Keime am Bierverschluss gehören jetzt der Vergangenheit an: Denn Forschende des Fraunhofer Instituts IOSB-AST in Ilmenau haben nun ein Verfahren entwickelt, das per UVC-LEDs – also ultravioletten Leuchtdioden ‒ Bakterien zerstört. Das Schöne daran: Das Verfahren ist nicht nur effizient, sondern auch umweltfreundlich.
LEDs im Vergleich zu Quecksilberlampen
Bis jetzt wurden zur Desinfektion Quecksilberlampen genutzt. Doch das schädliche Schwermetall hat einige gravierende Nachteile. Denn sollte beispielsweise ein Lampenkörper brechen, gelangt das Quecksilber in die die Umwelt. Um dies zu verhindern ist ein mechanischer Aufwand in Form von speziellen Lampenaufhängungen sowie ein Splitterschutz in Form eines Hüllrohres nötig – was übrigens nicht ganz unproblematisch ist. LEDs dagegen sind hochstabil. Sie eignen sich von daher insbesondere im mobilen Bereich, also beispielsweise zum Einsatz bei Fahrzeugen, im Outdoorbereich und eben in der Produktion, wo mit Vibrationen und Stößen an Maschinen zu rechnen ist.
Zudem benötigen Quecksilberlampen ein spezielles Hochspannungsvorschaltgerät. LEDs hingegen können mit Niederspannung betrieben werden. Nach dem Einschalten brauchen erstere auch noch Zeit, um aufzuheizen. LEDs nicht, sie erreichen sofort ihre volle Leistung. LEDs sind somit in der Lage, schnell zu desinfizieren, was ein weiterer Vorteil ihrer Anwendung ist. Auch emittieren Quecksilberlampen physikalisch bedingt fix bei einer Wellenlänge von 254nm. Das desinfiziert zwar auch, ist aber wesentlich ineffizienter, als das, was die neuen UVC-LEDs können.
„Konventionelle Quecksilberleuchten senden Licht bei 254 Nanometern aus und liegen damit unterhalb der optimalen Wellenlänge von 265 Nanometern, die Desinfektionsleistung ist nicht optimal”, erklärt Thomas Westerhoff, Wissenschaftler am Fraunhofer IOSB-AST.
Auch haben die Quecksilberlampen eine kurze Lebensdauer und sind aufgrund ihres sperrigen Designs nicht flexibel einsetzbar. Denn Quecksilberlampen sind immer längliche Glasröhren. Im Gegensatz dazu sind LEDs deutlich kleiner als ihre giftigen Konkurrenten. Sie lassen sich so wesentlich näher und auf unterschiedlichste Weise auf einem Array an der zu bestrahlenden Oberfläche anordnen. So kann eine speziell an die Desinfektionsaufgabe angepasste Abstrahlgeometrie erreicht werden.
Einziger Nachteil der LEDs im UVC-Bereich von 280-200 nm ist: Noch sind sie nicht in der Massenproduktion angekommen. Sie sind also relativ teuer. Doch auch das könnte sich bald ändern. Denn laut Westerhoff baut OSRAM Optosemiconductor aktuell in Regensburg eine Produktionslinie für UVC-LEDs auf, die in der zweiten Jahreshälfte in Betrieb gehen soll. Dies dürfte zu einer besseren Verfügbarkeit und auch zu einem drastischen Preisverfall führen.
Keimfreiheit in der Getränkeindustrie
Gemeinsam mit Ihrem Projektpartner PURION GmbH – einem Hersteller für UV-Desinfektionsanlagen für Wasserdesinfektion – möchten die Wissenschaftler des Institutsteils „Angewandte Systemtechnik AST“ nun die schädlichen, quecksilberhaltigen Strahler durch die ungiftigen, ultravioletten Leuchtdioden ersetzen.
Die neue Technologie eignet sich übrigens nicht nur zur Desinfektion von Verschlüssen, sondern u.a. auch von Brauwasser. Denn, um sauberes Wasser für hochwertiges Bier zu garantieren, werden in Brau-Anlagen oftmals UV-Anlagen vorgeschaltet. Beim Durchlaufen des Brauwassers durch Edelstahlrohre, in denen entsprechende UV-Lampen integriert sind, wird es gleichzeitig desinfiziert. So kann das Trinkwasser keimfrei gehalten werden. Gerade UV-Licht im Wellenlängenbereich von 265 Nanometern ‒ eben der, den die neuen Lampen bieten ‒, eignet sich perfekt, um Bakterien, Viren und Keime abzutöten. Denn die Bestrahlung zerstört das Erbgut.
