Die letzten Wochen waren wieder einmal sehr spannend. Die Oktober-Zulassungszahlen trudelten ein und gleichzeitig veröffentlichten die OEMs Ihre Quartalszahlen.
Die kurze Version.
Autoabsatz an Verbrennern geht zurück, der Absatz an BEVs (Batteriefahrzeugen) nimmt zu und die Gewinne der OEMs steigen.
Die lange Version.
Ganz so einfach ist die Sache nicht. Aber die Erklärung leuchtet ein. Die Chip- und Nachschubkrise hat die deutsche Automobilindustrie nachhaltig erschüttert – vor allem im Hinblick auf die abgesetzten Stückzahlen.
Audi, BMW, Daimler und VW haben eine ganze Menge weniger Fahrzeuge abgesetzt, was zum Großteil daran lag, dass Halbleiter fehlten, um bereits teilweise gefertigte Fahrzeuge zu komplettieren. Die stehen derzeit entweder auf Halde und warten auf die fehlenden Teile, werden unvollständig an die Kunden ausgeliefert, oder schlicht überhaupt nicht gebaut.
Kurzarbeit (finanziert vom Staat) fängt den Minder-Output auf. Soweit der status quo.
Wer nun als Aktienbesitzer gebibbert hatte, dass seine Papiere wegen der Situation weniger Wert sein würden, wurde eines Besseren belehrt. Die Gewinne sind bei nahezu allen deutschen OEMs weit über dem Vorjahr.
Prof. Dr. Stefan Bratzel vom CAM: „Allein in Deutschland liegt die Pkw-Produktion bis Ende Oktober 2021 um 36 Prozent unter dem Vor-Pandemiejahr 2019. Anderseits können die Hersteller hohe Preise für ihre Neu- und Gebrauchtwagen durchsetzen, was teils zu zweistelligen Renditen führt. Nach Gewinnen wird 2021 als das bislang beste Jahr in die Annalen der Automobilbranche eingehen.“
BMW führt gar laut Berechnungen des CAM (Center of Automotive Management) die EBIT-Marge an und verkündete gerade einen völlig aus der Zeit gefallenen Rekordgewinn.
Das ist kein Wunder, denn man konzentriert sich auf die teuren und luxuriösen Fahrzeuge. Die haben ohnehin eine größere Marge, womit die vermeintlich „schizophrene Situation“ bestens erklärt wurde.
Was sind die weiteren Auswirkungen?
Auch die weiteren Auswirkungen hören sich an, als wären sie aus der Zeit gefallen. Der Gebrauchtwagen-Markt, bislang eines der größten Sorgenkinder, hat extrem angezogen, weil die Neuwagen fehlen. Das ist einesteils gut für die Verkäufer, andernteils schlecht für die Umwelt.
Durch die Verknappung des Angebots gibt es auch Probleme bei den Zuwachsraten für Elektrofahrzeuge. Die benötigen nämlich besonders viele Halbleiter, weil beispielsweise kein Batteriemanagement der Welt ohne ausgefuchste Computerunterstützung läuft, von erweiterten ADAS-Fähigkeiten ganz abgesehen.
Das Angebot für Elektro-Neuwagen verknappt sich deshalb zusehens. Die Wartezeiten werden länger. Durch die auslaufenden Subventionen im nächsten Jahr ergeben sich dadurch weitere Probleme: es ist keinesfalls gesichert, dass der bestellte Wagen auch zum Zeitpunkt der Lieferung die erwarteten Subventionen bekommen wird. Denn: erst bei Übernahme und Zulassung des Fahrzeugs können die beantragt werden.
Mit anderen Worten: der Preisvorteil, bzw. die Preisparität von Verbrenner und Stromer ist in der Zukunft gefährdet, weil die realen Preise wieder in den Fokus rücken. Das könnte dem weiteren Zuwachs der Elektromobilität einen vehementen Dämpfer verpassen.
China ist in den Startlöchern
Und dann wären da noch die chinesischen (Elektro-) Automobilhersteller, die sich für den Angriff auf das Premium-Bollwerk Deutschland und Europa rüsten. Die BYDs, XPENGs, NIOs und ´GEELYs aus dem Reich der Mitte haben nämlich drei Vorteile, die den Deutschen schwer zu schaffen machen:
Die Halbleiter werden in China gefertigt, die Gestehungskosten für die Fahrzeuge sind niedriger, die digitale Kompetenz der chinesischen Hersteller hat die der Deutschen schon lange überholt.
Es könnte sich deshalb erweisen, dass die derzeitigen Gewinne der deutschen OEMs nicht wirklich nachhaltig sind. Schizophrene Zeiten.
Die andere Kolumne von Bernd Maier-Leppla lesen Sie hier.
Zu dieser Rubrik:
In einer wöchentlichen Kolumne, abwechselnd geschrieben von Bert Overlack, Eveline van Zeeland, Eugène Franken, Helen Kardan, Katleen Gabriels, Carina Weijma, Bernd Maier-Leppla und Colinda de Beer versucht Innovation Origins herauszufinden, wie die Zukunft aussehen wird. Diese Kolumnisten, manchmal ergänzt durch Gastblogger, arbeiten alle auf ihre Weise an Lösungen für die Probleme unserer Zeit.