Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Nicolas Gruber, Professor für Umweltphysik der ETH-Zürich, war über ein Jahrzehnt (von 2003 bis 2013) in den Weltmeeren zur Erforschung der maritimen CO2-Aufnahme unterwegs. Mitte März 2019 veröffentlichte es nun seine Ergebnisse: Die Ozeane nahmen in der Zeit zwischen 1994 bis 2007 etwa 31 Prozent der menschengemachten Treibhausgase auf. Im ersten Moment mag der Zeitraum den Laien erstaunen: Warum gibt es keine aktuelleren Ergebnisse? Dazu der Leiter der Forschung: „Der Grund warum wir die Senke nur bis 2007 bestimmen können liegt daran, dass wir pro Jahr nur wenige Fahrten machen können, d.h. wir müssen alle Daten auf das mittlere Jahr der Messkampagne zurückführen, und das ist das Jahr 2007.“ Nichtsdestotrotz gibt es zumindest Abschätzungen der maritimen Kohlenstoffsenke auf der Basis von Oberflächendaten bis 2017. Doch um gehaltvolle Informationen zu liefern, werden die Daten von Konzentrationsmessungen im Innern mit einer früheren Studie, die ungefähr zwischen 1985 und 1997 durchgeführt wurde, verglichen.
Kohlenstoffsenke in zwei Schritten
Meere nehmen CO2 übrigens in zwei Schritten auf: Zuerst löst sich das CO2 im Oberflächenwasser. Dann wird es von sogenannten maritimen Umwälzpumpen verteilt. Denn Meeresströmungen und Mischungsprozesse verfrachten das gelöste CO2 von der Oberfläche bis tief in die Ozeanbecken, wo es sich über die Zeit anreichert. Die maritimen Umwälzpumpen sind also die treibende Kraft hinter der Kohlenstoffsenke im Ozean.
Und genau deshalb sind auch die Weltenmeere für den atmosphärischen CO2-Haushalt nicht unbedeutend. Immerhin nahmen sie zwischen 1994 und 2007 rund 31 Prozent, also insgesamt etwa 34 Giga-Tonnen, menschengemachten Kohlenstoff aus der Atmosphäre auf.
Interessant bei diesem Ergebnis ist, dass sich der prozentuale Anteil der CO2-Aufnahme nicht von den vorherigen rund 200 Jahren seit der Industrialisierung unterscheidet. Die absolute Menge aber schon: Denn solange die atmosphärische Konzentration von CO2 ansteigt, entwickelt sich die Senkenleistung der Meere ungefähr proportional dazu. Das heißt also, je höher der CO2-Gehalt in der Luft ist, desto mehr wird er vom Meer absorbiert.
Doch das geht nicht ewig so weiter: Irgendwann wird das Meer gesättigt sein.
Noch scheint dies aber nicht der Fall: „Der globale Ozean hat im untersuchten Zeitraum weiterhin menschengemachtes CO2 aufgenommen, und zwar mit einer Rate, wie sie aufgrund des Anstiegs des atmosphärischen CO2 zu erwarten ist“, so Gruber.
Die neuen datengestützten Befunde unterstützen übrigens verschiedene frühere Schätzungen der maritimen Senkenleistung anhand von Modellen. „Das ist eine wichtige Erkenntnis, die uns nun Gewissheit gibt, dass die unterschiedlichen Ansätze stimmen“, bestätigt Gruber. Die Resultate erlaubten zudem Rückschlüsse auf die CO2-Senkenleistung der Land-Ökosysteme, die generell schwieriger zu erfassen sei.
