Willem Bulthuis beendet seinen Vortrag auf der Beyond-Tech-Veranstaltung mit einem Beispiel, das den wahren Kern von Innovation verdeutlicht. Er nimmt uns mit zurück in die Zeit, als die ersten Siedler die Stadt Boston bauen wollten. „Die Geschichte besagt, dass das gesamte Straßennetz dieser Stadt nach den Wegen der Kühe gebaut wurde, die auf der Suche nach den besten Wiesen waren”, erklärt er. „Weil sie immer wieder dieselben Wege wählten, wurden diese Wege auch für den Menschen zum einfachsten Weg, von einem Ort zum anderen zu gelangen. Und schließlich haben die Menschen nur diese Wege gepflastert, damit sowohl Fahrzeuge als auch Fußgänger sie nutzen konnten. Wenn man sich ansieht, wie planlos die Stadt Boston jetzt aussieht, sieht man, dass das eines der besten Beispiele dafür ist, wie Innovationen nicht aussehen sollten.”
Natürlich ist die Bostoner Kuhpfadgeschichte eine moderne Legende, die bereits im 19. Jahrhundert widerlegt wurde. Für Bulthuis ist sie aber ein dankbares Beispiel, den Unterschied zwischen dem, was als Innovation gilt und dem, was nicht als Innovation gilt, aufzuzeigen. Willem Bulthuis, der CEO von WBX Ventures, konzentriert seinen Vortrag darauf, wie ein Startup sein ursprüngliches Zielmarktsegment auswählen und seine Hauptkunden identifizieren kann. „Haben Sie einen breit angelegten oder einen messerscharfen Ansatz? Akquirieren Sie kleine Kunden und schaffen zunächst ein solides Fundament, um dann große Kunden anzusprechen? Das sind wichtige Fragen, die über Überleben und Scheitern entscheiden können”, sagt Bulthuis, der kürzlich zum Investment Manager beim Pre-Seed Fund des UnternehmerTUM an der Technischen Universität München ernannt wurde.
Zunächst fragt er sein Publikum auf dem High Tech Campus Eindhoven, wieso sollte ein Startup überhaupt Kunden brauchen? „Um etwas Geld zu verdienen und natürlich, um Fuß zu fassen. Aber am wichtigsten ist es, Feedback zu bekommen. Darum sind Kunden viel besser als Investoren.”
Und wenn es darum ginge, die ersten Kunden zu finden, gäbe es ein paar Dinge zu beachten, erklärt Bulthuis. „Die meisten Gründer schauen sich die Lösung, die sie gefunden haben, immer wieder neu an. Das Produkt, die Technologie. Aber es ist viel wichtiger, ein gutes Problem zu haben, als eine brillante Lösung. Daher sollten Sie als erstes herausfinden, welchen Bedarf Ihre potenziellen Kunden haben. Ohne, dass Sie das gelöst haben, wird es überhaupt kein Geschäft geben. Menschen oder Unternehmen geben kein Geld für Sie aus, nur weil es neue Technologien gibt. Sie kommen nur zu Ihnen, wenn es ihr Problem löst und Ihre Lösung um ein Vielfaches besser ist als die Alternativen. Vor allem, wenn Sie ein Startup sind, denn Sie können nicht auf Vertrauen aus der Vergangenheit aufbauen.”
Aber selbst wenn man zehnmal besser ist als der Rest, läuft das Geschäft nicht von selbst. Ihr Nutzenversprechen muss absolut klar sein. Sie müssen die Entscheidungsprozesse bei Ihren Kunden oder Klienten verstehen und Sie müssen sich über das bestehende Budget für Ihr Produkt im Klaren sein. „Und selbst dann müssen Sie in der Lage sein, die Investoren oder Kunden zu überzeugen. Sie können ihr Geld nur einmal ausgeben, also achten Sie auf die anderen Stakeholder. Und denken Sie voraus: Was ich sehr oft sehe, ist, dass der Eigentümer eines Startups sein Produkt mit dem eines potenziellen Konkurrenten vergleicht. Was er aber tun sollte, ist, seine Lösung mit denen zu vergleichen, an denen dieser Konkurrent noch arbeitet.”
Nachdem Bulthuis den Unterschied zwischen einer vor- und einer rückbelasteten Wertkette erklärt hat (was wichtig ist, um zu entscheiden, welcher Teil dieser Kette Ihr bevorzugtes Ziel sein wird), geht er auf das „Risiko-Rendite-Spiel” ein. „Es ist möglich, ein kleiner Player auf einem großen Markt zu sein, aber Sie müssen Ihre Position kennen. Konzentrieren Sie sich auf den Endverbraucher oder auf einen der Lieferanten? Welchen wählen Sie als Ihren ersten Hauptkunden aus? Natürlich hängt das von vielen Dingen ab, aber ich kann Ihnen eines ganz sicher sagen: Sie sollten sich nicht sofort für den mit dem größten Marktanteil entscheiden. Obwohl es bestimmt ein gutes Gefühl ist, sagen zu können, dass man mit einer großen und berühmten Marke zusammenarbeitet, wird einem das auf lange Sicht nicht helfen. Besser die zweite oder dritte Stufe wählen, die sind eher bereit, ein Risiko einzugehen. Nehmt die Jungs, die es wirklich wollen. Und flexibel sind. Und nachsichtig – denn als Startup werden Sie wahrscheinlich nicht von Anfang an alles perfekt machen.”
Und wählen Sie auf keinen Fall diejenigen, die die Kuhpfade pflastern.