Kein Weihnachten in Spanien ohne El Gordo. Übersetzt heißt das: Der Dicke. Benannt nach dem fetten Preis, das auf das Gewinnerlos ausbezahlt wird. Die traditionelle Lotterie hat seit 1812 unzählige Spanier reich gemacht. Mehr als 75 Prozent der Bevölkerung spielt jedes Jahr mit. In diesem Jahr fiel der größte Teil El Gordo – Nummer 26590 – am Sonntag, den 22. Dezember, auf Spieler der Küstenstadt Salou. Die Glücklichen dort teilen sich 360 Millionen Euro mit je 400.000 Euro unter 900 Losen.
Im Vorfeld der Weihnachtsverlosung steigt immer die Spannung. Die Teilnahme ist schon fast eine moralische Verpflichtung. Man kauft zusammen mit seiner Familie, Freunden, Bekannten aus der Kneipe oder mit den Nachbarn ein Lotterielos. Die Idee ist, dass man gemeinsam reich wird. Wie das Dorf Sodeto, in dem sich die 240 Einwohner im Jahr 2011 rund 140 Millionen Euro teilen durften. Bis auf einen Mann, der kein Ticket gekauft hatte, waren plötzlich alle reich.
Für immer der Verlierer in deiner Nachbarschaft? Das wird mir nicht passieren. Also ging ich am Samstagabend in meinem Viertel, Salamanca, in Madrid, in den Lottoladen. Zusammen mit einer unbekannten Frau aus der Nachbarschaft wählte ich die Nummer 65630. „Wenn wir gewinnen, fliegen wir alle auf die Bahamas”, sagte ich. Sie lachte und nickte zustimmend. Am Sonntagmorgen habe ich zusammen mit Millionen von Spaniern die Auslosung im Teatro Real in Madrid verfolgt. Wie immer singen Kinder die Gewinnerzahlen vor.
Lachende Gesichter
Nach einer Viertelstunde war der Hauptgewinn da. El Gordo war gefallen. Nein. Ich gehörte nicht zu den Glücklichen. Und auch der zweite, dritte, vierte und fünfte Preis gingen an mir vorbei. Deshalb werde ich vorerst weiterhin meine Texte aus Spanien für Innovation Origins schreiben. Noch bevor alle Preise vergeben waren, hatten die Kameras des nationalen Fernsehens eine Gesellschaft von jubelnden Gewinnern aufgespürt. Und natürlich lachende Gesichter von Menschen, die stolz ihr Siegerlos schwenkten.
Die große Frage ist immer: Was werden die Gewinner mit ihrem Geld machen? Dem Klischee zufolge hören die Millionäre auf zu arbeiten, sie machen unsinnige Dinge mit all den Euro, werden betrogen und enden arm und unglücklich in der Gosse. Ein Trost für all die Menschen, die nie etwas gewinnen. Aber läuft das wirklich so? Mehrere Professoren aus Spanien und den USA haben sich zusammengetan und die Auswirkungen der Weihnachtslotterie auf das Unternehmertum untersucht.
Neue Projekte
Die Ergebnisse sind überraschend. Dort, wo in den letzten 25 Jahren die Hauptpreise vergeben wurden, sind viele kleine Unternehmen entstanden. Und in den meisten Fällen sind sie erfolgreicher als der Durchschnitt. Ein Teil der Erklärung liegt darin, dass die neuen Projekte ungezwungenen und ohne enge Grenzen gestartet werden können. Gerade in dem dünn besiedelten Land Spanien ist es normalerweise fast unmöglich, Kreditgeber zu Investitionen zu finden.
Zurück zum 22. Dezember 2006. Die Familie Izquierdo aus dem Dorf Berlanga del Duero springt vor Freude an die Decke, als El Gordo sie plötzlich reich macht. Und dreizehn Jahre später sind sie immer noch glücklich. Sie investierten ihr Geld in ein Hotel und ein Restaurant, genau wie einige ihrer Mitgewinner. Und so blühte Berlanga del Duero aus dem Nichts auf. Jedes Jahr kommen jetzt etwa zweitausend Touristen in das Dorf.
Oh, ja. Später stellte sich heraus, dass ich mit meiner Zahl doch einen Preis gewonnen hatte. Zwanzig Euro. Genug, um am 22. Dezember 2020 wieder bei El Gordo mitzuspielen.
Innovative Lottoannahmestelle
Xavier Gabriel aus der Stadt Sort – was auf Katalanisch Glück heißt – hat geschickt auf den Lotterie-Wahnsinn reagiert. Dank El Gordo hat er die am besten laufende Lottoannahmestelle in Europa. In den letzten Wochen gab es Schlangen vor seiner Tür und auch in seinem Webshop, denn er verkauft 85 Prozent seiner Lottoscheine online. Aufgrund der großen Anzahl verkaufter Lottoscheine ist die Chance, dass ein Gewinnlos von Sort kommt, größer. Und das ist auch mehrmals passiert. So begründete er seinen eigenen Erfolg. Aber dieses Jahr ist El Gordo nicht auf das im katalanische Dorf gefallen. Egal wie innovativ und clever. Glück kann man noch immer nicht kaufen.