Manuele Schwesig and Olaf Scholz. Image: Bundesregierung
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Warum wir über dieses Thema schreiben:

Die Energiewende ist für Deutschland wegen seiner großen Industrie eine besonders große Herausforderung. Auf dem Weg zur CO2-Neutralität sieht die Bundesregierung in LNG eine wichtige Zwischenlösung, nachdem die Gasimporte aus Russland weggefallen sind.

Deutschland hat einen weiteren Schritt in Richtung einer russlandfreien Energieinfrastruktur getan. An diesem Wochenende stand dabei das Ostseebad Lubmin im Mittelpunkt. Vor elf Jahren drehten Angela Merkel, Mark Rutte und der russische Präsident Dmitri Medwedew dort ein großes Rad, damit das erste Gas durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 fließen konnte. Es war eine große Feier mit zahlreichen geladenen Gästen aus Politik und Wirtschaft.

Letzten Samstag war alles ein bisschen ruhiger. Aber auch das symbolische Rad fehlte diesmal nicht, und die Politik war mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig gut vertreten.

Man stieß auf die Neptune an, das Schiff, das in den kommenden Monaten und Jahren eine wichtige Rolle bei der Einfuhr von LNG (Flüssigerdgas) spielen wird.

280 Meter lang

Das riesige LNG-Schiff (280 Meter lang) liegt seit einem Monat am Kai des Industriehafens Lubmin, wo bis vor kurzem noch russisches Gas an Land ging.

Das LNG wird aus mehreren Ländern importiert. Die erste Ladung kommt aus Ägypten. Die Neptune ist eine sogenannte FSRU (Floating Storage and Regasification Unit). Der Betreiber ist das private Unternehmen Deutsche ReGas. Das LNG-Gas wird zum größten Teil (80 Prozent) von den französischen Unternehmen TotalEnergies und MET Group geliefert. Darüber hinaus spielt die niederländische Reederei Anthony Vedder eine wichtige Rolle. Das in Rotterdam ansässige Unternehmen wird das LNG mit drei Shuttle-Schiffen zur Neptune bringen.

Ankunft der Neptun in Lubmin.
Ankunft der Neptun in Lubmin. Foto TotalEnergies

Anthony Vedder

Der gesamte Prozess läuft wie folgt ab: Vor der Küste von Lubmin befindet sich eine große schwimmende Speichereinheit, zu der das LNG-Erdgas mit Tankschiffen gebracht wird. Von dieser FSU wird das LNG mit Anthony-Vedder-Shuttle-Booten zur Neptune gebracht. Dieser Zwischenschritt ist notwendig, weil die Ostsee vor Lubmin sehr flach ist.

In der Neptune wird das verflüssigte Erdgas gespeichert und nach einem Erhitzungsprozess in gasförmiges Erdgas umgewandelt. Es kann dann über Pipelines zu den Verbrauchern transportiert werden – genau wie früher das russische Gas.

Für Deutschland ist das tatsächlich ein neues Kapitel. Andere Länder wie die Niederlande, Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland, Polen und die nordischen Länder verfügen schon viel länger über LNG-Terminals. Deutschland hat aus Kostengründen immer davon abgesehen. Doch durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine ist Deutschland gezwungen, nach Alternativen zu suchen.

Deutschlandtempo

Die LNG-Infrastruktur in Lubmin wurde in einer für Deutschland untypischen Geschwindigkeit innerhalb eines dreiviertel Jahres aus dem Boden gestampft. Dasselbe geschah in Wilhelmshaven, wo im Dezember das erste deutsche LNG-Terminal eröffnet wurde. Weitere LNG-Terminals werden in Zukunft in Stade und Brunsbüttel hinzukommen (wo das niederländische Unternehmen Gasunie den Betrieb übernehmen wird).

Normalerweise dauert es in Deutschland viel länger, die notwendigen Genehmigungen für solche Projekte zu erhalten. Scholz sprach deshalb am Samstag triumphierend von einem “neuen Deutschlandtempo”.

Die Neptune in Lubmin.
Die Neptune in Lubmin. Foto Deutsche Umwelthilfe

Umweltverbände

Dieses Tempo ist nicht unumstritten. Umweltorganisationen beklagen sich unter anderem bitter über die Gefahren für die empfindliche Natur vor der Küste bei Lubmin. Für die Neptune zum Beispiel war der Kanal gerade breit genug, um ihn zu passieren. Mehr als ein paar Meter auf beiden Seiten des Schiffes waren nicht vorhanden. Es gibt auch Beschwerden von Anwohnern über Lärm, und nicht zuletzt fragen sich einige, ob es nicht besser gewesen wäre, mehr Geld für den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien bereitzustellen.

Die Politiker nehmen diese Kritik vorerst kaum zur Kenntnis. Das Argument für die LNG-Terminals ist, dass das Gas benötigt wird, um die nächsten Jahre ohne Russland zu überstehen. Nach Angaben der Bundesregierung soll LNG schließlich durch grünen Wasserstoff ersetzt werden, der durch die gleichen Leitungen wie Erdgas fließen kann. Auf diese Weise würde die vorhandene Infrastruktur bestmöglich genutzt.

Lützerath

Die Regierungspartei Die Grünen sieht sich harter Kritik ausgesetzt. Dies ist nicht nur auf die Einfuhr von LNG zurückzuführen. Die Partei steht auch in der Kritik, weil sie das Dorf Lützerath räumen lies, das einem RWE-Braunkohletagebau zum Opfer fällt. Außerdem werden sie die Atomkraftwerke länger laufen lassen. Nach Ansicht der Parteiführung der Grünen ist dies jedoch der beste Kompromiss. Schließlich brauche man Zeit, um auf Solar- und Windenergie umzustellen.

4,5 Kubikmeter

Es wird geplant, über das LNG-Terminal in Lubmin jährlich rund 4,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas zu importieren, hauptsächlich für die ostdeutsche Industrie. Die Kosten des Terminals belaufen sich auf rund 100 Millionen Euro. Im Vergleich dazu gelangten jährlich 60 Milliarden Kubikmeter russisches Gas über Nordstream ins Land.

Das scheint nur ein Tropfen auf den heißen Stein zu sein. Wenn jedoch alle LNG-Pläne der Bundesregierung umgesetzt werden, wird die deutsche LNG-Importkapazität bis Ende dieses Jahres 30 Milliarden Kubikmeter erreichen.