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Kennen Sie die „Monday Note“ von Jean Louis Gassée und Frederic Filloux? Wenn nicht, sollten sie da hin und wieder einen Blick drauf werfen. Gassée ist bekannt geworden durch seine Arbeit bei Apple. Nach seinem Weggang versuchte er (vergeblich) das Betriebssystem „Be“ auf den Markt zu bringen, das damals bereits weiter als das klassische MacOS war. 

Gassée schreibt in seinen Kolumnen meistens über die Computerbranche und Apple in letzter Zeit auch über Tesla. Filloux ist zudem Kolumnist in so renommierten Publikationen wie dem Guardian, L’Express oder Medium. 

Im Juli 2020 veröffentlichte er zusammen mit Philippe Chain einem Automobil-Ingenieur eine Serie über das Auto der Zukunft, den Apple Car und Tesla.

Einblicke eines Auto-Ingenieurs

Das Interessante an der Serie sind unter anderem die Einblicke, die Chain in die Arbeitsweise und das Denken von Teslas Ingenieuren und Computerspezialisten gibt. 

Eine Anekdote , die Chain erzählte, ist mir in Erinnerung geblieben. Es ging um eine Unterhaltung in der Cafeteria. Chain war relativ neu bei Tesla. Tesla-Ingenieure unterhielten sich über dies und das und Chain wurde Zeuge eines für die klassischen OEMs unerhörten Vorgangs.

Einer der Ingenieure nahm häufig einen Testwagen abends mit nach Hause. Der Wagen hatte eine Niveauregulierung. Die musste er immer kurz vor Überqueren des Bordsteins in seine Einfahrt betätigen, damit er nicht aufsaß. 

Ein Entwickler aus der Computer-Abteilung saß mit am Tisch und blickte auf. Er schlug vor, eine Routine zu schreiben, um das Auto per GPS dazu zu bringen, dass es immer dann die Niveauregulierung nach oben fuhr, wenn der Ingenieur in die Nähe seines Domizils kam. Innerhalb kürzester Zeit waren „die paar Zeilen Code“ fertig und implementiert.

Stellen Sie sich das bei Audi, Mercedes oder VW vor… Da wären erst einmal Legionen von Menschen in Besprechungen gewesen und hätten monatelang darüber diskutiert, ob das überhaupt notwendig wäre. Letztlich wäre die Sache vermutlich im Sande verlaufen.

Das erbärmliche digitale Erlebnis heutiger Autos

Das heutige Auto, so Chain 2020, böte ein „erbärmliches Erlebnis im Vergleich zu unserem digitalen Leben“. Und nicht nur das. Chain ist sich sicher, dass das Auto der Zukunft den Komfort und die Benutzererfahrung eines iPhone sowie die Funktionen eines Rechenzentrums haben müsse.

Diese Überzeugungen des Automotive-Spezialisten haben sich auch heute nicht geändert. Im Gegenteil. Elektromobilität ist anders, auch wenn die klassischen OEMs, vor allem in Deutschland, immer noch der Verbrenner an den Fingern kleben bleibt.

Digitalisierung, intelligentes Energiemanagement und Schnelligkeit

Und hier zeigen sich die Defizite einer Industrie, die in Zukunft eng mit anderen  und teilweise neuen Industrien zusammenarbeiten muss, damit die ökologische Wende greifen kann. Kaum ein Stromer hat beispielsweise V2G (Vehicle-to-Grid)-Funktionalitäten, sprich die Möglichkeit, Strom auch abzugeben.

Energiespezialisten glauben nämlich, dass das Elektrofahrzeug bestens dazu geeignet sei, die erneuerbaren Energien zu komplementieren. Quasi als Stabilisator für den berühmten „Zappelstrom“ von Wind und Solar. Immerhin haben moderne Stromer Energie-Kapazitäten von 50 kWh und mehr.

Freilich haben auch die Haushalte kaum Möglichkeiten, von V2G-Funktionalitäten zu profitieren, wären sie denn implementiert.  Hier blicken unglücklichweise viel zu wenige über ihren Tellerrand.

Die Elektromobilität schafft die einmalige Gelegenheit für die gesamte Industrie, nicht nur die Autoindustrie, interdisziplinär zu arbeiten. Dabei kommt der Digitalisierung eine Schlüsselrolle zu. Das setzt eine Beschleunigung der Produkt- und Softwarezyklen voraus, die aber nur dann funktioniert, wenn Hierarchien abgebaut und Inititativen der Ingenieure beschleunigt werden. 

Ganz so wie beim „GPS-Trick“, der oben erwähnt wurde.

Über diese Kolumne:

In einer wöchentlichen Kolumne, die abwechselnd von Eveline van Zeeland, Eugene Franken, Katleen Gabriels, PG Kroeger, Carina Weijma, Bernd Maier-Leppla, Willemijn Brouwer und Colinda de Beer geschrieben wird, versucht Innovation Origins herauszufinden, wie die Zukunft aussehen wird. Diese Kolumnisten, die manchmal durch Gastblogger ergänzt werden, arbeiten alle auf ihre Weise an Lösungen für die Probleme unserer Zeit. Bitte lesen Sie hier die bisherigen Episoden.