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Supraleitende Materialien würden unseren Alltag vollkommen verändern. Anwendungen wie elektronische Geräte, die kaum noch elektrische Energie verbrauchen, wären möglich – und schwebende Hochgeschwindigkeitszüge. Auch Elon Musks Hyperloop würde davon profitieren.

Schwebende Züge könnten mit extrem starken supraleitenden Magneten zum billigen und ultraschnellen Transportmittel werden, erklärt Professor Neven Barišić vom Institut für Festkörperphysik an der TU Wien. Zitat: „Supraleiter sind perfekte Diamagnete und wären die beste Technologie, um einen Zug zum Schweben zu bringen. Aber wir kämpfen immer noch damit, Materialien zu finden, die einfach und billig an die technischen Anforderungen angepasst werden könnten. Hochtemperatur Supraleiter zu verstehen, ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung und das Hyperloop-Projekt würde sehr davon profitieren.“

Neven Barišić forscht an Supraleitern. Jetzt veröffentlichte er Ergebnisse, die die Erzeugung von supraleitenden Materials näher rücken lassen.

Supraleiter

Konventionelle elektronische Systeme basieren auf Bauteilen wie Kabel und Drähte und diese haben einen gewissen elektrischen Widerstand. Es gibt allerdings auch Materialien, bei denen dies nicht der Fall ist – zumindest bei sehr niedrigen Temperaturen. Es handelt sich dabei um sogenannte Supraleiter. Das sind Materialien, deren elektrischer Widerstand beim Unterschreiten einer kritischen Temperatur abrupt auf Null fällt. Unter anderem sind es Metalle, welche über diese Eigenschaft verfügen.

Materialien herzustellen, die auch bei Raumtemperatur noch leitfähig bleiben, wäre ein wissenschaftlicher Durchbruch. Die Forschung im Bereich der sogenannten Hochtemperatur-Supraleiter gestaltet sich allerdings schwierig, weil viele mit der Supraleitung verbundene Quanteneffekte noch nicht ausreichend verstanden werden.

Barišić: „Es gibt durchaus einige Materialien, die supraleitendes Verhalten bei Temperaturen in der Nähe des absoluten Nullpunktes zeigen, und bei manchen verstehen wir sogar, warum das so ist.“ Die wirkliche Herausforderung sieht er allerdings darin, Supraleitung in Cupraten zu verstehen, wo diese bei viel höheren Temperaturen bestehen bleiben.

Vielversprechende Cuprate

Die Entdeckung der Hochtemperatur-Supraleitung in Cupraten zählt zu den wichtigsten wissenschaftlichen Meilensteinen der letzten fünfzig Jahre. Cuprate sind chemische Verbindungen, die ein kupferhaltiges Anion enthalten und bei Normaldruck bis zu einer Temperatur von 140 Kelvin (minus 133 Grad Celsius) supraleitend bleiben. Aber zentrale Fragen zum komplexen Phasendiagramm dieser Materialien blieben bisher offen.

Barišić sieht in einem Material, das bei Raumtemperatur supraleitend bleibt, den heiligen Gral der Festkörperphysik. Jetzt kam er diesem näher. Er entdeckte zwei fundamental unterschiedliche elektrische Ladungsträger in Cupraten, die in einem subtilen Wechselspiel stehen – und dieses Wechselspiel ist entscheidend für die Supraleitung.

Ein Teil der elektrischen Ladungsträger ist immobil, der andere Teil hingegen mobil.

  • Die immobilen elektrischen Ladungsträger sitzen jeweils auf einem Atom und können sich nur wegbewegen, wenn das Material aufgeheizt wird.
  • Die mobilen elektrischen Ladungsträger können von einem Atom zum anderen springen.

 

Supraleitung durch Paarung

Die Supraleitung wird von den beweglichen elektrischen Ladungsträgern ausgelöst. „Es gibt eine Wechselwirkung zwischen den beweglichen und den unbeweglichen elektrischen Ladungsträgern, durch die sich die Energie des Systems verändert“, sagt Barišić. Die Unbeweglichen haben klebstoff-ähnliche Funktion und binden Paare von Beweglichen aneinander. So entstehen die sogenannten Cooper-Paare. Erst nach dieser Paarung können die elektrischen Ladungsträger supraleitend werden und dem Material die Fähigkeit zum Transport ohne Streuung und Widerstand verleihen.

Barišić und sein Forschungsteam schließen daraus, dass die Zahl von mobilen und immobilen Ladungsträgern sorgfältig ausbalanciert werden muss, um Supraleitung zu erhalten. Die Relation von ‚Klebstoff’ und zu paarenden elektrischen Ladungsträgern muss ausgewogen sein. Ein Missverhältnis führt unweigerlich zur Schwächung oder zum Zusammenbruch der Supraleitung. Zentrales Forschungsproblem war es herauszufinden, wie sich der Einfluss von Temperatur oder die Dotierung des Materials mit anderen Atomen auf die Balance zwischen beweglichen und unbeweglichen Ladungsträgern auswirkt.

Neven und sein Team führten viele verschiedene Experimente mit Cupraten durch. Aus den großen Datenmengen ließ sich eine umfassende Phänomenologie der Supraleitung in Cupraten darstellen. Unter anderem konnte nachgewiesen werden, dass Supraleitung graduell entstehen kann. Die Erkenntnisse, die der Forscher mit seinem Team gewann, helfen die Cuprate besser zu verstehen und noch bessere Supraleiter zu entwickeln. Barišić sieht sich noch nicht am Ziel, denkt aber, dass die Forschungsergebnisse gleich mehrere Schritte zu einem besseren Verständnis von Supraleitern genommen haben.

 

Weitere Informationen zu Supraleitern als Diamagnete finden Sie in der Informationsliteratur zum Meißner-Effekt.

Hier finden Sie den Link zur Originalpublikation von Neven Barišić:

Orignalpublikation: Pelc et al., Science Advances 25, Vol. 5, no. 1 (2019)

Weitere kürzlich dazu erschienene Publikationen von Neven Barišić:
Nature Communicationsvolume 9, Article number: 4327 (2018)

npj Quantum Materialsvolume 3, Article number: 42 (2018)

 

Foto oben: Shanghai Transrapid (c) Yosemite Commonswiki