Der Absatz von Elektroautos boomt (weltweit zumindest ein bißchen). Im Jahr 2021 hat sich der deutsche Markt in Europa zum absoluten Top-Markt für die batteriebetriebenen Fahrzeuge entwickelt. Mit rund 356.000 Einheiten verkaufte man im letzten Jahr 83 Prozent mehr Stromer als im Jahr 2020.
Auch die deutschen OEMs haben inzwischen mehr Modelle zur Auswahl. Apropos Auswahl. Wer eine Menge Geld zurückgelegt hat und ein SUV möchte, der ist fein heraus. Konservativeren Zeitgenossen, die eigentlich eine Limousine möchten, bleibt nur der Griff zu exorbitant teuren Modellen von Mercedes, Porsche oder Audi.
Zwar hat BMW hat gerade den i4 vorgestellt, der in etwa vergleichbar mit dem Tesla Model 3 ist. Damit enden die Ähnlichkeiten zu den Kaliforniern aber auch schon, der Preis des Münchners ist natürlich premium. Allen deutschen Modellen ist eines gemeinsam: Produkt- und Verarbeitungsqualität sind grandios, die Preise sportlich, die Energie-Effizienz weniger.
Trotz Halbleiter-Krise sind die deutschen OEMs aber (noch) fein raus. Sie hatten sich auf große, teure Fahrzeuge kapriziert, was dazu führte, dass die Gewinne in 2021 nur so sprudelten. Zwar fertigte man weniger Autos, aber die relativ wenigen Fahrzeuge hatten um so größere Gewinnspannen.
Das Ende der kleinen und bezahlbaren Autos
Das spürten vor allem die Käufer von kleineren Autos. Die waren weit schwieriger zu bekommen und wenn, dann natürlich ohne den üblichen Nachlass. Der Gebrauchtmarkt ist leergefegt, die Preise dort haben ebenfalls ungeahnte Höhen erreicht. Inzwischen haben schon erste Hersteller wie Audi erklärt, dass man sich in Zukunft noch mehr auf die Premiumschiene kaprizieren werde. Der Audi A1 und Q2 bekommen bereits keine Nachfolger mehr.
Auch Volkswagen ist seinem Namen untreu geworden. Die elektrischen Fahrzeuge der Wolfsburger rangieren alle in Preisregionen, die vor nicht allzu langer Zeit noch der Oberklasse vorbehalten waren. Ausnahmen, wie der e-UP! bestätigen die Regel.
Fakt ist aber auch, dass der bezahlbare Elektrokleinwagen noch europäischen OEMs wie Stellantis (PAS, FCA und Opel/Vauxhall) oder Renault überlassen wird. Im Januar war der elektrische Fiat 500 in Deutschland der Spitzenreiter bei den Stromerverkäufen.
China profitiert von der Steilvorlage
Chinesische Autohersteller profitieren zunehmend von der „Umorientierung“ der deutschen OEMs. Bereits 2021 war nahezu jedes zweite Elektrofahrzeug in China gefertigt worden, wie aus der jüngsten Studie des Automobilspezialisten JATO Dynamics herauszulesen war.
Kein Wunder, denn Volvo, Polestar und auch BMW, um nur einige zu nennen, lassen einen Großteil ihrer Fahrzeuge im Reich der Mitte fertigen. Teslas Schanghai-Factory ist darüber hinaus für fast die Hälfte aller Fahrzeuge des Herstellers weltweit verantwortlich. Und die Modelle 3 und Y führen ohnehin die weltweiten Elektroauto-Verkäufe in ihrem Segment an.
Vorteile bei der Halbleiterbeschaffung
Natürlich ziehen die chinesischen OEMs auch bei der Halbleiter-Beschaffung die Trumpfkarte. Schließlich befinden sich die meisten Chip-Fabriken dort bzw. in Fernost. Von Batterieherstellern ganz zu schweigen. In Zukunft wird sich das für die deutschen und amerikanischen OEMs noch verschärfen, denn die Einkaufsmacht der Autohersteller ist im Vergleich zu anderen Industrien relativ gering. Jetzt rächt sich die Umsiedelung der Chipindustrie nach Fernost.
2022 wird das Jahr der China-Offensive werden
Die chinesischen Start-ups und OEMs drängen auf den internationalen und den deutschen Markt. Unternehmen wie NIO, XPENG und BYD können dank günstiger Fertigungsvoraussetzungen und Batterie- und Chip-Nachschub die deutschen Hersteller allemal rechts überholen. Illustre Marken wie ZEEKR (Geely) oder MG (SAIC) drängen mit modernen Designs, die in westlichen Studios entstanden sind, auf die europäischen Wachstumsmärkte.
Schon machen Brancheninsider eine Schwäche bei den deutschen OEMs aus. Die Marktanteile der deutschen Hersteller auf dem Gebiet der Elektromobilität sind im Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr bereits gesunken.
Chinesische Unternehmen mit hohen Zuwachsraten
Tatsächlich sind die Zuwachsraten für elektrifizierte Pkw (BEV, HEV und PHEV) bei den chinesischen Herstellern teilweise atemberaubend gewesen. BYD +225Prozent, SAIC +125Prozent, Geely +215Prozent. Im Vergleich dazu nehmen sich die Zuwachsraten von der BMW Group (+66Prozent), Daimler (+53Prozent) und VW Group (+80Prozent) recht verhalten aus.
Den Vogel schossen die kleinen chinesischen Start-ups und OEMs ab: JAC Motors (+609Prozent), Leap Motor (+319Prozent), XPENG (+ 264Prozent).
Die Top-Ten Elektroauto-Verkäufe 2021 waren zudem in US-amerikanischer und chinesischer Hand. Von den rund 1,9 Mio Fahrzeugen in dieser Spitzengruppe entfallen rund 911.000 auf Tesla und 727.000 Einheiten auf chinesische Hersteller. Den Rest teilen sich VW und Renault.
2022 wird kein leichtes Jahr für die deutschen Premiumhersteller werden.
Bild: Opels Kleinwagen e-Rocks kostet noch keine 8000 euro, fährt emissionsfrei und bietet Platz für zwei Personen. (c) Stellantis
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In einer wöchentlichen Kolumne, abwechselnd geschrieben von Bert Overlack, Eveline van Zeeland, Eugène Franken, Helen Kardan, Katleen Gabriels, Carina Weijma, Bernd Maier-Leppla und Colinda de Beer versucht Innovation Origins herauszufinden, wie die Zukunft aussehen wird. Diese Kolumnisten, manchmal ergänzt durch Gastblogger, arbeiten alle auf ihre Weise an Lösungen für die Probleme unserer Zeit. Die andere Kolumne von Bern Maier-Leppla lesen Sie hier.