Ein Forscherteam der Joanneum Research in Österreich hat in Kooperation mit der Universität Osaka einen ultradünnen Sensor entwickelt, mit dem sowohl die Messung verschiedener Vitalparameter als auch Energiegewinnung möglich ist. Zwei Jahre lang wurde an einem kaum spürbaren energiegewinnenden Sensorpflaster geforscht.
Für viele Menschen ist es ein notwendiges Übel – das dreimal tägliche Messen von Blutdruck und Puls. Leider werden die im Hausgebrauch eingesetzten Messgeräte sowohl hinsichtlich Größe, Gewicht als auch Messvorgang meist als unhandlich und unbequem empfunden. Was oft zu einer unbewussten Stresssituation bei den Betroffenen führt und folglich die Blutdruckwerte verfälschen kann – insbesondere bei 24-Stunden-Messungen.
Diese Situation hat ein Forscherteam von Materials, dem Institut für Oberflächentechnologie und Photonik der Joanneum Research, gemeinsam mit Kollegen der Osaka Universität motiviert, ein elektronisches Sensorpflaster für Gesundheitsparameter zu entwickeln, das so hauchdünn ist, dass man es kaum spürt. Barbara Stadlober, Forschungsgruppenleiterin von Materials: „Unsere elektronischen Sensorpflaster könnten in Zukunft als Teil des Screenings auf lebensstilbedingte Krankheiten wie Herz-Kreislauferkrankungen, Stressfaktoren und Schlafapnoe eingesetzt werden.“
Hauchdünne Folie
Gelingen kann das durch ein Sensormaterial mit dem unaussprechlichen Namen Poly(vinylidene difluoride – trifluoroethylene), das auf einer hauchdünnen Folie in Verbindung mit einem nur wenige Gramm schweren Elektronikmodul aufgebracht wird.
Wie das genau funktioniert, erklären die Hauptautoren Andreas Petritz und Esther Karner-Petritz, die zwei Jahre in Osaka am Sekitani-Lab geforscht haben: „Das P(VDF-TrFE)-Sensormaterial wurde zwischen zwei hauchdünnen Elektrodenflächen auf einer nur 1 Millionstel Meter dünnen Trägerfolie aus Parylen aufgebracht. Aufgrund seiner permanenten elektrischen Polarisation besitzt es bereits eine hohe Empfindlichkeit gegenüber mechanischen Bewegungen. Es ist also stark piezoelektrisch. Die entscheidende Erkenntnis war, dass durch die Vermeidung eines dicken Trägersubstrates die Sensitivität um ein Vielfaches gesteigert werden konnte und wir dadurch selbst kleinste Druckänderungen, wie zum Beispiel die Variation des menschlichen Pulsschlags, messen konnten.“
Der Dickeneffekt ließ sich auch in den Simulationen von Co-Autor Philipp Schäffner sehr schön nachweisen. Neben der Pulsrate kann das Sensorpflaster auch Aussagen über die Elastizität der menschlichen Blutgefäße machen und über die Pulswellengeschwindigkeit den Blutdruck messen. Besonders wichtig: Die Messdaten können mit dem Elektronikmodul zum Beispiel an ein Smartphone drahtlos übertragen werden.
Insgesamt ist das Pflaster nicht mehr als 0,0025 mm dick. Somit schmiegt es sich völlig konform an die Haut an, es ist sozusagen ultraflexibel – der Sensor ist damit der weltweit erste, ultraflexible piezoelektrische Sensor.
Energieautark
Besonders faszinierend ist, dass das Sensorpflaster auch für die Gewinnung von elektrischer Energie aus biomechanischen Bewegungen genutzt werden kann. Um die Energie aber effizient aus antagonistischen Gelenksbewegungen wie Beugung-Streckung des Kniegelenks abführen zu können, müssen die gewonnenen Ströme erst gleichgerichtet werden. Dazu haben die Forscher auch Schaltungen aus hauchdünnen organischen Gleichrichterdioden entwickelt und auf die dünne Trägerfolie gebracht, auch das gab es bisher noch nicht. Schließlich wurde die Folie für die Zwischenspeicherung der Energie noch mit einer hauchdünnen Kondensatorstruktur versehen.
Barbara Stadlober erklärt: „Je nach Aktivität des Anwenders könnten rund 200 mJ an Energie pro Tag geerntet werden. Dies würde für eine dreimal tägliche Blutdruckmessung ausreichen, vorausgesetzt, es findet sich ein leichtes, sehr verbrauchsarmes Elektronikmodul für kabellose Datenübertragung. Diese sind derzeit aber leider noch recht rar gesät. Dann steht unserem Traum von einem kabellosen, komplett energieautarken Gesundheitspflaster mit hohem Tragekomfort nichts mehr im Weg.“
Diese Forschungsarbeit wurde im Journal „Nature Communications“ veröffentlicht.
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