In meiner letzten Kolumne berichtete ich über die VW-Krise. Die hat sich inzwischen zu einer echten Autobauerkrise ausgeweitet – dieser Eindruck entsteht jedenfalls, wenn man den immer hysterischeren Headlines in der deutschen Presse folgt. Die sind unglücklicherweise keineswegs übertrieben.
Das Ende ist nah?
Tatsächlich scheint sich die VW-Krise bereits so weiter entwickelt zu haben, dass neben der Schließung von 2-3 ganzen Fabriken auch noch staatliche Beihilfen in der Diskussion sind. Spätestens seit diese „Beihilfen“ diskutiert werden, haben bei mir die Alarmglocken geklingelt. Soll die Allgemeinheit wieder für Management- (und Politik-) Fehler den Kopf hinhalten?
Riesige Barvermögen
Zur Klarstellung: Der VW-Konzern rutscht erst einmal nicht ins Minus. Der Gewinn ist lediglich eingebrochen, vor allem wegen Deutschland.
VW verfügte im Juni 2024 noch über einen Bargeldbestand von rund 75 Mrd. Euro. Um dies in Bezug zu setzen: Das von Tesla in Brandenburg errichtete Werk kostete rund 5,8 Mrd. Euro und kann, wenn es voll ausgelastet ist, 500.000 Elektrofahrzeuge jährlich produzieren.
Noch im Jahr 2018 erklärte VW, dass es bis zum Jahr 2030 mindestens eine elektrische Version von jedem der 300 Konzernmodelle geben solle. Dafür wollte man 34 Mrd. Euro in die Hand nehmen.
Der damalige CEO Herbert Diess war dabei in einer Diskussionsrunde so von sich und VW überzeugt, dass er ankündigte, dass man einen Stromer auf die Räder stellen werde, der „alles können werde wie Tesla, nur besser und für die Hälfte der Kosten“.
Noch 2019 erklärte VW laut „Automobil Produktion“, dass man auf Basis der von SEAT entwickelten „kleinen“ MEB-Plattform (VWs Elektroarchitektur), Elektrofahrzeuge für einen Preis von weniger als 20.000 Euro anbieten wolle. Die Plattform sollte die sogenannte New Small Family mit VW Up, Škoda Citigo und Seat Mii ablösen. Was aus dem neuen A-Segment-Stromer geworden ist? Bislang nichts.
Darüber hinaus plante man die MEB+ Plattform, die ab 2025 die Reichweite und Effizienz der VW-Konzernmodelle erhöhen soll. Diese Weiterentwicklung scheint laut einem Bericht des Manager Magazin abgeblasen worden zu sein. Stattdessen konzentriert man sich auf die teurere aber modernere PPE-Plattform.
Was kostet denn die Entwicklung eines neuen Autos?
Da differieren die Angaben, aber die Entwicklungskosten und der Aufbau der neuen Produktion eines (Verbrenner-)Autos verschlingt etwa 2 Mrd. Euro. Nach Diess Angaben in der Diskussionsrunde 2018 (siehe oben) habe man über 30 Mrd. Euro in die Elektromobilität investiert.
Management-Fehler
Wenn man sich all diese Zahlen betrachtet, scheint eines ziemlich eindeutig: Dass der VW-Konzern in den Seilen hängt, liegt offenbar daran, dass man es versäumt hat, rechtzeitig günstigere bzw. nachgefragte Modelle auf den Markt zu bringen. Das Geld für eine erneute rasche Transformation wäre da – allein das Wort „rasch“ passt nicht mehr in die deutsche Realität. Man ist zu satt und träge geworden. Nun kommt noch die Lähmung hinzu, ausgelöst durch die Schockwellen der abstürzenden Wirtschaft.
Dass eine schnelle Transformation nicht mit einem Oliver Blume als CEO funktionieren kann, scheint dabei kaum zu überraschen. Blume kommt aus dem Luxusfahrzeugsegment (Porsche), wo Geld bislang keine Rolle gespielt hat. Aber auch hier ändert sich die Situation derzeit dramatisch. Mit den chinesischen Aufsteigern wurde deutlich, wie sehr der Konsument mit Marken wie Audi, Porsche und auch VW abgezockt wurde. Solange die Wirtschaft gut lief, kein Thema. Wenn das Geld aber knapp wird im Haushalt, wird es zum Thema. Und genau das ist passiert.
Auch die „Ampel“ hat versagt und ist dabei einen weiteren grandiosen Fehler zu begehen
Dass man im Habeck-Minsterium nicht proaktiv arbeitet, ist inzwischen eine ärgerliche Gewissheit. Das Ministerium funktioniert nur, wenn es darum geht, Energie-Ideologie und -Wende auf Teufel komm’ raus umzusetzen. Der Kosten-Nutzen bleibt zweifelhaft.
Alle anderen Dinge, die nicht funktionieren, versuchte man mit Geld zuzuschütten. Das ging auch so lange gut, wie die Wirtschaft florierte. Nun glaubt man, die „Schuldenbremse“ sei schuld (sic!) am Niedergang der deutschen Wirtschaft. Was nüchtern betrachtet Blödsinn ist, denn die irrlichternde Wirtschaftspolitik der Ampel würgte jeglichen Aufschwung nach Corona nachhaltig ab.
Eine neue Abwrackprämie solls richten?
Um zu retten, was noch zu retten ist, verfällt man auf Lösungsansätze, die schon zu Merkel-Zeiten umstritten waren. So schlägt man allen Ernstes eine Abwrack-Prämie von bis zu 6.000 Euro für Verbrenner vor, um den Absatz von Elektrofahrzeugen zu beschleunigen.
Abgesehen von den ökologischen Implikationen ist diese Prämie das Dümmste, was man in einer solchen Situation machen kann. Planwirtschaftliche Überlegungen haben Deutschland erst in diese prekäre Situation gebracht.
Hier scheint aber das Finanzministerium nicht mitziehen zu wollen.
Bringt uns zum Fazit: Wie wird es weitergehen? Derzeit sieht es nicht gut aus. Wie die Dominosteine fallen beinahe wöchentlich weitere Zuliefererunternehmen der schlechten Autokonjunktur um. Auch der Maschinenbau liegt in den Seilen. Da an jedem Arbeitsplatz bis zu 5-6 weitere hängen, bedeutet das eine sich beschleunigende Entwicklung nach unten.
Jonas Eckhardt (Restrukturierungsexperte bei der Unternehmensberatung Falkensteg) zu BILD in einem Interview am 24.9.: „Bereits nach acht Monaten im Jahr 2024 haben wir die Insolvenzzahlen des gesamten Vorjahres 2023 erreicht. Ich rechne in diesem Jahr mit rund 60 Großinsolvenzen [im Automobilsektor]. Im Vorjahr waren es insgesamt 34 Insolvenzen.“
In diese negative Gemengelage passt auch die neueste Sottise von Prof. Marcel Fratzscher, dem Haus-und-Hof-Wirtschaftswissenschaftler der „Ampel“ und Boss der NGO DIW in Berlin: Man solle, so seine Aussage, die energieintensiven Branchen einfach ziehen lassen …
Vermutlich hat der Mann wohl noch nie Dominosteine fallen sehen …