Zum ersten Mal konnten die Forscher der KU Leuven, der größten Universität Flanderns, Tests genau in dem Areal des menschlichen Gehirns durchführen, das es ermöglicht, Objekte zu erkennen. Patienten, die sich im Rahmen einer Behandlung einer Hirnoperation unterziehen mussten, erhielten Mikroelektroden. Diese Forschungsmethode ist einzigartig, sagt die KU Leuven. Die Ergebnisse wurden in PLOS Biology veröffentlicht. Eines der Ergebnisse: Menschliche Gehirnzellen reagieren langsamer als Affenzellen.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, das Gehirn zu untersuchen. Wissenschaftler können funktionelle MRT-Aufnahmen von unserem Gehirn machen, um zu sehen, welche Bereiche aktiv werden, wenn wir eine bestimmte Aufgabe erfüllen. Sie betrachten eine große Anzahl von Gehirnzellen – Hunderttausende von Zellen. Leider ist diese Methode sehr langwierig und liefert Informationen, die nicht detailliert genug sind.
Eine zweite Methode beinhaltet die Einführung von Mikroelektroden in das Gehirn von Versuchstieren wie Mäusen, Ratten und Affen. Dieses Verfahren ermöglicht es, Signale mit einer höheren Auflösung (Mikrometer und Millisekunden) bis hin zur Ebene einer einzelnen Gehirnzelle zu registrieren. Wissenschaftler haben bereits viel daraus gelernt, aber das Gehirn dieser Tiere ist natürlich nicht identisch mit dem des Menschen. Die Forschung von Thomas Decramer, Elsie Premereur, Peter Janssen und Tom Theys geht daher einen Schritt weiter: Erstmals konnten sie beim Menschen Mikroelektroden in einen Teil des visuellen Kortex einführen, der für die Erkennung von Objekten zuständig ist.
Visueller Kortex
Für diese Forschung arbeitete das Labor von Professor Janssen mit Professor Tom Theys zusammen, einem Spezialisten für Epilepsie-Chirurgie an der Uniklinik Leuven. Bei Patienten mit schwerer Epilepsie kann es notwendig sein, Elektroden ins Gehirn einzuführen, um zu erkennen, wo die Anfälle beginnen. Es besteht die Hoffnung, dass diese Zone dann entfernt werden kann. Nun wurden zusätzliche Mikroelektroden in den visuellen Kortex eingeführt, um die Epilepsie sowie die normalen Hirnfunktionen mit einer höheren Auflösung abzubilden.
Während der zwei Wochen, die die Patienten nach der Operation im Krankenhaus verbrachten, wurden ihnen Bilder von Objekten gezeigt. Mithilfe der Mikroelektroden konnte dann aufgezeichnet werden, wie die einzelnen Gehirnzellen reagierten. Es ist das erste Mal, dass die Funktion von Gehirnzellen im visuellen Kortex auf einer solchen Detailebene untersucht werden kann.
Nach dem Entfernen der Elektroden wurde ein funktioneller MRT-Scan durchgeführt. Bei diesem Scan zeigte man den Patienten die gleichen Bilder von Objekten. So sahen die Forscher, welche Bereiche des Gehirns aktiv wurden. Diese Daten verglichen sie dann mit den Registrierungen der Mikroelektroden.
Langsamer als der Affe
Die Forschung liefert einige interessante Ergebnisse. “Die Gehirnzellen in diesem Bereich des Gehirns reagieren spezifisch auf bestimmte Bilder von Objekten. Dies wurde aufgrund der Bildgebung mittels MRT-Scan zwar erwartet, konnte aber nie nachgewiesen werden.” sagt Professor Janssen. “Basierend auf früheren Forschungen dachten wir allerdings, dass die untersuchten Gehirnzellen nur reagieren würden, wenn dem Patienten ein Bild eines Objekts an einer bestimmten Stelle des Bildschirms gezeigt würde, zum Beispiel in der Mitte. Nun scheint es, dass diese Zellen auch reagieren, wenn sich das Objekt in anderen Positionen befindet, z.B. mehr links oder rechts.” Auffällig war auch, dass die menschlichen Gehirnzellen mehrere zehn Millisekunden langsamer reagierten als die Zellen eines Affen.
Wichtig für die Hirnforschung war die Erkenntnis, dass sich die Forscher tatsächlich auf die richtigen Gehirnzellen konzentriert hatten: In dem Moment, in dem der Patient ein Bild von einem ganz bestimmten Objekt sah, wurden die untersuchten Zellen aktiv. Bei der Darstellung anderer Objekte geschah dies nicht. Dies bestätigt frühere Tierversuche und bildgebende Studien am Menschen.
Ähnliche Experimente sollten in Zukunft auch andere menschliche Gehirnregionen in gleicher Größenordnung untersuchen können.
Der ganze Artikel in PLOS Biologie