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Laut des Jahresberichts der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkrankten im Jahr 2017 weltweit rund 10 Millionen Menschen an Tuberkulose (TB), die Todesfälle durch TB werden auf 1,3 Millionen unter HIV-negativen Menschen geschätzt; weitere 300.000 Todesfälle durch TB gab es unter HIV-positiven Menschen. Männer waren mit einem Anteil von 5,8 Millionen Männer häufiger betroffen als Frauen (3,2 Millionen) und Kinder (1 Million).

Während die Krankheit in den westlichen Industriestaaten weniger ausgebreitet ist, kamen zwei Drittel der Betroffenen aus acht Ländern: Indien (27%), China (9%), Indonesien (8%), die Philippinen (6%), Pakistan (5%), Nigeria (4%), Bangladesch (4%) und Südafrika (3%). Diese und 22 weitere Länder auf der Liste der 30 Länder mit hoher TB-Rate machten 87% der weltweiten Fälle aus, nur 6% der globalen Fälle traten mit je 3% in der Europäischen Region der WHO und der Region Amerika auf.

Insgesamt ist Tuberkulose immer noch eine der zehn häufigsten Todesursachen weltweit. Ein internationales Forscherteam unter Leitung der Wilmanns-Gruppe des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) in Hamburg hat nun aber vielleicht einen Weg gefunden, die Krankheit erfolgreich zu behandeln und zumindest zum Stillstand zu bringen.

© EMBL

Das Mycobacterium tuberculosis, der TB-Erreger beim Menschen, enthält nämlich 80 so genannte Toxin-Antitoxin-Systeme (TA-Systeme), d.h. Genpaare, die eng miteinander verknüpft sind und zum einen ein toxisches Protein und zum anderen ein Antitoxin, ein das Toxin blockierendes Protein, kodieren. Normalerweise hemmt die Anwesenheit des Antitoxins das Wachstum des Toxins, unter Stressbedingungen können spezielle Enzyme die Antitoxinmoleküle jedoch schnell abbauen und somit die jeweiligen Toxinproteine in der Zelle aktivieren. Im Allgemeinen überleben die Bakterien jedoch, da das Wachstum bei den meisten TA-Paaren nur verlangsamt und nicht komplett gestoppt wird.

Tödliches Gift

Die Auswirkungen der Aktivierung des Toxins können bei einem speziellen TA-Paar aber auch sehr viel einschneidender sein, da es ohne das Antitoxin die Tuberkulose-Zellen abtötet. Da dieser Effekt Möglichkeiten für neue therapeutische Ansätze ermöglicht, schlossen sich Forscher des EMBL Hamburg und des IPBS an der CNRS/Université de Toulouse und dem Crick Institut in London zusammen, um dieses TA-System näher zu untersuchen.

„Unser Ziel war es, die Struktur des TA-Systems zu sehen, um sie verstehen und vielleicht sogar manipulieren zu können. Es war, als hätten wir vorher blind gearbeitet“, sagt Annabel Parret, wissenschaftliche EMBL-Mitarbeiterin in der Wilmanns-Gruppe. Die Erstautorin der Studie, die das Team in der Fachzeitschrift Molecular Cell veröffentlicht, Diana Freire, konnte diese hochaufgelöste Struktur innerhalb von nur acht Monaten aufklären.

„Dieser Komplex sieht sehr stabil aus und wird nicht leicht zu knacken sein“, erklärt EMBL-Gruppenleiter Matthias Wilmanns. Der Komplex hat eine ähnliche Struktur wie die bereits bekannten Toxinen von Cholera und Diphtherie, Krankheiten, die vor nicht allzu langer Zeit noch Epidemien mit Hunderttausenden von Toten auslösten.

Aufgrund dieser Ähnlichkeiten konnte das Team die Einzelheiten des Wirkungsmechanismus des TA-Systems enthüllen. „Durch das Toxin wird ein wichtiges zelluläres Stoffwechselprodukt namens NAD+ abgebaut und somit dem Stoffwechsel entzogen“, heißt es in der Studie. Die Frage, wieso die Bakterien über ein solches „Selbstmordsystem“ verfügen, ist den Wissenschaftlern aber noch immer ein Rätsel.

© Pixabay

Erfolg bei Mäusen

„Unsere Kooperationspartner in Toulouse konnten bereits die Lebensdauer von TB-infizierten Mäusen verlängern, indem sie das Toxin kontrolliert aktivierten“, sagt Parret. „Wenn es uns gelänge, bei Tuberkulosepatienten Moleküle zu finden, die imstande sind, das TA-System zu stören – und damit den Zelltod auszulösen –, könnte sich daraus ein vielversprechendes Medikament entwickeln.“

Bevor es soweit ist, und diese Methode vielleicht auch bei anderen Krankheiten anwendbar ist, sind jedoch erst noch weitere Forschungen nötig. In Zusammenarbeit mit der Wirkstoffforschungsallianz und einem führenden Biotechunternehmen will das Team daher als Nächstes Tausende von kleinen Molekülen auf diese Fähigkeit hin untersuchen. Die Struktur des TA-Systems sei jedoch so stabil, dass es sehr schwer sein werde, einen Eintrittspunkt zu finden, über den sie sich aufbrechen lässt, heißt es.

„Gemeinsam mit unseren Forschungspartnern wollen wir nun besser den natürlichen Mechanismus verstehen, der zur Befreiung des für das Tuberkulosebakteriums tödlichen Toxins von seinem Gegengift führt und es somit aktiviert. Sollte uns dies gelingen,“ so Wilmanns, „könnte dies ein neuartiger und vielversprechender Ansatz zur Behandlung von TB und anderen Infektionskrankheiten sein.“

Das Projekt war eine Kooperation zwischen Forschern der Wilmanns-Gruppe am EMBL Hamburg und der Neyrolles-Gruppe am IPBS, CNRS/Université de Toulouse, an der auch die Carvalho-Gruppe am Francis Crick Institute in London beteiligt war. Das Forschungsteam hat über die Technologietransferstelle EMBLEM des EMBL eine Partnerschaft ins Leben gerufen, um an der Entwicklung eines potenziellen TB-Medikaments zu arbeiten.

Titelbild: © Pixabay

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