Keine Frage: beim globalen Klimaschutz hat der Amazonaswald als größter zusammenhängender Regenwald eine bedeutende Rolle inne. Mit einer derzeitigen Fläche von etwa 7.500.000 km² bedeckt er etwa zwei Drittel Südamerikas. Dank seiner Größe gilt das Amazonas-Becken als größte Kohlenstoffsenke der Welt. Denn hier wird ungefähr so viel Kohlenstoff gespeichert, wie in rund zehn Jahren auf der ganzen Erde freigesetzt wird. Wissenschaftler des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sowie der Federal University of Santa Catarina (UFSC) haben nun noch eine weitere erstaunliche Eigenschaft entdeckt: Der Amazonaswald kann sozusagen durch wechselhafte Regenfälle trainiert werden. Das heißt, die Regionen des Waldes, in denen die Regenmengen stärker schwanken, sind widerstandsfähiger gegen heutige und zukünftige Klimastörungen.
Kombination aus Analyse und Beobachtungsdaten
„Angesichts der enormen Bedeutung des Amazonas-Regenwaldes für unser Klima und die Artenvielfalt ist es erstaunlich, wie wenig wir immer noch über seine Fähigkeit wissen, sich im Laufe der Zeit an veränderte Umweltbedingungen anzupassen”, stellt Leitautorin Catrin Ciemer vom PIK fest und ergänzt: „Wir haben einen Mechanismus entdeckt, der die Widerstandsfähigkeit des Ökosystems mitbestimmt. Dabei haben wir herausgefunden, dass Regionen des Amazonas-Regenwaldes, die stärker wechselnden Regenmengen ausgesetzt waren, offenbar mehr Widerstandskraft haben gegen Klimastörungen.”
Basierend auf Daten zum Niederschlag und zur Baumbedeckung im brasilianischen Amazonasbecken ermittelten die Wissenschaftler die Stabilität verschiedener Vegetationstypen in Abhängigkeit der Regenmengen und identifizierten auf diesem Weg kritische Schwellenwerte, jenseits derer die Vegetation von einem Wald zu einer Savanne, also einem tropischen Grasland, wechseln kann. In diesem Kontext entdeckten die Forscher nun den oben erwähnten Trainingseffekt.
„Wir konnten dieses bislang unbekannte dynamische Stabilitätsverhalten quantifizieren, indem wir moderne Techniken [mathematische Methoden] der Analyse nicht-linearer Systeme kombiniert haben mit modernsten Beobachtungsdaten [Satellitendaten]”, erklärt Jürgen Kurths, Leiter des PIK-Forschungsbereichs Komplexitätsforschung und Ko-Autor der Studie. Marina Hirota von der UFSC, ebenfalls Ko-Autorin der Untersuchung, ergänzt: „Wir entwickeln und nutzen innovative mathematische Methoden, um reale Probleme zu untersuchen, die enorme Auswirkungen auf Menschen auf dem ganzen Planeten haben. Denn klar ist: der Amazonas-Regenwald ist von großer Bedeutung für globale CO2- und Wasserkreisläufe und steht in Wechselwirkung mit einer Reihe anderer kritischer Elemente [denkbar ist z.B. das südamerikanische Monsunsystem] des Erdsystems.”
Gravierende Änderungen erwartet
So erlaube es der Ansatz zu erkennen, welche Regionen anfälliger für zukünftige Veränderungen des Niederschlags sein könnten, unterstreicht Ricarda Winkelmann, Leiterin des PIK FutureLab ‘Earth Resilience in the Anthropocene’ und ebenfalls Ko-Autorin der Studie. Weniger ‘trainierte’ Regionen, die nicht an häufige Änderungen der Niederschläge gewöhnt sind, werden dabei besonders betroffen sein. Die Analyse zeigt, dass in einem Business-as-usual-Szenario in Bezug auf den Ausstoß von Treibhausgasen eine große zusammenhängende Region im südlichen Amazonasgebiet Gefahr laufen könnte, vom Wald zur Savanne zu werden.
Noch ist unklar, wie viel Veränderung die Amazonasregion verkraften kann. So ist der Amazonaswald einerseits ein sehr altes Ökosystem, das sich über Millionen von Jahren entwickelte und sogar Eiszeiten überlebte. Es konnte sich also über lange Zeiträume anpassen. Aber heute ist es fraglich, ob es dem Tempo des fortschreitenden Klimawandels gewachsen ist.
Deshalb sind die Forschenden trotz der positiven Erkenntnis zur Anpassungsfähigkeit in großer Sorge um die Zukunft des Waldes. Denn dem einzigartigen System droht nun durch menschlichen Einfluss und durch den weltweiten Klimawandel ein großflächiges Absterben ‒ mit weitreichenden Folgen für seine Funktion als globale CO2-Senke. Zwar speichert eine wärmere Atmosphäre grundsätzlich mehr Feuchtigkeit, doch wird es im Amazonasbecken wahrscheinlich vermehrt Dürren geben, die die Baumsterblichkeit und das Brandrisiko erhöhen könnten.
Niklas Boers, Koautor der PIK-Studie fügt noch ein weiteres großes Problem, das der Erhaltung des Amazonas Regenwaldes entgegenwirkt, hinzu: So stellen die großflächigen Rodungen, die zur Umwandlung der Naturlandschaft in Weidelandschaft für Rinder zur Fleischerzeugung geschehen, eine ernsthafte Bedrohung für den Regenwald dar. Das bedeutet, dass die aktuelle Forstpolitik Brasiliens und anderer Länder die Frage der Widerstandsfähigkeit des Regenwaldes bedeutungslos machen könnte. „Mit oder ohne Widerstandsfähigkeit gegen Klimastörungen: Es gibt keine Möglichkeit, sich an Motorsägen anzupassen,“ fasst er die aktuelle Situation zusammen.
Die Studie wurde Ende Februar in Nature Geoscience veröffentlicht.
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