Am Dienstag vergangener Woche war ich auf einer Veranstaltung der „BayWa“ in München eingeladen. Die „BayWa“ wurde vor genau 100 Jahren zunächst zur Unterstützung der heimischen (bayerischen) Landwirtschaft gegründet. Inzwischen hat das Unternehmen seine Aktivitäten auf den Bau- und Energiesektor und die Digitalisierung ausgedehnt.
Mit der ersten „Charging Night – The Stage for Mobility Creators” wollte man seine Kompetenz bei “New Mobility“ unter Beweis setzen und hochkarätige Denker und Macher der Energie- und Verkehrswende einem Fachpublikum präsentieren.
Wirklich spannend war allerdings eine Podiumsdiskussion zwischen 5 hochkarätigen Experten zu den Themen eFuels, LNG, Wasserstoff und eMobility. Spannend deshalb, weil hier vier eigentlich völlig unvereinbare Ansätze aufeinanderzutreffen schienen. Das Motto war: „Zusammenspiel der Antriebstechnologien“ vor dem Hintergrund des Schwerlastverkehrs.
Technologieoffenheit
Natürlich fiel das Reizwort Technologieoffenheit mehrmals – das triggerte vor allem die Fans der „reinen Lehre“, der Elektromobilität. Deren Verfechter sind sich ganz sicher, dass Wasserstoff, eFuels und auch LNG im Verkehr der Zukunft eine Sackgasse darstellen. Allenfalls dem Wasserstoff-Lkw der auf der Langstrecke unterwegs ist, gibt man eine Chance. Zudem seien eFuels viel zu wichtig, teuer und rar, als dass man sie für den Massenverkehr einsetzen sollte.
Kosten kaum im Blick
Auffällig an den ziemlich kompromisslosen Diskussionen ist immer, wenn kaum Stellung zu Kosten und Märkten genommen wird. Denn die Märkte entschieden in der Vergangenheit, nicht erzwungene Vorgaben. Deshalb ist und bleibt der Diesel weiterhin das Gebot der Stunde für viele vor allem osteuropäische Spediteure. Die denken nicht mal im Traum daran, auf Elektro geschweige denn Wasserstoff umzusteigen, denn der Weg von Spanien nach Warschau ist lange und mit Elektro schon wegen der fehlenden Infrastruktur nicht machbar. Aber beim Wasserstoff wie auch der Elektrombilität soll sich das – so will es die EU – ändern.
Der LNG-Lobbyist der Diskussion präsentierte natürlich seine Lösung als den Weg aus dem Dilemma und der eFuel-Experte, seines Zeichens Gründer und Präsident des Auto Clubs „Mobil in Deutschland e.V.“ setzte auf eFuels, die die Bestandsflotte auf einen Schlag klimaneutral machen sollen. Ob er wusste von welchen Mengen hierbei die Rede ist, als er sich auf die Porsche Forschungsinstallation in Chile berief? Denn bei den Zahlen versagten sie alle rundherum, bis auf einen, den CEO und Mitbegründer der HYNERGY GmbH, Dr. Tobias Brunner, Ex-BMW Manager.
Der Experte für Wasserstoff präsentierte seine Zahlen mit einer erschreckenden Präzision, hatte die Zahlen der Konkurrenztechnologien und die Inhalte der letzten EU-Beschlüsse bestens parat und verschaffte sich so Respekt bei den Anwesenden, die zum Großteil aus der Elektromobilitäts-Ecke stammten.
Wußten Sie beispielsweise, dass in Bayern bereits die erste moderne Wasserstofftankstelle in Bau ist, die zudem nicht mehr mit dem berühmten Druckproblem zu kämpfen hat, wenn mehrere Lkw hintereinander betankt werden müssen?
