„Autonomes Fahren – wie funktioniert das eigentlich und welche Technik steckt dahinter?“, mag sich manch einer schon gefragt haben. Klar ist: Grundsätzlich muss das selbstfahrende Auto erst einmal seine Umgebung erkennen können, um dann entsprechend zu agieren. Mittlerweile gibt es in Bezug auf „künstliche Augen“ verschiedene Sensorik-Ansätze, die ein Erkennen ermöglichen. So ist bis dato beispielsweise der Einsatz von Radar-System und Kameras weit verbreitet.
Doch während Radar nicht die entsprechend hohe Auflösung bietet, um Objektcharakteristika tatsächlich erkennen zu können, liefern Kameras nur 2D-Bilder. Um hier aussagekräftige 3D-Informationen zu generieren, sind komplexe Algorithmen, die die Bilder interpretieren, notwendig. Beide Lösungsansätze sind also offensichtlich nicht wirklich geeignet, um ein sicheres autonomes Fahren zu gewährleisten.
LiDAR-Technologie
Derzeit wird noch eine weitere Technologie namens LiDAR eingesetzt. Die Buchstaben stehen für Light Detection and Ranging. LiDAR ist eine dem Radar verwandte Lösung. Doch anstelle von Radiowellen werden Laserpulse ausgesendet, die, für das menschliche Auge unsichtbar, auf Objekte treffen und reflektiert werden. Der Sensor misst die Laufzeit zwischen Aussenden und Rückkehr des Laserpulses und errechnet daraus die Entfernung zwischen Sensor und Objekt. Dies macht ein LiDAR bis zu einer Million mal pro Sekunde. In Echtzeit fasst er seine Ergebnisse über die Umwelt in einer 3D-Karte zusammen. Diese sogenannten Punktwolken sind so detailliert, dass sie nicht nur dazu verwendet werden können, Größendimensionen und die Form von Objekten zu erkennen, sondern auch, um diese zu identifizieren. Zudem erfassen LiDARs Abstände und Geschwindigkeiten. Das Fahrzeug erhält somit hochpräzise 3D-Umgebungsdaten, auf dessen Auswertung es letztendlich Fahrentscheidungen ableitet.
LiDAR gilt mittlerweile als der entscheidende Baustein für autonomes Fahren. Und Experten sind sich einig, dass erst diese Technik vollautonomes Fahren ab Level 3, das bedeutet hochautomatisiertes Fahren, möglich macht.
LiDAR im Einsatz
Wer in letzter Zeit in Kalifornien oder Shenzhen unterwegs war, hat sie vielleicht sogar schon einmal gesehen: Die selbstfahrenden Autos, bei denen vor allem ein massiver Dachaufbau ins Auge sticht. Dabei könnte es sich eventuell um LIDAR-Sensoren zur Umfelderfassung handeln. Die Sensoren bestehen aus drei Hauptkomponenten: Scanner, Detector und Strahlablenkung. Die bis jetzt noch verwendete Generation basiert zudem auf Getrieben und Motoren, um die Laserpulse mechanisch über die Umgebung zu lenken.
Man kann es sich vorstellen: Diese Mechanik ist sehr empfindlich. Somit ist sie für die typischen Belastungen während einer Autofahrt nicht ideal. Zudem sind mechanische LiDARs aufgrund der kostenintensiven Komponenten sowie einer recht komplexen und manuellen Bauweise extrem teuer. So kosten allein die günstigsten Modelle schon Tausende von Dollar. Und davon bräuchte man, um ein Auto vollautonom steuern zu lassen, eine ganze Menge. Das macht den Einsatz von aktuellen LiDAR-Sensoren in massentauglichen Serien so gut wie unmöglich.
