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Sportfans, die im Fernsehen Leichtathletik, Fußball oder andere Events verfolgen, kennen die langgezogenen Werbebanden am Spielfeldrand. Damit verdienen Veranstalter, Werberechtevermarkter und Unternehmen jede Menge Geld, indem sie ihre Produkte oder Dienstleistungen einem Millionenpublikum anpreisen. Allerdings hat diese Art der Werbung auch einen großen Nachteil: alle Zuschauer – weltweit – sehen dieselbe Werbung.

Das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS hat deshalb eine Technologie entwickelt, die es ermöglicht, die Inhalte auf den Banden für unterschiedliche Zielgruppen individuell anzupassen. So kann jeder TV-Sender eigene Inhalte auf den Banden zeigen, die auf ein bestimmtes Publikum oder länderspezifisch ausgerichtet sind, so dass Menschen bei einem weltweit übertragenen Fußballspiel beispielsweise dieselben Banden, aber jeweils mit ganz verschiedenen Inhalten sehen.

Chromakey-Technik mit Magenta

Um das zu erreichen, kombinieren die Wissenschaftler aus Sankt Augustin bei Bonn das bei TV-Produktionen etablierte Chromakey-Verfahren und eine innovative technologische Eigenentwicklung. Chromakey – auch als Blue Screen oder Green Screen bekannt – wird in Fernsehstudios verwendet, wenn hinter Moderatoren ein Bild oder Video eingespielt wird. Der Zuschauer sieht die Moderatoren dann zum Beispiel an einem Strand stehen. Das Fraunhofer-Team setzt bei seiner Lösung auf Magenta als Hintergrundfarbe. Falls sich die Trikotfarbe der Spieler sich nicht genügend von einer Magenta-Bande abhebe, sei aber auch jede andere Farbe möglich, betonen die Forscher.

Moderne Bandenwerbung arbeitet aber mit elektronisch gesteuerten LED-Panels, die wechselnde Inhalte zeigen. Wie also funktioniert das individualisierte Advertising? “Die Streams auf den LED-Banden bestehen aus einer Abfolge von Einzelbildern, die jeweils 20 Millisekunden lang angezeigt werden“, erklärt Ulrich Nütten, Leiter der Abteilung Media Engineering, das am Institut entwickelte Verfahren. “Wir kürzen die Anzeige der Werbung auf 18 Millisekunden, für die restlichen zwei Millisekunden zeigt die Bande eine Magenta-Farbfläche. Dieser Magenta-Blitz ist zu kurz, um vom menschlichen Auge wahrgenommen zu werden. Aufnahmezeitpunkt und -dauer der TV-Kamera sind so eingestellt, dass sie nur ihn aufzeichnet.“

Fußballspieler vor den LED-Banden. Die magentafarbene Fläche (links unten) erscheint nur für 2 ms, sie ist weder für die Zuschauer im Stadion noch für die TV-Zuschauer sichtbar. Diese sehen nur die für sie bestimmte Werbung. © Fraunhofer

Die Kamera sehe die reale Werbung nicht, sondern nur die Bande mit der Farbfläche. “Jetzt kommt Chromakey zum Einsatz: Im Bild, das die Kamera aus dem Stadion ins TV-Studio liefert, wird ein neuer Inhalt auf die Magenta-Farbfläche gesetzt. Auf diese Weise entsteht ein Werbestream, der sich nahtlos in das TV-Bild einfügt.“ Während nun die Zuschauer im Stadion die reale Bandenwerbung sehen, bekämen Menschen vor den Fernsehgeräten eine andere Werbung gezeigt. Für sie wirke es aber so, als ob die Werbung im Stadion auf den Banden abliefe. Auch wenn ein Sportler oder eine Sportlerin vor einer Bande stehe oder vor dieser hin und her laufe, sei das kein Problem. “Die Technik ist inzwischen so ausgereift, dass in so einer Situation keinerlei Säume, Farbverfälschungen oder Unschärfen entstehen«, sagt Nütten.

Auch bei Kameraschwenks perspektivisch korrekt

Eine Schwierigkeit mussten die Forscher jedoch erst ausräumen: Durch wechselnde Kameraperspektiven oder Schwenks erscheinen die Banden-Elemente perspektivisch verzogen. Also müssen die extern generierten Werbeinhalte so angepasst werden, dass sie immer innerhalb der Bandenbegrenzung bleiben. Die Lösung war, dass das Team Tracking-Module an den Kameras platziert, die die Neigung der Kamera und Schwenks kontinuierlich registrieren. Diese Daten werden von einer KI-gestützten Software genutzt, um den Winkel zur Bande laufend neu zu berechnen und die perspektivische Verzerrung auszugleichen. Großrechner sind für diese Berechnungen trotz der hierfür erforderlichen erheblichen Rechenkapazität nicht nötig. “Es genügen zwei handelsübliche PCs mit rechenstarker Grafikkarte. Ein PC erkennt die Magenta-Bande im TV-Bild, der andere spielt die Werbeinhalte ein.“

Die Forscher arbeiten aktuell bereits daran, dass die Technik künftig auch TV-Formate im höchstauflösenden 8K-Format unterstützt. Vermarktet wird die Technik vom Schweizer Unternehmen ViboTec AG.

Titelbild: Für die TV-Übertragung von Fußballspielen eröffnet die Chromakey-basierte Bandenwerbung neue Möglichkeiten der Vermarktung. Fraunhofer-Experten mit Equipment vor der Bay Arena in Leverkusen. © Fraunhofer