Schon seit vielen Jahren haben wir uns daran gewöhnt, Recyclingpapier zu verwenden und Notizbücher, Servietten oder Toilettenpapier aus diesem Papier zu kaufen. Jetzt leisten Wissenschaftler der Universität Wageningen (WUR) Pionierarbeit bei der Entwicklung einer nachhaltigen Papieralternative: Sie stellen Papier und Pappe aus Gras von Straßenrändern und Naturgebieten her.
Warum dies wichtig ist
Auf dem Weg zur Klimaneutralität müssen neue Alternativen zu herkömmlichen Materialien gefunden werden. Graspapier ist eine davon.
Diese umweltfreundliche Innovation verspricht, die lokale Wirtschaft zu stärken und Wälder zu retten, indem der Bedarf an importiertem Zellstoff reduziert wird. Die Initiative, die Teil des EU-Projekts GO-GRASS ist, soll für Nischenprodukte wie Visitenkarten und Verpackungsmaterial eingeführt werden und auch den Wasser- und Energieverbrauch senken. Die Papierfabrik Schut in den Niederlanden wird bereits im nächsten Jahr mit der Produktion von Papier auf Grasbasis beginnen.
Ein umweltfreundlicherer Produktionsprozess
Der Produktionsprozess für dieses Graspapier umfasst einen einzigartigen Fermenter und eine Kultur von Mikroorganismen, die Gras in Zucker umwandeln. Dieser Zucker wird dann zur Erzeugung von Biogas verwendet, das weiter veredelt wird. Diese Methode setzt einen neuen Standard für die Branche und zeigt, wie Nischenprodukte wie Visitenkarten und Künstlerpapier aus anderen Fasern als Holz hergestellt werden können. Derartige Fortschritte sind nicht nur auf die Niederlande beschränkt. Das EU-Projekt GO-GRASS, zu dem diese Forschungsarbeit gehört, hat eine europaweite Erforschung grasbasierter Lösungen für die ländliche Wirtschaft ausgelöst.
Graspapier auf dem Markt
Graspapier eignet sich aufgrund der technischen Anforderungen noch nicht für alle Verwendungszwecke, beispielsweise für den Druck in Laserdruckern. Seine Einsatzmöglichkeiten als Verpackungsmaterial sind jedoch vielfältig. Der Anstieg der Online-Bestellungen hat die Nachfrage nach Kartonprodukten erhöht, und Graspapier ist eine gute Antwort auf diese Forderung. Die Papierfabrik Schut diversifiziert ihre Faserquellen und verwendet Materialien, die von Kakaoschalen bis zu altem Jeansstoff reichen, um Papier und Karton für eine Vielzahl von Nischenmärkten herzustellen.
Auf der Suche nach nachhaltigeren Verpackungsmöglichkeiten werden Karton und Faltschachteln aus Graspapier zu einem starken Konkurrenten. Diese nachhaltige Alternative gewinnt aufgrund ihrer geringeren Umweltauswirkungen im Vergleich zu herkömmlichem Holzpapier immer mehr an Bedeutung. Es ist nicht nur recycelbar und kompostierbar, sondern benötigt auch deutlich weniger Wasser und Energie für seine Herstellung. Außerdem trägt es seine Umweltfreundlichkeit mit einem unverwechselbaren grünen Farbton zur Schau.
Revolutionierung von Rohstoffen
Die Creapaper GmbH, ein deutsches Unternehmen, hat mit der Verwendung von Grasfasern als Rohstoff für die Papier- und Kartonherstellung einen innovativen Beitrag zu diesem Bereich geleistet. Das Unternehmen verwendet Heu von regionalen landwirtschaftlichen Flächen, das anschließend gereinigt, mechanisch zerkleinert und zu Pellets für die Papierherstellung gepresst wird. Das so entstandene Graspapier kann für eine Vielzahl von Produkten verwendet werden, von Lebensmittelverpackungen bis hin zu Broschüren und Etiketten.
Bei der Herstellung von Graspapier geht es nicht nur um die Schaffung eines alternativen Produkts, sondern auch um die Umgestaltung der Lieferkette. Jede Tonne Graspapier spart im Vergleich zur herkömmlichen Papierherstellung rund 300 kg CO2-Emissionen ein und hat einen deutlich geringeren CO2-Fußabdruck. Das Verfahren von Creapaper ist bemerkenswert wassersparend: Für die Herstellung einer Tonne Graspapier werden nur 2 Liter Wasser verbraucht – ein krasser Gegensatz zu den 6.000 Litern, die für Holzzellstoff benötigt werden.
Ökologische und wirtschaftliche Auswirkungen
Die ökologischen Vorteile von Graspapier liegen auf der Hand, aber die wirtschaftlichen Auswirkungen sind ebenso überzeugend. Zellstoff auf Grasbasis ist bis zu 70 % billiger als Holzzellstoff, und mit neuen industriellen Produktionslinien und mobilen Anlagen könnten die Produktionskosten weiter gesenkt werden. Diese Innovation verspricht, dass die Papierindustrie Grasfasern als dritte Rohstoffressource neben Holzzellstoff und Recyclingpapier einsetzen wird.
Darüber hinaus bieten Grünland und Ausgleichsflächen vielfältige Nahrungsquellen für Bienen und Insekten, die für die biologische Vielfalt unerlässlich sind. Die späte Mahd dieser Flächen sorgt für ein lang anhaltendes Pollen- und Nektarangebot und unterstützt damit diese wichtigen Bestäuber. Graspapier mit eingebetteten Blumensamen bietet den Verbrauchern sogar die einzigartige Möglichkeit, ihre eigenen blühenden Wiesen anzulegen, was einen weiteren Beitrag zum Umweltschutz darstellt.
Ein Blick in die Zukunft
Die Zukunft für Graspapier scheint rosig zu sein. In Dänemark nutzen Forscher Gras zur Gewinnung von Proteinen für die Viehzucht, wodurch die Notwendigkeit der Einfuhr von Soja verringert wird. In Deutschland wird Gras in Biokohle umgewandelt, um Böden mit Kohlenstoff anzureichern. Und in Schweden wird es als Einstreu für Tiere verwendet. All diese Bemühungen unterstreichen den Wandel hin zu nachhaltigeren, kreislauforientierten Geschäftsmodellen in der Papierindustrie.
Der bahnbrechende Prozess von Creapaper und die Unterstützung des GO-GRASS-Projekts durch die EU deuten darauf hin, dass Graspapier schon bald sowohl auf dem B2B- als auch auf dem B2C-Markt zu einem Grundnahrungsmittel werden könnte. Mit einer Reihe von Anwendungen, von Lebensmitteltüten bis hin zu Verpackungen, wächst der Appetit auf Graspapier. Es ist nicht nur ein Schritt in Richtung Nachhaltigkeit, sondern ein Sprung in eine grünere, kostengünstigere Zukunft.