Es wäre eine Sensation, wenn es tatsächlich gelingen würde, Blutgefäße künstlich per 4D-Druck herzustellen. Denn ob Bypass oder Organspende: Die Blutgefäße aus dem Drucker könnten einige überlebenswichtige Funktionen übernehmen. Das Ziel des Druckens von Biomaterial in der vierten Dimension ist es, noch zusätzlich mit der Zeit zu arbeiten. Wissenschaftler beschreiben diesen Vorgang wie folgt:
Der vierdimensionale (4D) Biodruck ist eine neu entwickelte Technologie, die auf dem 3D-Biodruck basiert. Er integriert aber auch stimulierungsempfindliche Biomaterialien und stellt aktive Konstrukte her, die ihre Formen bei Stimulation ändern können, um die vorgeschriebene Funktionalität zu erreichen.“
Selbstorganisation von Molekülen
Bayreuther Wissenschaftler unter der Leitung des Chemikers und Materialwissenschaftlers Prof. Dr. Leonid Ionov wollen damit bewirken, dass sich die genutzten Polymer-Moleküle im Raum selbst organisieren – und zwar, ohne dabei undicht zu werden. Für Ihre Arbeiten nutzen die Wissenschaftler sogenannte Formgedächtnispolymere, die es auch aus einem biokompatiblen und bioabbaubaren Material gibt. Für den 4D-Druck werden die Polymere zunächst geschmolzen und dann im flüssigen Zustand – hier sind sie mit einer Tinte vergleichbar – gedruckt.
So erhoffen sich die Bayreuther, die gewünschte Qualität zu erhalten.
Mit unseren Verfahren sollten wir in der Lage sein, sehr kleine Gefäße und Gefäßnetzwerke zu drucken“, heißt es aus der Uni.
Denn charakteristisch für Blutgefäße sind sogenannte Kreuzungen, bei denen sich zwei Blutgefäße zu einem neuen verbinden. Dazu Ionov:
Trotz der enormen Fortschritte in der Implantationsmedizin gibt es für die Herausforderung, feinste Blutgefäße mit hoher Präzision in den jeweils benötigten Strukturen herzustellen, noch keine befriedigende Lösung.“
Kombination von Polymerwissenschaften und 4D-Druck
Um ihr Ziel zu erreichen, kombinieren die Forschenden bei Ihrem Projekt zwei wissenschaftliche Ansätze. So forschen die die Polymerwissenschaften darüber, dass Moleküle sich unter definierten Bedingungen in neuen räumlichen Strukturen organisieren. Während im Bereich 4D-Druck Polymerschichten gedruckt werden, die so strukturiert sind und miteinander wechselwirken, dass daraus von selbst Gefäßstrukturen entstehen. Eben genau solche, wie sie in der Medizin benötigt werden. Die grundsätzliche Idee des Vorhabens kann mit der japanischen Falttechnik “Origami” verglichen werden. Denn auch hier entstehen allein durch die zeitliche Abfolge von Papierfaltungen die unterschiedlichsten Figuren und Muster.
Forschung in zwei Schritten
Zunächst möchten die Bayreuther ergründen, ob der neue Ansatz zur künstlichen Herstellung feinstrukturierter Blutgefäße prinzipiell in der angestrebten Weise funktioniert. Deshalb geht es zurzeit noch nicht um die Frage, welche polymeren Materialien für Anwendungen im lebenden Organismus optimal geeignet sind. Wenn sich die Forschungsarbeiten als erfolgreich erweisen, stehen die Bayreuther Wissenschaftler vor einer weiteren Herausforderung: polymere Materialien zu finden, die nicht allein die nötigen Potenziale zur Selbstorganisation aufweisen, sondern auch im Organismus keine Abstoßungsreaktionen oder Infektionen hervorrufen.
Als Forschungsziel haben die Wissenschaftler unter anderem vaskularisierte (mit Blutgefäßen versorgte), künstliche Gewebe sowie Organe im Auge. Doch könnte der 4D-Druck auch für nichtmedizinische Bereiche, in denen Materialien mit kanalförmigen Poren mit komplexen Strukturen benötigt werden, von Interesse sein.
Volkswagenstiftung
Das Projekt der Bayreuther ist auf 18 Monate angelegt und wird aus dem Programm „Experiment!“ von der Volkswagenstiftung mit 120.000 Euro gefördert. Diese Förderinitiative hat vor allem unkonventionelle Forschungsideen, Methoden oder Technologien im Blick. Dabei ist allen Beteiligten bewusst, dass die Forschungsarbeit nicht unbedingt von Erfolg gekrönt ist. Davon lässt sich aber niemand abschrecken: Denn oft sind es genau diese außergewöhnlichen Vorgehensweisen, die am Ende bahnbrechende Innovationen hervorbringen.
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