Zudem errichtet das Unternehmen einen Großelektrolyseur der mit regenerativen Energien clever arbeitet. Der Clou: der Elektrolyseur arbeitet nur dann, wenn die Energie nicht anderweitig benötigt wird bzw. wie derzeit häufig der Fall, nicht abgeführt werden kann, weil zuviel Solarenergie vorhanden ist. Ob das zielführend ist? Brunner sieht das Musterprojekt vor allem im Zusammenhang mit Ländern im Nahen Osten und anderswo, wo die vielen Sonnenstunden die Herstellung besonders günstig machen.
Apropos günstig: Die saudische Amoco will Wasserstoff in Zukunft extrem billig herstellen. Kunststück: dort kostet die Kilowattstunde gerade mal 1 ct. Mithin würde allein der Energieaufwand für 1 kg Wasserstoff (ca. 33 – 55 kWh) dort so viel kosten, wie für einen deutschen Haushalt die kWh.
Mache ich nun plötzlich Werbung für Wasserstoff?
Mitnichten. Die Energieerzeugung in Industrienationen wie Deutschland steht derzeit mehr als auf der Kippe. Seit dem Ausstieg der Deutschen aus der (lokalen) Atomenergie dämmert es selbst den Ideologen in der „Ampel“, dass der seitdem deutlich angestiegene Bezug von Atomstrom aus Frankreich auf die Dauer wenig zielführend ist. Zudem bezahlt Deutschland bei einem Überangebot von regenerativem Strom anderen Ländern sogar Boni für die Abnahme des Überschusses.
Es sind die Energiepreise, Dummy
Faktisch steht und fällt die vielbeschworene soziale Gerechtigkeit mit günstigen Preisen für SAUBERE Energie. Davon ist Deutschland weiter denn je entfernt, denn die Sonne und der Wind schicken zwar keine Rechnung, aber der Preis will einfach nicht sinken, auch nach dem Abschalten der letzten AKW – im Gegenteil. Gerade wurde wieder ein Anstieg angekündigt.
Die Elektrifizierung steht auf der Kippe
Damit steht die Dekarbonisierung des Landes weiter auf der Kippe. Die Elektromobilität rechnet sich derzeit nur für Eigenheimbesitzer mit PV-Anlage und der Umstieg auf Wärmepumpen & Co wird ebenfalls dadurch eingebremst. Die energieintensive Industrie trägt sich verstärkt mit dem Gedanken, das Land zu verlassen – USA und andere Nationen rollen neuerdings den roten Teppich für Wechselwillige aus. Pikant: eines der letzten Unternehmen, die in Deutschland Solarzellen produzieren, trägt sich deshalb mit dem Gdedanken in die USA auszuwandern. Die einzige Antwort der „Ampel“ sind weitere Subventionen, eine weitere Verzerrung des Marktes.
Technologieoffenheit
Die Betonköpfe der Ökobewegung ächten inzwischen das Wort „Technologieoffenheit“ als Begriff der ewig Gestrigen. Faktisch ist aber nur ein Zusammenspiel aller Möglichkeiten letztlich ein Garant für eine sozial gerechte Zukunft – nicht nur für wohlhabende „gute Menschen“. Die Speicherung von Energie kann man zwar mit Batterien machen, zielführender dürfte aber eine Speicherung durch günstigen Wasserstoff sein, der zudem in vielen Bereichen der Wirtschaft als Allheilmittel für die Dekarbonisierung gesehen wird. Man denke nur an die Stahl- und Aluminiumindustrie.
Dr. Brunner fasste das in einem appellativen Satz sinngemäß zusammen: „Deutschland wurde bekannt als das Land der Ingenieure und Innovatoren, aber seit einiger Zeit wird es immer mehr zum Land der Denkverbote – das darf nicht so weitergehen.“
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Foto: v.l.n.r.: Dr. Tobias Brunner (HYNERGY GmbH), René-Christopher Wollmann (CTO Quantron AG), Matthias Maedge (Generalsekretär NGVA Europe), Wulff Schlachter (DXBe Management), Dr. Michael Haberland (Gründer und Präsident Auto Club Mobil in Deutschland e.V.)