Piotr Orlikowski presents his cartesian robot in front of Mateusz Morawiecki, Polish PM
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Nach drei Jahren unter der Herrschaft der rechten Partei Recht und Gerechtigkeit, geht es dem polnischen Innovationsökosystem gut. Sogar besser, als man erwarten könnte. Dies ist der erste von zwei Artikeln über das polnische Innovationsökosystem.

Warschau, 17. November 2018 – Es sollte eine Mustertransaktion sein. Orlen, der staatliche Tankstellenbetreiber und eines der größten Unternehmen in Mitteleuropa, vereinbarte eine Zusammenarbeit mit einem Start-up namens Just Drive. Daraufhin wurde eine App für mobiles Bezahlen bei Orlen’s Tankstellen lanciert. Start-up-Medien in Polen haben die Nachricht über die Partnerschaft weit verbreitet. Innerhalb von 24 Stunden wurde die App von 2.000 Nutzern heruntergeladen. Der Erfolg schien sicher.

Bis vor Kurzem war eine solche Zusammenarbeit zwischen einer großen polnischen Firma und einem Start-up noch undenkbar. In den vergangenen Jahren fanden jedoch dynamische Veränderungen im polnischen Innovationsökosystem statt. Dieser Prozess begann bereits unter der früheren Regierung der Bürgerplattform (PO) und der der Polnischen Volkspartei (PSL). Damals wurden Förderungen an Firmen zur Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten vergeben. Ebenso wie an Gründer zur Gründung von Start-ups sowie an Universitäten zum Aufbau einer hochmodernen FuE-Infrastruktur. Als die rechte Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in 2015 an die Macht kam, verfügte das Land bereits über alle Bestandteile eines Innovationsökosystems. Einige besser entwickelt, einige weniger. Leider hat das System in seiner Gesamtheit nicht richtig funktioniert.

It’s the innovation, stupid!

Die neue Regierung hat das Wort “Innovation” zu einem ihrer Leitsätze gemacht. Die ersten Anfänge waren jedoch eher unglücklich. Es wurde ein interministerieller Rat für Innovationsfähigkeit eingerichtet. Sowohl der Entwicklungsminister als auch der Minister für Wissenschaft und Hochschulwesen wurden stellvertretende Ministerpräsidenten. Nach der Regierungsumbildung 2018 wurde ein eigenes Ministerium für Unternehmertum und Technologie gebildet. Es war jedenfalls das erste Mal in Polens Geschichte, dass die F&I-Politik eine so herausragende Position auf der Agenda der Regierung einnahm.
Trotzdem führten einige Handlungen zu dem Glauben, dass die bestehenden Elemente der Innovationspolitik den revolutionären Impulsen der Regierungspartei, und derer Tendenz zur Zentralisierung der Wirtschaft, zum Opfer fallen würden: Die Regierung stoppte einige Innovationsprogramme. Die Leiter der wichtigsten Agenturen, die FuE-Projekte unterstützen, wurden gewechselt und Politiker begannen, Initiativen zur Schaffung nationaler Innovationen anzukündigen. Beispielsweise Elektromobilität, ein Programm mit dem Ziel, Polen zu einem europäischen Marktführer in der Elektromobilität zu machen. Demnach sollen eine Million Elektroautos auf die Straßen gebracht werden. Zudem ist geplant ein eigenes Elektroauto, das bis 2025 von Grund auf neu entwickelt werden soll zu bauen. Das sind verblüffende Erwartungen. Vor allem wenn man bedenkt, dass Polen heute zu den Ländern mit der geringsten Anzahl von Elektroautos und Ladestationen in der EU gehört.

