steinalten MEB-Architektur unverändert weiterarbeitet, und vor allem „digitale“ Schwierigkeiten hatte, die neue PPE-Architektur für größere und leistungsfähigere Elektroautos aus der Taufe zu heben, entwickeln chinesische Firmen ihre Stromer kontinuierlich weiter. Ganz so, wie sie es von Tesla „gelernt“ haben.
Besser sein
Dabei ist die Prämisse, dass man besser sein will, als der Wettbewerb, den man aus Bewunderung zunächst kopiert hat.
Blitzschnelle Iterationen
Chinesische OEMs entwickeln ihre Fahrzeuge blitzschnell weiter. Beispiel BYD: hier war der Wettbewerber des Tesla Model 3 vor allem wegen der schlechten Ladeleistungen ins Hintertreffen geraten. Kurzerhand stellte man die e-Plattform 3.0 mit 400-Volt-Technologie auf die „evo“-Variante um, die nun auf 800-Volt-Basis arbeitet. Das Ergebnis: die Ladeleistung von 10-80% verbessert sich nun von bislang 38 auf nur mehr 25 Minuten, und das bei LFP-Batterien.
Autonome Fähigkeiten
Auch bei den autonomen Fähigkeiten tastet man sich kontinuierlich nach vorne. Während in Europa LiDAR nur mit Aufpreis, wenn überhaupt, zu haben ist, sind beinahe alle Neuerscheinungen in der oberen Mittelklasse in China optional mit der Technologie ausrüstbar. Von Hochleistungsrechnern im Auto ganz zu schweigen. Das garantiert für die Zukunft SAE Level 2+ und mehr.
Ständig neue Modelle
Auch die Modelloffensive der Chinesen geht immer schneller. Zwar läuft das nicht immer rund, denn einige chinesische Start-ups gehen auch schnell wieder, wie kürzlich der „Premiumhersteller“ HiPhi, Pleite, aber die Fehlerkultur funktioniert in der Regel.
Die arbeitet nach dem Prinzip Trial & Error und vermeidet jegliche „Schwafeleien“, die vor allem westliche Manager „auszeichnet“. In China haben die Macher das Sagen und nicht die Bedenkenträger.
Neue Technologien
Neue Technologien werden mit offenen Armen empfangen, die kreative Seite beim Autobau zelebriert man mit Designstudios in den Metropolen der Welt und nicht zuletzt in München. Weshalb chinesische Autos hin und wieder tatsächlich gestalterisch besser wirken als die Vorbilder aus Stuttgart, München oder Wolfsburg.
Woran liegt das? Es ist ein Selbstbewusstsein, das sich ständig selbst beflügelt. Chinesische OEMs wollen den Rückstand zum Westen so schnell als möglich wettmachen. Was ihnen in der Elektromobilität bestens zu gelingen scheint.
Auch beim Design geht man neue Wege. Man versucht die Aufregung in die Formensprache der Autos zurückzubringen. Anders lassen sich Autogestaltungen wie der MG Cyberster oder Zeekr 001 kaum erklären.
Was könnte die Deutschen wieder auf Spur bringen? Wie schon oft erwähnt, nur ein Umdenken auf breiter Front. Die Deutschen an sich sind zu träge geworden. Nicht nur Manager und Ingenieure, sondern auch die Bevölkerung, die sich die „Butter buchstäblich vom Brot nehmen lässt“.
Es wird Zeit, in Deutschland mal wieder auf Geschwindigkeit zu kommen. Derzeit ist jede Schnecke schneller.