Nachhaltigkeit beinhaltet die Schonung von Ressourcen aber auch die Wiederverwendung von Vorhandenem – zum Beispiel Abwärme. Denn ob beim Kochen, heiß Duschen oder im Serverpark des Internetproviders: Überall ist sie vorhanden und verschwindet zum Teil ungenutzt in der Umgebung. Eigentlich heizt sie diese sogar ungewollt auf. Ein Schweizer Forschungsteam hatte in dem mehrjährig angelegten Projekt THRIVE – was so viel wie „Thermally driven adsorption heat pumps for substitution of electricity and fossil fuels“ bedeutet ‒, letzten November nachgewiesen, dass Abwärme zum Kühlen genutzt werden kann. Nun geht diese unkonventionelle Idee in die nächste Runde: Unter dem Namen HyCool soll die Abwärme zweier spanischer Fabriken gesammelt und zum industriellen Kühlen derselbigen verwendet werden.
Idee entstand im Rechenzentrum von IBM
Die Idee des Abwärme-Sammelns entstand im Forschungslabor von IBM Rüschlikon. Hier stellten sich die Wissenschaftler vor einigen Jahren die Frage, ob sich mit der gewaltigen Abwärme eines großen Rechenzentrums etwas Sinnvolles anfangen lässt. Sie überlegten zudem, ob die Energie reichen könne, um das Rechenzentrum aktiv zu kühlen. Mit dem Ziel, eine Adsorptionswärmepumpe zu entwickeln, die Abwärme in Kühlleistung verwandelt, holten sich die IBM-Forscher eine Reihe von Schweizer Material- und Systemspezialisten an Bord. Diese kamen von der ETH Zürich, der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR), der Waadtländer Ingenieurhochschule HEIG-VD, dem Paul-Scherrer-Institut (PSI) sowie der Empa. Nach 47 Monaten Arbeit endete das Projekt erfolgreich. Im Rahmen von THRIVE hatten die HSR-Forscher zunächst eine Forschungswärmepumpe mit einer Leistung von 1 kW (Kilowatt) und später den Prototypen einer Adsorptionswärmepumpe mit zehnmal größerer Leistung erstellt.
Adsorptionswärmepumpe nutzt Hitze zur Kühlung
Eine Adsorptionswärmepumpe wandelt Hitze in eine Kühlleistung um. Denn in der Kühlzone der Anlage verdunstet Wasser, was schließlich für eine Kühlung sorgt. Der Wasserdampf wird in der warmen Zone der Anlage von einem Absorbermaterial aufgefangen. Sobald das Absorbermaterial gesättigt ist, wird es durch Hitze von außen getrocknet. Es steht wieder für einen weiteren Kühlzyklus zur Verfügung.
Die von den Forschenden entwickelte Pumpe erbrachte eine Leistung, die ein südeuropäisches Einfamilienhaus im Sommer klimatisieren konnte. Doch man dachte weiter: Adsorptionswärmepumpen können nicht nur einzelne Häuser oder Serverparks kühlen, sie könnten auch die Effizienz von Fernwärmenetzen verbessern. Das zumindest errechneten die Wissenschaftler der HEIG-VD. Würde man sie künftig für die stationäre Wärmeversorgung einsetzen, ergäbe das schweizweit eine Energieersparnis von vier bis neun Prozent. Im Bereich der Industrieabwärme kämen noch weitere drei bis sechs Prozent hinzu.
Zudem gelang es dem Forscherteam rund um Matthias Koebel, Leiter der empa-Forschungsabteilung „Building Energy Materials and Components“, ein neues Absorptionsmaterial zu entwickeln. Dessen Kühlleistung ist mehr als dreimal größer als die des Ausgangsmaterials, das zu Beginn des Projekts genutzt wurde. Nun möchte der Empa-Forscher auf diesem neu entwickelten Material aufbauen.
Wir haben einen porösen Kohlenstoffschwamm entwickelt, der dank seiner Mikroporen extrem viel Wasser aufnehmen kann und sich daher sehr gut für Adsorptionswärmepumpen eignet“
…, erläutert der Wissenschaftler. Das Material wird mittels Pyrolyse aus einem Kunstharz hergestellt. Und er ergänzt:
Mit dieser Methode sind wir in der Lage, das Material auf den gewünschten Einsatzzweck maßzuschneidern.“
Anpassbar an jeden Zweck
Dadurch lassen sich Adsorptionswärmepumpen künftig an verschiedene Aufgaben anpassen. So liefert etwa eine Holz-Pelletheizung höhere Temperaturen als der Abwärmestrom einer Großküche. Um die vorhandene Wärme möglichst effizient in Kühlleistung umzuwandeln, muss das Absorbermaterial der Wärmepumpe spezifisch auf die Wärmequelle und das erwünschte Kälteniveau abgestimmt werden.
Wir definieren das passende Material zuerst anhand von Materialparametern und stellen es dann her“, so Koebel.
Genau diese einzigartige Expertise soll auch in dem neuen EU-Forschungsprojekt „HyCool“ eingesetzt werden. Das Ziel des ebenfalls 3-jährigen Projektes ist, den Kühlbedarf der Produktionsanlagen des Aromaherstellers Givaudan und des spanischen Lebensmittelproduzenten Bo de Debò so weit wie möglich mit Hilfe von Abwärme und Solarenergie zu decken. Dazu wird die neu entwickelte Adsorptionswärmepumpe mit einer herkömmlichen Wärmepumpe kombiniert. Es entsteht also eine sogenannte Hybrid-Wärmepumpe, die zwar zusätzlich Strom verbraucht, dafür aber besonders flexibel ist.
Solarkühlung für spanische Fertiggerichte
Die notwendige Wärme für die Kühlung soll auf dem Dach einer spanischen Fabrik bei Barcelona solar erzeugt werden: Ein 400 Quadratmeter großes Feld von Spiegeln bündelt Sonnenlicht auf ein Rohr. In diesem Rohr wird Wasserdampf erzeugt, der über die Adsorptionswärmepumpe die nötige Kühlleistung erbringt. Auf dem gleichen Weg erhält die Fabrik Prozesswärme von bis zu 180 Grad Celsius und Wärme von bis zu 65 Grad Celsius für die Heißwasserversorgung und die Heizung der Fabrikhallen im Winter.
Gerade in der Industrie gibt es sehr viel ungenutzte Abwärme. Wenn das Projekt mit Erfolg abgeschlossen wird, haben wir einen weiteren Schritt erreicht, um Energieverschwendung zu vermeiden – und zwar indem wir Abwärme nutzen.