Evolution statt Revolution

Nach drei Jahren PiS-Regelung hat sich jedoch gezeigt, dass die polnische Innovationspolitik trotz dieser frechen Ankündigungen keine Revolution erlebt hat. Im Gegenteil, sie hat sich weiterentwickelt wie bisher.
“Viele positive Elemente der Innovationspolitik der vorherigen Regierung werden nun fortgesetzt. FuE-Projekte werden weiterhin mit Zuschüssen und Finanzinstrumenten unterstützt. Die Unterstützung für Start-ups wurde intensiviert. Regierungsstellen, die für die Unterstützung von Forschungs- und Innovationsprojekten zuständig sind, verwenden nach wie vor objektive Kriterien und Standards, die in den vorherigen Jahren entstanden sind,” sagt Krzysztof Klincewicz, Professor an der Universität Warschau und Experte der Europäischen Kommission.
Darüber hinaus hat sich die Schaffung eines Innovationsökosystems beschleunigt. Denn die PiS-Regierung hat angefangen, es zu verbessern.
“Es ist äußerst wichtig, einen angemessenen Rahmen für Innovationen zu schaffen, indem Bestimmungen zur Unterstützung von Innovationen umgesetzt werden, und Hindernisse für Innovatoren beseitigt werden”, sagt die Pressestelle des Ministeriums für Unternehmertum und Technologie über die Prioritäten Polens.
Steuerliche Anreize wurden zuerst angegangen. Die im letzten Jahr der PO-PSL-Regierung eingeführte Steuererleichterung für FuE war sehr bescheiden. Nur 528 Unternehmen nahmen sie in Anspruch. Die PiS-Regierung hat sie zweimal deutlich erhöht. Heute dürfen alle Unternehmer die FuE-Arbeiten leisten, einen doppelten Abzug der FuE-Ausgaben von der Steuerbemessungsgrundlage vornehmen. Auch der Katalog der abzugsfähigen Kosten ist umfangreich. Das Ergebnis? Die Zahl der Unternehmen, die diese Anreize nutzen, hat sich verdoppelt, und es scheint, dass sie in diesem Jahr noch weiter steigen wird.
Außerdem haben die Arbeiten an der Innovation Box angefangen.
“Es besteht aus einer günstigeren steuerlichen Behandlung der Einnahmen aus der Vermarktung von geistigem Eigentum , die das Ergebnis von FuE-Arbeiten des Steuerzahlers ist,” erklärt die Pressestelle.
Über die genauen Vorschriften wird derzeit noch beraten. Anfang 2019 sollen sie in Kraft treten.

Unterstützung für Unternehmen

Eine weitere Schwachstelle des polnischen Innovationssystems ist die mangelnde Zusammenarbeit zwischen Industrie und Wissenschaft. Unter der Regierung von PO-PSL wurden mehrere Schritte unternommen, um die Zusammenarbeit zu verbessern. Darunter waren Innovationsgutscheine, Zuschüsse für FuE-Projekte, die von wissenschaftlich-industriellen Konsortien durchgeführt wurden, oder von der Wirtschaft vorgeschlagene FuE-Förderprogramme. Infolgedessen wurde der größte Teil des NCBR-Budgets (die wichtigste FuE-Finanzierungsagentur in Polen) an Konsortien verteilt.
Die PiS-Regierung hat ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Unterstützung individueller Unternehmen gerichtet. Die alten Mittel wurden begrenzt und um neue erweitert. So wurde beispielsweise das Programm “Top 100 Innovatoren der Ökonomie” gestartet, was es den FuE-Mitarbeitern der Unternehmen ermöglicht, ausländische Forschungsinstitute und Unternehmen zu besuchen, um ihre FuE-Managementfähigkeiten zu verbessern. Das Programm für Promotionen im Bereich Industrie wurde eingeführt, was Unternehmen ermöglicht, einen Doktoranden einzustellen. Der Kandidat kann dann Promotionsprojekte im Unternehmen durchführen. Es ist eine Neuheit in Polen, da Doktorarbeiten bisher nur im akademischen Rahmen erstellt werden konnten.
Die größte Veränderung ist jedoch die Zusammenarbeit mit Start-ups. Die neuen Fonds wurden zur Kofinanzierung der Risikokapitalfonds oder zur Schaffung von Corporate VC innerhalb der großen Unternehmen gegründet.
“Wir haben festgestellt, dass wir in Polen Innovation brauchen. Sogar die Leute an der Spitze haben begonnen, daran zu glauben. Ich muss gestehen, dass es schwierig war, mit einigen Leuten der vorherigen Regierung über Innovationen zu sprechen. Sie schienen skeptisch, dass die Innovation der Wirtschaft von Belang ist. Ich erwarte, dass wegen der neuen Anreizen ab dem nächtsten Jahr eine große Anzahl F&E-Zentren entstehen. Oder internationale Unternehmen beginnen, ihre F&E- Aufwände nach Polen zu verlagern. Es könnte sich herausstellen das polnische Innovation boomt,” sagt Krzysztof Klincewicz.

(Dies ist der erste von zwei Artikeln über das polnische Innovationsökosystem)

Katarzyna Zachariasz-Podolak ist eine polnische Journalistin und Chefredakteur and Redakteur bei InnovateCEE.