Ein Brasilianer und ein Dominikaner haben am Sonntag das Fußball-Spiel für Real Madrid entschieden – vor einem (potentiellen) Fernsehpublikum von 600 Millionen Zuschauern in 182 Ländern. Von der Tribüne von Santiago Bernabéu aus sahen die Profifußballer des Chinesen Wuhan Zall mit Ehrfurcht das meist beachtete eintägige Ereignis der Welt, während ihre Familien zehntausend Kilometer entfernt vom Coronavirus “gefangen” sind. El Clásico – so heißen auf Spanisch die Fußballspiele zwischen Real Madrid und FC Barcelona – als Schmerzlinderung. Dazu später mehr. Der FC Barcelona war diesmal der Verlierer der größten Fußballparty der Welt. Und mit ihnen trauerten ein paar hundert Millionen Fans auf der ganzen Welt.
Wenn es eine Sportart gibt, die als riesiger Katalysator für innovative Entwicklungen im Fernsehen wirkt, dann ist es Fußball. Der ehemalige Fußballprofi Luis García Sanz fasste diese Entwicklung für das Spiel zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona treffend zusammen. “Ich habe mir kürzlich zusammen mit meinem Sohn alte Aufnahmen aus meiner Karriere angesehen. Sie wurden mit ein paar Kameras gefilmt. Es gab kaum Wiederholungen.” “Wie konntest du nur so Fußball spielen?”, sagte er zu mir. “Und so lange ist das noch nicht her”, so der ehemalige Fussballer des FC Barcelona und einer Reihe anderer Vereine.
Luis García hat die wichtigsten Erinnerungen an das Clásico, das er in Barcelona gespielt hat, im Gedächtnis behalten. Am beeindruckendsten fand er die Fahrt im Bus zum Camp Nou am 6. Dezember 2003. Das Spiel selbst, das der FC Barcelona damals mit 1:2 verlor, würde er am liebsten vergessen. Genauso wie Luis García das Spiel vom Sonntagabend des 1. März am liebsten vergessen würde. Aber das wird einige Zeit dauern.
Bilder von einer 360-Grad-Kamera
Denn buchstäblich die ganze Welt hat jede Sekunde des Clásico mit Hilfe von dreißig Kameras beobachten können. Allein was hinter den Kulissen geschieht, ist an sich schon faszinierend. Nicht nur die Mannschaften der beiden Supermannschaften spüren in diesem Spiel zusätzlichen Druck. Siebenhundert akkreditierte Journalisten sind zum Spiel angemeldet. Jenseits der Linien ist alles computergesteuert. Techniker in einer Kabine unter dem Dach überprüfen die Aufstellung beider Teams am Computer. Die Kameramänner sind auf dem Feld aufgestellt. Im Untergeschoss des Stadions gibt es ein spezielles Team für die Bearbeitung von Bildern einer 360-Grad-Kamera. Als Fernsehkommentator gibt mein niederländischer Kollege Sierd de Vos eine letzte Einschätzung ab. Auch er ist angespannt. Ich kann es in seinem Gesicht sehen. Es darf nichts schief gehen. In den Niederlanden sehen etwa 700.000 Fans den spanischen Spitzenfußballern zu.
Die spanische Liga unternimmt alles, um ihren Erfolg auf dem internationalen Markt weiter auszubauen. Einer der meistgesehenen Clásico’s war der vom Dezember 2017, der speziell für die asiatischen Zuschauer um 13.00 Uhr angepfiffen wurde. Die spanischen Spiele sind in acht Ländern kostenlos auf Facebook zu sehen (darunter Indien). Diese Länder haben 2018 die Rechte für 90 Millionen Euro für drei Jahre gekauft. Dadurch entstand ein neuer und interessanter Markt für Sponsoren.
Millionen von Euro an zusätzlichen Einnahmen
Das Ende des Fußballs als kommerzielles Produkt scheint noch lange nicht in Sicht. Im vergangenen Jahr wurde bei allen Spielen von Real Madrid die so genannte Overlay-Technik verwendet. Mit diesem System können die Anzeigen auf den Tafeln entlang des Spielfeldes an bestimmte Regionen angepasst werden. Den Europäern, den Asiaten und den Lateinamerikanern wurden beispielsweise am Sonntagabend jeweils andere Sponsoren angezeigt. Dies könnte jedes Jahr 30 bis 100 Millionen Euro an zusätzlichen Einnahmen generieren. Schwindelerregende Summen für die vielen Weltbürger, die Real Madrid mit 2:0 gewinnen sahen.
Vor allem für die Spieler und die Fans des Clásico ist es nach wie vor von größter Bedeutung, wer auf dem Platz gewinnt. Der Brasilianer Vinicius jr. erlebte seinen Jugendtraum, als er Real Madrid in Führung brachte. Er tat dies auch für die Manschaft von Wuhan Zall, die seit Monaten im Trainingslager ist und wegen des Coronavirus momentan nicht nach China zurückkehren kann. Auf Einladung der Liga waren sie Zuschauer beim Fussballereignis von Santiago Bernabéu, wo nur zwei Farben unterschieden wurden: das Weiß von Madrid und die Blaugrana des FC Barcelona. Und was mich betrifft, ist das der größte Sieg des Clásico.
Lesen Sie hier die ältere Kolumnen von Koen Greven über spanische Innovationen.