Noch Ende Januar war das eine Nachricht, die den meisten Madrilenen befremdlich erschien. Im chinesischen Bezirk Usera gab es einen regelrechten Run auf Mundschutzmasken. Massenweise wurden sie von den chinesischen Einwohnern gekauft. Es hieß, man solle die Masken als Vorsichtsmaßnahme nach dem Ausbruch eines Virus in Wuhan kaufen. Innerhalb weniger Tage war auch die begrenzte Anzahl von Mundschutz in der spanischen Hauptstadt komplett ausverkauft. Und befand sich in den Händen von Chinesen. In Spanien gehörten sie bis vor kurzem noch nicht zu den Produkten, die die Menschen im Alltag kauften. Warum sollten sie auch?
Zehntausende von Zuschauern ohne Mundschutz
Im ersten Monat des Jahres machten sich nicht viele der sechs Millionen Madrilenen Sorgen über dieses Virus. So nahmen sowohl die pharmazeutische Industrie als auch die Verbraucher die Geschichte über die hortenden Chinesen und ihr Virus einfach nur zur Kenntnis. Während sich das Virus, das nun in Covid-19 umbenannt wurde, in rasantem Tempo auf der ganzen Welt ausbreitete, spielten Real Madrid und Atlético Madrid ihre Heimspiele vor Zehntausenden von Zuschauern, die keinen Mundschutz trugen. Mit Ausnahme eines Asiaten. Er wurde mit freundlichem Mitgefühl betrachtet.
Unerschöpflicher Vorrat an Toilettenpapier
Doch bald darauf wurden die Rollen getauscht. Als die spanische Regierung und die Wissenschaftler Mitte März schließlich erkannten, dass es sich nicht um eine einfache Grippe handelte, entstand in ganz Madrid plötzlich eine enorme Nachfrage nach Mundschutzmasken. Zunächst für das medizinische Personal in Dutzenden von Krankenhäusern, die in rasendem Tempo mit Coronapatienten überflutet wurden. Das einfache Volk beunruhigte vorerst noch ein möglicher Mangel an Toilettenpapier. Aber egal, wie viele Rollen gekauft wurden, der Vorrat erwies sich als schlichtweg unerschöpflich. Nach einigen Tagen wurde allen klar, dass diese Hamsterei nutzlos war.
Die Regale für Mundschutz blieben jedoch leer. Jeder Apotheker in der Stadt musste wochenlang “nein” sagen, wenn das Schutzmaterial angefordert wurde. Plastikhandschuhe waren ebenfalls ausverkauft. Nur auf dem Schwarzmarkt wurden Mundschutzmasken zu exorbitanten Preisen verkauft. Während die Behörden im spanischen Fernsehen verkündeten, dass sie für Hunderte von Millionen Euro Material aus China bestellt hatten, gingen viele Krankenschwestern in Krankenhäusern immer noch leer aus. Manchmal zogen sie tatsächlich mit abgeschnittenen Müllsäcken als Schutzkleidung und selbst hergestellten Masken in den Kampf gegen ein lebensbedrohliches Virus. Inzwischen mussten Dutzende von Pflegekräften dafür mit ihrem Leben bezahlen.
Als die bestätigten Infektionen und Todesfälle weiter zunahmen, wurde der Ruf nach Mundschutz in Madrid immer lauter. Im April trafen endlich die lang ersehnten Ladungen aus China ein. Es stellte sich bald heraus, dass die Qualität von Hunderttausenden von Masken so minderwertig war, dass es eigentlich unverantwortlich war, sie dem Gesundheitspersonal auszuhändigen. Mangels Alternativen fanden sie dennoch rasenden Absatz. Die Apotheker konnten endlich etwas an die besorgten Bürger verkaufen. Und so kaufte auch ich in der zweiten Aprilwoche den ersten Mundschutz meines Lebens. Das ausgemusterte Stoffteil hat mich 3 Euro gekostet.
Drei Monate nach dem Ansturm auf den Mundschutz im Bezirk Usera scheint die Stadt Madrid das Virus und die notwendigen Schutzmaterialien endlich in den Griff zu bekommen. In der Madrider U-Bahn – kaum jemand will jetzt wirklich einsteigen – bekommen Reisende seit einer Woche sogar einen kostenlosen Mundschutz. Es ist eine einfache Gesichtsmaske, mit der man nicht sich selbst, aber wenigstens andere vor Ansteckung schützen kann.
Eine, wie ich sie für 3 Euro gekauft hatte. Ich werde sie als Souvenir behalten. Kurz darauf gelang es mir, drei Stücke des professionelleren Typs ‘3M’ für 35,70 Euro zu erwerben. Bis letzten Samstag trafen vier Maschinen aus China in Madrid ein. Mit diesem Material können Berichten zufolge Millionen von “adäquaten” Mundschutzmasken hergestellt werden. Premierminister Pedro Sánchez kündigte unmittelbar nach dem Inkrafttreten einer neuen Alarmstufe einen Festpreis an. Auf diese Weise laufe ich mit meinen zu teuer gekauften Mundschutzmasken immer wieder den Tatsachen hinterher.
Lesen Sie hier weitere Kolumnen von Koen Greven.