Regional unterschiedliche Aufnahmerate
Doch während die Resultate insgesamt auf eine anhaltend starke Speicherfunktion der Meere im globalen Kohlenstoffhaushalt hindeuten, stellten die Forschenden erhebliche Unterschiede in der Speicherrate verschiedener Meeresregionen fest. So nahm der Nordatlantik zwischen 1994 und 2007 rund 20 Prozent weniger CO2 auf, als er eigentlich sollte. Gruber erklärt:
„Das liegt wahrscheinlich an der schwächelnden nordatlantischen Umwälzpumpe Ende der 90er Jahre, die ihrerseits durch Klimaschwankungen verursacht wurde.“
Die niedrigere Senkenleistung im Nordatlantik ging derweil mit einer deutlich höheren Aufnahme im Südatlantik einher, so dass sich die gesamtatlantische Zunahme von menschengemachten CO2 insgesamt wie erwartet entwickelte.
Ähnliche Schwankungen dokumentierten die Forschenden auch im Südpolarmeer, im Pazifik und im Indischen Ozean. „Die Ozeansenke reagiert somit keineswegs nur auf die Zunahme des atmosphärischen CO2 – die Sensitivität bezüglich klimatischen Schwankungen zeigt uns, dass hier auch größere Rückkoppelungen mit dem Klimasystem möglich sind“, betont der Umweltwissenschaftler.
Bilanz dank zweier Bestandsaufnahmen
Voraussetzung für diese Forschungsarbeit waren aufwändige Messungen der CO2-Konzentration und anderer chemischer und physikalischer Größen in den verschiedenen Meeren. Dabei wurde nicht nur die Oberfläche, sondern auch der Meeresboden in teils bis zu sechs Kilometer Tiefe untersucht. An diesem international koordinierten Programm waren ab 2003 für mehr als ein Jahrzehnt Wissenschaftler aus sieben Nationen beteiligt. Während dieser Zeit tätigten sie über 50 Forschungsfahrten durch die Weltmeere.
Für die Analyse der Daten verwendeten die Forschenden eine statistische Methode, die Gruber und sein ehemaliger Doktorand Dominic Clement eigens entwickelt hatten. Sie erlaubt es, in der Gesamtkonzentration an gelöstem CO2 den gesuchten menschengemachten Anteil vom natürlichen CO2 zu unterscheiden. Als natürliches CO2 wird der Kohlenstoffanteil bezeichnet, der im Ozeansystem schon zu vorindustriellen Zeiten existierte.
Bereits um die Jahrtausendwende war Gruber an einer ähnlichen Studie beteiligt. Diese schätzte anhand früherer CO2-Messungen in den Meeren deren Aufnahme von menschengemachtem CO2 seit Beginn der Industrialisierung um 1800 bis 1994 auf 118 Giga-Tonnen Kohlenstoff. Diese Analyse bis 1994 wurde nun durch die aktuellen Forschungsergebnisse bis zum Jahr 2007 erweitert. Die beiden Bestandsaufnahmen von 1994 und 2007 machten es erstmals möglich, die Zunahme der ozeanischen Konzentration von menschengemachtem CO2 in dieser Periode zu bestimmen und die Senkenleistung zu überprüfen.
Steigender CO2-Gehalt versauert Meereshabitate
Einen wesentlicher Punkt in Bezug auf die Leistung als ozeanische Kohlenstoffsenke gilt es stets im Auge zu behalten: Das im Meer gelöste CO2 macht das Wasser saurer.
„Unsere Daten zeigen, dass die Versauerung teils bis über 3000 Meter tief ins Innere der Weltmeere reicht“, gibt Gruber zu bedenken.
Das kann schwere Folgen für viele Meereslebewesen haben: So löst sich Kalk im angesäuerten Milieu spontan auf. Das wiederum gefährdet Muscheln oder Korallen, die Schalen oder Skelette aus Kalziumkarbonat bilden. Andererseits kann die veränderte Ozeanchemie physiologische Prozesse wie die Atmung von Fischen beeinträchtigen. „Nicht zuletzt um solche Vorgänge zu verstehen, ist eine genaue Dokumentation des menschlichen Einflusses in den Meeren so wichtig“, ist Gruber überzeugt. Die gesamte Studie ist im Magazin Science (vom 15. März 2019) nachzulesen.
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