„Wir bevorzugen daher UV-LEDs, die mit einem Maximum von 265 Nanometern emittieren. Besonders interessant sind diese UVC-LEDs, da deren Strahlung die DNA der Erreger deutlich besser zerstört. Die UV-Strahlen erzeugen in den Nukleinsäuren der DNA Resonanzen und brechen die Bindungen der Moleküle auf. Der Zellkern der Mikroorganismen wird so verändert, dass eine Zellteilung unmöglich wird. In der Folge können sich die Erreger nicht mehr vermehren“, so Westerhoff.
Ein weiteres Plus: LEDs sind Punktstrahler. Aufgrund ihrer Abstrahlcharakteristik bieten sie ein breites Spektrum an Gestaltungsmöglichkeiten. Natürlich kann die neue Technologie auch zur Desinfektion von Trinkwasserautomaten, Bierfässern, Flaschen und Dosen sowie selbstverständlich auch von Verschlüssen für andere Getränke als Bier verwendet werden.
Praxistests mit hoher Leistungsausbeute
Westerhoff und sein Team am Fraunhofer IOSB-AST kümmern sich um das Design der LED-Module und beantworten Fragestellungen wie „Wie müssen die Geometrien konstruiert sein“, „wie sieht der optimale Aufbau der Arrays je nach Anwendungsfall aus“, „wie viele LEDs sind erforderlich“, „wie sind Punktstrahler mit unterschiedlichen Wellenlängen auf dem Modul anzuordnen“.
Nach zahlreichen Praxistests sind die Forscherinnen und Forschern in der Lage, die UV-LEDs direkt im Wasser ohne aufwändiges Hüllrohr zu betreiben. Durch den Wegfall von Reflexionen konnten sie somit die Leistungsausbeute der Strahlungsquellen nochmals steigern. Für den Industriepartner PURION GmbH haben die Experten vom Fraunhofer IOSB-AST ein spezielles Modul entwickelt, mit dem sich die Innenseiten von Bierdeckeln im Produktionsprozess vor dem Befüllen der Bierflaschen desinfizieren lassen. Somit ist sichergestellt, dass während des Produktionsprozesses keine Keime in die Flaschen gelangen
„Wir können die Deckel mit einer UV-Leistung von vier Watt von innen bestrahlen. Das ist mit Quecksilberlampen auf so einer kleinen Fläche kaum machbar“, so der Ingenieur.
Forschungen für den Einsatz in der Medizin
Die neue Technologie ist vielseitig einsetzbar. Deshalb bieten die Wissenschaftler des Fraunhofer IOSB-AST auch für den Medizintechnik-Sektor ihre Expertise an. Anwendungsbeispiele liegen hier im Design von LED-basierten UVC-Strahlungsquellen sowie der Simulation und Optimierung von Bestrahlungsfeldern. In medizinischen Geräten könnten UVC-LEDs dank ihrer kleinen Abmessungen und hohen Strahlungsintensität optimal eingesetzt werden. Hier können sie Flüssigkeiten, Oberflächen und schwer zugängliche Bereiche zielgerichtet entkeimen. Endoskope und Ultraschallsonden etwa lassen sich durch geschickte Anordnung trotz komplexer Bestrahlungsgeometrien effizient desinfizieren.
Doch da UVC-Strahlung bei 265nm Wellenlänge extrem DNA-schädigend ist – sie führt unweigerlich zu Schädigungen der Hornhaut des Auges – muss immer sichergestellt sein, dass niemand Blickkontakt zur LED hat. Somit ist ein Sichtschutz immer unerlässlich!
„Wir arbeiten aber bereits an Lösungen zur Desinfektion von Instrumenten, Oberflächen und Räumen in Krankenhäusern mit UVC-LEDs“, erklärt Westerhoff und er verrät noch mehr: „Aktuell läuft bei uns, gemeinsam mit PURION, ein Projekt zur Luftdesinfektion (UVC) und Luftreinigung (UVA+TiO2) in Kühlaggregaten und Klimaanlagen. Hier gibt es aber noch keinen Prototyp.“
Die Technologie wurde übrigens im Rahmen der 2020-Initiative “Advanced UV for Life” des Bundesministeriums für Bildung und Forschung BMBF vorangetrieben.