Solid-State-LiDAR-Sensoren
Das deutsche Start-up Blickfeld GmbH revolutioniert nun die LiDAR-Welt. Denn es hat eine neue Sensor-Technologie entwickelt. Diese kommt ohne mechanisch bewegliche Bauteile aus. Die Innovation der Münchener beruht nämlich auf einem in Halbleiter Technologie gefertigten Scanner. Dieser kommt komplett in Silizium auf Waferlevel daher. Der Vorteil: Auf einer Siliziumplatte können gleich mehrere Sensoren parallel gefertigt werden. Die Steuerung des Laserstrahls erfolgt durch eine patentierte Laserablenkeinheit. Diese kommt mittels sogenannter Micro-Electro-Mechanical-Systems (MEMS) ohne bewegliche Bauteile aus. Von daher ist die Technologie deutlich robuster und damit langlebiger.
Auch braucht die Lösung von Blickfeld nur noch einen statt 64 Laser. Dies schlägt sich sowohl in der Größe, dem Gewicht sowie auch in der Produzierbarkeit nieder.
Blickfeld-Cube
Das erste Produkt der Münchener ist ein handlicher Würfel. Mit seinem Sichtfeld von 100° x 30°, einer hohen Punktdichte sowie einer Erkennungsreichweite von mehr als 150 m entspricht er zudem höchsten Performancebedingungen. Ein weiterer Vorteil sind seine geringen Abmessungen von 80 x 60 x 50 mm. Verteilt auf die Ecken eines Fahrzeugs können die Cubes zusammen mit einer LiDAR-Blind-Spot-Detection, einen Radius von 80 Metern vollständig überwachen.
Die Solid-State-Technologie sorgt darüber hinaus für Robustheit gegenüber Witterungsbedingungen und mechanischen Einflüssen. Der kleine LiDAR-Würfel kann zudem präzise und so hoch skalierbar wie ein Computerchip hergestellt werden. Gleichzeit lässt sich sein Preis, in Kombination mit günstigen Standardbauteilen für leistungsfähige LiDAR-Sensoren, auf nur wenige hundert Euro reduzieren. Somit wird der Weg zu sicheren und erschwinglichen autonomen Fahrzeugen mit LiDAR-Hightech-Geräten geebnet.
Die Sensorik-Spezialisten aus München sehen auch noch weitere Anwendungsfelder, wie zum Beispiel: Internet of Things, Smart City-Lösungen, Logistik, Landwirtschaft und diverse Security-Thematiken. Der Verkaufsstart des Cubes ist übrigens noch für 2019 geplant.
Neben der Hardware arbeitet Blickfeld auch an einem Software-Stack, um die gewonnenen 3D-Informationen zum Zweck der abstrakten Umgebungswahrnehmung bündeln und auswerten zu können. Mögliche Automotive Anwendungsszenarien reichen von Platooning (dichtes Hintereinanderfahren von Autos) über Highway Pilot (teilautonomes Fahren) bis hin zu Level 4/5-autonomen Fahrzeugen.
European Startup Prize
Die Münchener wurden im April als eines von zehn Unternehmen mit dem European Startup Prize for mobility ausgezeichnet. Dazu Dr. Florian Petit (Business Development), der zusammen mit Dr. Matthias Müller (CEO und R&D), Rolf Wojtech (Software), und Dr. Sebastian Neusser (Patentanwalt) im Jahre 2017 das Unternehmen gründete:
Wir sind stolz darauf, zu den 10 Gewinnern des Europäischen Startup-Preises für Mobilität zu gehören. Es ist wirklich toll zu sehen, dass so viele Start-ups in ganz Europa an der Mobilität von morgen arbeiten. Der Preis bietet eine gute Plattform, um alle diese Unternehmen zusammenzubringen und das Bewusstsein für die innovativen Ideen zu schärfen. Auch unter den anderen Bewerbern haben wir sehr interessante Ideen gesehen!”
Die Gründer von Blickfeld verfügen übrigens über langjährige Erfahrungen im Bereich Robotik, optische Sensortechnologie und Software. Mittlerweile besteht das Team aus mehr als 80 hochqualifizierten Mitarbeitern, die neben Automotive- und IoT-Branchenkenntnissen über profunde technische Expertise in den Bereichen Elektronik, Optik, MEMS und Software verfügen.
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