Neulich ging wieder mal ein Raunen durch die Autoindustrie. VWs digitale Ausgliederung „CARIAD“ hat wieder neue Chefs und Protagonisten bekommen, zum wiederholten Male. Der derzeitige VW-Chef Blume sei mit der Performance des Unternehmens unzufrieden gewesen.
Die digitalen Verhinderer
VW und IT im Auto. Das war in den letzten Jahren immer eine prekäre Angelegenheit. Der ID.3, an sich ein recht effizientes Elektroauto, war selbst bei der Auslieferung noch mit einer Software ausgerüstet, die man allenfalls als „Beta“ bezeichnen kann. Hinzu kam die Hardware. Die verbauten Chips der ersten Modelle waren so unterdimensioniert, dass Updates der ersten Generation immer schwieriger werden. Über OTA (Over-the-Air) will man da schon gar nicht mehr reden.
Woran liegt das?
Digitalisierung und Deutschland sind Antipoden. Das merkt man am deutlichsten, wenn man typische administrative Erledigungen machen muss. Die Verwaltungen Deutschlands arbeiten überwiegend noch ganz klassisch und papiergestützt. Zwar kündigt jede neue Regierung an, dass man die „Digitalisierung“ des Landes beschleunigen wolle und schließlich „state-of-the-art“ machen wolle. Die bittere Realität ist aber, dass es in keinem Land Europas noch so viele Faxgeräte im Betrieb gibt und Prozesse, die mit viel Aufwand kleinste Ergebnisse erzielen. Zuletzt machten diese Geräte während der Corona-Pandemie Karriere, denn die Fallzahlen wurden per Fax übermittelt. Und dann entscheiden über die Digitalisierung Menschen, die meistens kaum Ahnung haben. Das ist das größte Problem, neben der Tatsache, dass die Digitalisierung eine Menge Beamte überflüssig machen würde. Honi soit qui mal y pense.
Auch die Entwickler sind nicht besser
Deutsche Top-Entwickler, so es sie überhaupt gibt, gehen ins Ausland. Oft in die USA. Politisch gesehen, sind die verbliebenen IT-Spezialisten Deutschlands sicherlich in der Wokeness-Top-Liga. Sie kämpfen in vorderster Front auf den sozialen Medien. Bei Anwendungen jedoch unterspringen sie regelmäßig den Benchmark. Das dürfte auch der Grund sein, weshalb außergewöhnliche Apps Made in Germany so selten sind. Selbst das Beispiel SAP zieht nicht, denn wer sich als Unternehmen diesem „Software-Riesen“ unterordnet, der muss viel Geduld und Geld mitbringen. Und dann ist da die DSGVO, eine Erfindung eines deutschen Grünen Europapolitikers, die einer schnelleren Entwicklung wegen ihrer Ausprägung ständig im Weg steht – da ist sie wieder, die politische Komponente.
Apropos SAP
Was uns wieder zurück zu CARIAD bringt. Die wollten nämlich neben SAP die größte und erfolgreichste deutsche Softwareschmiede werden. Von diesem Ziel ist man weiter denn je entfernt. Audi und Porsche warten demnach immer noch sehnlichst auf das geplante neue OS, das alle Wettbewerbsnachteile ausräumen soll. Das wurde nun weit nach hinten verschoben. Der Austausch der Führungsriege wirkt dabei aber eher wie ein Austausch des Trainers einer Fußballmannschaft – in dem Fall aber von Trainern, die recht ahnungslos sind.
Woran liegts?
Es hat was mit Kultur und Bildung zu tun. George Friedman schrieb in seinem Buch „The Next 100 Years“: „You can’t have a modern economy without computers and corporations, and if you are going to program computers, you need to know English, the language of computing.“
Das würde zumindest das Thema Bildung beschreiben und relativieren. Aber die kulturelle Komponente (und warum die USA hier immer noch führend sind) dürfte hier weit wichtiger sein. Friedman:
„Nothing exemplifies American Culture more than the computer, and nothing has transformed the world faster and more thoroughly than its advent. The computer, far more than the car or Coca-Cola, represents the unique manifestation of the American concept of reason and reality.“
Möglicherweise war Friedman hier komplett auf der 12 – und das vor der Einführung von autonomem Fahren, KI, ChatGPT & Co. In einem Essay von 2018 auf Medium hatte ich mich schon einmal mit der (deutschen) Problematik befasst – da allerdings noch nicht speziell auf die Autoindustrie bezogen.
Fakt ist, dass die Weiterentwicklung des Automobils, der Elektromobilität direkt vom zukünftigen digitalen Know-how abhängt. Die Avantgarde macht hier das Rennen. Und die findet man offenbar nicht (mehr) in Deutschland, sondern weiterhin in den USA und – das ist die wirkliche Offenbarung – in aufstrebenden Ländern wie China, Indien & Co.