Ende Juni wurde bekannt, dass der VW-Konzern unter CEO Oliver Blume ein Joint Venture mit Rivian eingegangen sei. VW will bis zu 5 Mrd. US-Dollar in das US-Unternehmen und eine gemeinsame Unternehmung investieren, um an der digitalen Kompetenz der Amerikaner teilhaben zu können. Monate zuvor hatte die Marke VW bereits den Schulterschluss mit dem chinesischen Start-up XPeng und die Marke Audi mit SAIC gesucht.
Rivian ist bekanntlich das US Start-up, das mit seinen Trucks und SUVs den amerikanischen Mobilitäts-Traum erfüllen will – nur eben elektrisch. Zudem fertigt man für amazon elektrische Zuliefer-Fahrzeuge.
Das CARIAD-Desaster und kein Ende
Der VW-Konzern ist mit seinem Engagement fürs Digitale im Auto bislang weitgehend glücklos geblieben. Ein einheitliches Betriebssystem wird seit Jahren von der Softwaretochter CARIAD entwickelt, allein die Fortschritte halten sich in Grenzen.
Als der ID.3 debütierte, standen hunderte der Stromer erst einmal auf Halde, weil das Betriebssystem noch buggy war und auf ein „Auslieferungs-Update“ warten musste.
Die CARIAD-Chefs wechselten gefühlt im Dreimonatsrhytmus
Das digitale „Powerhouse“ des Konzerns machte indes kaum Fortschritte. Man verfügt zwar über tausende von Entwicklern, aber die Ergebnisse lassen weiter auf sich warten.
Die Verzögerungen wurde der Marke Porsche unter Oliver Blume schließlich zu viel. Für den elektrischen Macan entwickelte man in Eigenregie, auch Audi musste auf Plan B umsteigen, um den neuen Stromer Q6 e-tron, der wie der Macan auf der neuen PPE-Plattform basiert, verspätet auf den Markt zu bringen.
Software und Deutschland
Das CARIAD-Desaster indes zeigt eindrucksvoll, dass Deutschland bei der Software-Entwicklung äußerst rückständig ist – von Künstlicher Intelligenz-Technologie ganz zu schweigen. Das gilt nicht nur für den Automotive-Bereich. In der Tat überholen selbst Indien und China die Nation der Dichter und Denker regelmäßig.
In Deutschland hält sich hartnäckig die Überzeugung des „Viel hilft Viel“. Will sagen, wenn man genug Entwickler an die Thematik setzt, kommt blitzschnell ein überragendes Software-Ergebnis heraus. Ein phänomenaler Irrtum.
Kann das Rivian-VW-Join-Venture Wolfsburg „retten“?
Hier sind große Zweifel angebracht. Rivian hat zwar eine gute Software-Grundlage, ist aber von den Granden der Branche, wie amazon, Apple, Google, Microsoft & Co weit entfernt. Zudem hat Tesla mit seinem OS, das als eines der ersten weltweit OTA-Updatefähig war, die Pace vorgegeben. Die Poleposition hat die Musk-Company seitdem nicht verlassen, was auch die zunehmende Konkurrenz durch Googles Automotive OS nicht gefährdet wird. Was in den Teslas allein durch Software-Updates verbessert wurde, scheint in deutschen OEM-Chefetagen nur langsam klargeworden zu sein. Freilich war und ist Teslas Software-Erfolg eng mit dem Engineering seiner Fahrzeuge verbunden. OTA-Updates sind nur möglich, wenn das ganze System darauf ausgelegt ist. Da tasten sich deutsche OEMs seit Jahren erst hin.
Wer ist der Junior-Partner?
Rivian hat seit Gründung rund 85.000 Fahrzeuge abgesetzt. Wie bei vielen Start-ups sind die Kassen klamm. VW hingegen ist einer der größten Autohersteller der Welt. Man würde meinen, dass Rivian damit zum Juniorpartner der Wolfsburger werde.
Indes – wenn man sich die Software-Expertise der Deutschen betrachtet, dürfte VW hier ein vivides Interesse haben, dass das CARIAD-Desaster durch die Zusammenarbeit gelindert wird.
Rivian hingegen wird das finanzielle Engagement der Wolfsburger erst einmal die Befähigung verschaffen, seine vor ein paar Monaten präsentierten Neuvorstellungen, die bestens angenommen wurden, schneller auf den Markt zu werfen.
Insofern ist die Zusammenarbeit die Parteien eine Win-Win-Situation. Auch finanziell ist der Deal für VW auf den ersten Blick von Vorteil. Die Software-Tochter CARIAD kostet jährlich Milliarden und fährt permanent gigantische Verluste ein.
Auf den zweiten Blick jedoch könnte sich die Abhängigkeit von einem weiteren Mitbewerber als fatale Entscheidung für die Zukunft erweisen.