Vor knapp 90 Jahren entdeckte Alexander Fleming vom Londoner St. Marys Hospital eher per Zufall den Wirkstoff Penicillin. Zwar dauerte es noch etwas, bis dessen Bedeutung durch die Wissenschaftler Ernst Chain und Howard Florey erkannt wurde. Doch immerhin erhielten die drei im Jahre 1945 für ihre Arbeit den Nobelpreis. Denn Krebstherapien, Operationen und vieles mehr wäre ohne Antibiotika als bakterientötende Mittel um einiges riskanter.
So langsam fängt das Blatt aber an, sich zu wenden. Laut WHO sterben jährlich an die 700.000 Menschen aufgrund von Antibiotika-Resistenzen. Und es wird gewarnt: Die Zahl könnte sich demnächst verzehnfachen.
Wobei sich der Anteil der Resistenzen in der Welt unterscheidet. Auch innerhalb der EU. So sollen in Süd- und Mitteleuropa – also Spanien, Italien, Griechenland, Ungarn, Rumänien und Polen – mehr als 50 Prozent bestimmter Bakteriengruppen gegen einzelne Antibiotika resistent sein. In Deutschland, den Niederlanden und Skandinavien sind es deutlich unter zehn Prozent.
Das liegt daran, dass es in manchen Ländern Antibiotika fast an jeder Straßenecke zu kaufen gibt. Wenn sie dann noch – abgesehen davon, dass Rückstände aus Fabriken ins Grundwasser gelangen ‒, von skrupellosen Geschäftemachern verdünnt werden und als falsches oder unwirksames Mittel oder mit falscher Dosierung auf den Markt kommen, haben Bakterien beste Chancen, sich an die Medikamente anzupassen und sie nutzlos zu machen. Alternativen wird es dann kaum mehr geben. Denn welcher Pharmakonzern forscht schon freiwillig an einem Medikament, dass nur reduziert und nicht in Massen eingesetzt werden kann?
“One Health – One Hygiene” forscht interdisziplinär
Genau bei diesem Dilemma setzt die von der Universität Bonn und des Universitätsklinikums Bonn neu gegründete Arbeitsgruppe “One Health – One Hygiene” an.
Mit dem Ziel, Mensch, Tier und Umwelt ganzheitlich im Blick zu behalten, kooperieren Wissenschaftler über die Grenzen von Instituten und Fakultäten hinweg, um ihre Kompetenzen zu bündeln. Sie kommen unter anderem aus der Medizin, Mikrobiologie, Chemie und Agrarwirtschaft. Denn Antibiotika werden nicht nur für Menschen und in Krankenhäusern, sondern auch in Tierställen zur Behandlung von Erkrankungen eingesetzt.
„Die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt ist eng miteinander verknüpft. Diese Zusammenhänge bedürfen einer ganzheitlichen Betrachtung“
…, erklärt IHPH-Direktor Prof. Dr. med. Dr. h.c. Martin Exner. Die Wissenschaftskooperation möchte gemeinsam Forschungsprojekte zum Schutze vor antibiotika-resistenten Keimen entwickeln. Anschließend möchte sie anwendungsbezogene Handlungsempfehlungen für den klinischen und landwirtschaftlichen Bereich geben.
Präventionspotenziale sind noch lange nicht ausgeschöpft
Denn bis jetzt weiß keiner so genau, wie es weitergeht, wenn sich antibiotika-resistente Keime durch Abwasser, Gülle und Trinkwasser weiterverbreiten. Die Forschungsgruppe setzt die öffentliche Gesundheit in den Fokus.
„One Health ist unsere gemeinsame Basis, mit der wir alle relevanten Fragestellungen zur Verbreitung von Antibiotika und –resistenten Bakterien in der Umwelt, aber auch bei Menschen und Tieren, die Zusammenhänge und Übertragungswege untersuchen“
…, beschreibt Dr. med. Dr. agr. Ricarda Schmithausen vom Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit (IHPH) des Universitätsklinikums Bonn die Wissenschaftskooperation. Die Wissenschaftlerin hat in der Humanmedizin und in den Agrarwissenschaften zu dieser Thematik promoviert. Deshalb hält sie bei diesem komplexen Forschungsprojekt die Fäden zusammen.
Derzeit wird das One Health-Labor an den beiden Standorten Campus Poppelsdorf und Venusberg in Bonn nach dem neuesten Stand der Technik ausgestattet. Ziel ist es, die Forschungen zu bündeln und interdisziplinäre Kompetenzen zu nutzen, um Menschen, Tiere und Umwelt noch besser vor Antibiotika-resistenten Bakterien zu schützen. Dazu Schmithausen:
„Unsere Präventionspotenziale sind noch lange nicht ausgeschöpft.“
Deshalb kooperieren an der Universität Bonn fakultätsübergreifend die Landwirtschaftliche Fakultät mit dem Institut für Tierwissenschaften (ITW) sowie dem FoodNetCenter (FNC) und die Medizinische Fakultät mit dem Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit und dem Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie (IMMIP) am Universitätsklinikum Bonn. Der „One Health“-Gedanke spielt auch im Rahmen des Master-Studiengangs Global Health Risk Management & Hygiene Policies in Kollaboration mit der Universität der Vereinten Nationen (UNU), dem Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) eine große Rolle.
Nachfolge von Verbundprojekt HyReKA
Die Arbeitsgruppe „One Health“ wurde als Fortsetzung des HyReKA-Verbundprojektes gegründet. HyReKA steht für „Biologische bzw. hygienisch-medizinische Relevanz und Kontrolle Antibiotika-resistenter Krankheitserreger in klinischen, landwirtschaftlichen und kommunalen Abwässern und deren Bedeutung in Rohwässern“. Das Projekt wird seit Jahren vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Hinzu kommen Fördermittel von Partnern aus Wirtschaft und Politik.
Bei HyReKA untersuchten die Forscher mögliche Eintragspfade und Verbreitungswege von Antibiotika-resistenten Bakterien, Antibiotika-Resistenzgenen und Antibiotika-Rückständen an einem Krankenhaus der Maximalversorgung, an Tiermast- und Schlachtbetrieben sowie aus Flugzeugen und Flughäfen. Zudem betrachteten sie deren Weiterverbreitung über Kläranlagen in Gewässer.
Weitere Gelder kommen durch Landesförderungen wie etwa des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MKULNV) zur Untersuchung von 16 Badeseen in Nordrhein-Westfalen. Hier wurden übrigens nur sehr geringe Mengen an Antibiotika und entsprechend resistenten Bakterien gefunden. Die von den Wissenschaftlern entwickelten Untersuchungsmethoden werden auch dem Labor des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) NRW für Untersuchungen zur Verfügung gestellt.
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