Dr. Georg Reischer TU Wien (c) TU Wien
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Wenn ein Säugetier dasselbe frisst wie ein Vogel, dann hat es deshalb nicht dieselben Bakterien im Darm. Das zeigte eine Studie zum Mikrobiom im Verdauungstrakt von einhundertachtundzwanzig Tieren. Die Ergebnisse sollen helfen, die Ursache für fäkale Verunreinigung in Gewässern zu finden.

Bakterien und Archaeen sind bedeutende Akteure im Körper von Lebewesen. Mensch und Tier tragen zehnmal mehr Bakterien und Archaeen in sich als Zellen. Neunundneunzig Prozent aller Bakterien befinden sich im Darm – und bilden das Mikrobiom respektive Ökosystem im Verdauungstrakt. Als Ökosystem hat dieses Einfluss auf Stoffwechsel, Immunsystem und Verhalten. Wurde das Mikrobiom vom Menschen und einzelnen Tierspezies bereits untersucht, so war jenes von freilebenden Tieren noch unbekannt.

Fokus auf Wirbeltiere

Bisher gab es Untersuchungen am Mikrobiom von einzelnen Spezies wie etwa Ratten, erklärt Prof. Andreas Farnleitner. „Wir wollten aber viele Tierarten auswählen, die möglichst repräsentativ den gesamten Stammbaum der Wirbeltiere abdecken – von Vögeln über Säugetiere bis hin zu Fischen“, so der Forscher. Farnleitner ist Co-Leiter des interuniversitären Forschungszentrums Wasser und Gesundheit an der TU Wien (ICC Water & Health).  In Erweiterung des ICC Water & Health ist er auch als Professor für Mikrobiologische Diagnostik an der Karl Landsteiner Privatuniversität in Krems tätig.

Beide Institute waren in die Erforschung des Mikrobioms im Verdauungstrakt von Tieren involviert. Kooperationspartner war das Max Planck Institut für Entwicklungsbiologie (MPI) in Tübingen, das sein Know-how in bio-informatischer Datenanalyse und Evolutionsbiologie einbrachte. Bei der Probenbeschaffung kooperierten die Teams mit dem Institut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Die Proben sollten tatsächlich von Tieren in der Wildnis stammen. Das Mikrobiom eines Zootieres könnte von jenem seines Artgenossen in der freien Wildbahn abweichen. Die Analyse des Mikrobioms erfolgt über Fäkalproben.

Evolution und Ernährungsgewohnheiten

Spezifisch am tierischen Mikrobiom ist eine Zusammensetzung, die sich von Tierart zu Tierart stark unterscheidet. Im Rahmen der Studie wurden zwanzig Millionen Gen-Sequenzen von insgesamt über vierhundert Proben von einhundertachtundzwanzig verschiedenen Spezies erhoben. Die Zusammensetzung der Bakterien im Verdauungstrakt der Tiere wurde im Hinblick auf  Evolution und Ernährungsgewohnheiten untersucht. Das Know-how in bioinformatischer Datenanalyse und Evolutionsbiologie lieferten Kollegen im MPI Tübingen.

In den Ergebnissen zeigten sich evolutionsgeschichtliche Zusammenhänge. Das Mikrobiom hat sich über viele Millionen Jahre in einer Ko-Evolution mit den Wirtstieren entwickelt. Die  Spezies, die einander im Stammbaum der Evolution nahe sind, weisen auch Ähnlichkeiten im Mikrobiom auf. Auch die Ernährung spielt eine Rolle, erklärt Dr. Georg Reischer aus dem Biolabor der TU Wien. Aber diese sei nie allein ausschlaggebend: “Wenn ein Säugetier dasselbe frisst wie ein Vogel, dann hat es deshalb nicht dieselben Bakterien im Darm.”

Die Originalpublikation finden Sie unter diesem Link:

Youngblut et al. (2019): Host diet and evolutionary history explain different aspects of gut microbiome diversity among vertebrate clades. In: Nature Communications, DOI: 10.1038/s41467-019-10191-3

Verunreinigung in Gewässern analysieren

An der TU Wien werden die Daten eingesetzt, um Verunreinigungen in Gewässern exakt bestimmten Tierarten zuordnen zu können. Möglich wird dies durch einen Bio-Detektor. Dessen Entwicklung erfolgte ebenfalls im Rahmen des Interuniversitären Kooperationszentrum Wasser und Gesundheit und wurde im Februar 2019 abgeschlossen. Das Verfahren löste zeitaufwändige Methoden im Labor ab und vereinfachte und beschleunigte den Nachweis gesundheitsgefährdender Keime in Wasser.

Schnelltest vor Ort

Laut Reischer funktioniert die Methode so einfach wie ein Schwangerschaftstest: „Die Bakterien werden zerstört, die DNA wird gezielt vervielfältigt und dann mit einem simplen Streifen nachgewiesen“. Anwendung findet der Test in der Steuerung der Wasserqualität und zur Unterstützung der Risikobewertung im Bereich der öffentlichen Gesundheit.

Der Artikel über das Projekt wurde im Fachjournal Nature Scientific Reports publiziert. Hier finden Sie den Link: Kolm et al. (2019): Nature Scientific Reports, volume 9, Article number: 393

 

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