Stellen Sie sich vor, die WYSIWYG-Benutzeroberfläche bei PCs, Windows oder das Smartphone wären in Deutschland erfunden worden … Ich sehe schon, Sie grinsen übers ganze Gesicht. Aber allein durch diese Frage ist bereits der status quo der Digitalisierung in Deutschland bestens beschrieben. Der Deutsche „fremdelt“ mit allem Digitalen.
Das gilt nicht nur für das normale öffentliche Leben, sondern ganz besonders für die deutschen Automobilhersteller. Die stellen zwar immer häufiger auf Industrie 4.0-Technologien um, aber die Autos sind und bleiben, was den Stand der Digitalisierung betrifft, immer noch weitgehend in den Vor-2000ern verhaftet (auch wenn der kommende Luxus-Elektrostromer Mercedes-Benz EQS hier einiges ändern wird).
Das liegt unter anderem daran, dass die deutschen Automobil-CEOs lange Zeit nicht begreifen wollten, dass gerade das „Smartphone auf Rädern“ die Zukunft ist. Mit der Elektromobilitäts-Revolution mehr denn je, denn Batteriepack, Antrieb, Rekuperation, Internet-Konnektivität und Echtzeit-Navigation sind ohne radikale Digitalisierung nicht denkbar.
Potenten Bordcomputer
Wenn uns Tesla eines gelehrt hat, dann die Tatsache, dass allein durch ein cleveres Betriebssystem und einen potenten „Bordcomputer“ alles möglich ist, vorausgesetzt man kann regelmäßige Updates einspielen, ohne eine Werkstatt aufsuchen zu müssen.
Seit Tesla gezeigt hat, dass selbst Bremswege (wie beim Model 3) allein durch clevere Softwareanpassungen Over-the-Air verkürzt werden können, haben auch die deutschen OEMs erkannt, dass es ohne ein Betriebssystem (OS) nicht mehr geht. Bislang setzte man auf eine dezentralisierte Embedded Architecture, die ein globales Update der Fahrzeugelektronik und Peripherie schlicht unmöglich machte.
In einem Webinar der Automobilwoche am 13. April gab dann auch Alexander Hitzinger, CEO Artemis, zu, dass der Übergang zu einem eigenen OS (in diesem Falle dem VW-OS) eine der anspruchsvollsten Aufgaben der nächsten Jahre sein wird. Hitzinger weist darauf hin, dass es damit keinesfalls getan sei. Die digitalen Herausforderungen der Zukunft beinhalten darüber hinaus das autonome Fahren, das eine clevere, wie beherrschbare Softwarearchitektur voraussetzt. Von künstlicher Intelligenz ganz zu schweigen.
Geniale Köpfe
Damit steht Hitzinger keinesfalls allein. Alle deutschen OEMs kämpfen mit dem Nichtvorhandensein eines Betriebssystems und arbeiten fieberhaft daran, das Defizit aufzuholen. Wer sich allerdings in der IT-Industrie auskennt, der weiß, dass „Viel hilft viel“ in diesem Fall nicht zielführend ist. Auch wenn die OEMs sich inzwischen als „Systemintegratoren“ sehen, tausende Entwickler aus dem Silicon Valley, Banglore und Deutschland auf Linie zu bringen, letztlich fehlen die genialen Köpfe. Denn die sind rar und sitzen bei IT-Giganten wie Apple, Microsoft, Google, in China und bei … Tesla.
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In einer wöchentlichen Kolumne, abwechselnd geschrieben von Bert Overlack, Eveline van Zeeland, Eugene Franken, Helen Kardan, Katleen Gabriels, Carina Weijma, Bernd Maier-Leppla und Colinda de Beer versucht Innovation Origins herauszufinden, wie die Zukunft aussehen wird. Diese Kolumnisten, manchmal ergänzt durch Gastblogger, arbeiten alle auf ihre Weise an Lösungen für die Probleme unserer Zeit. Morgen wird es also gut.