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Alles ARS Electronica, heißt es von 5. bis 9. September 2019 in Linz. Europas größtes Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft bespielt die Stadt mit tausend Mitwirkenden, fünfhundert Events und zehn Locations. Es ist das vierzigste Jubiläum und das Programm ist umfangreich wie nie zuvor. Dem Publikum bietet sich ein fünftägiges Programm an Konferenzen, Podiumsdiskussionen, Workshops, Ausstellungen, Performances, Interventionen und Konzerten.

1979, als die ARS Electronica gegründet wurde, war Linz noch eine dreckige Industriestadt, erzählt Christine Schöpf, Zeitzeugin und Co-Direktorin des Festivals bei der Pressekonferenz in Wien. Die Idee zum originären Kulturevent entstand, inspiriert von der lokalen Band Eela Craig und unterstützt vom Kybernetiker und Physiker Herbert W. Franke. Die Band war eine der ersten, die mit elektronischen Medien experimentierte und der Kybernetiker einer der ersten, der über Musik und Elektronik publizierte.

Klangwolke

Zunächst sollte es eine Konferenz werden. Um nicht nur Insider anzusprechen, sondern auch die Öffentlichkeit, entwickelte Franke gemeinsam mit dem Münchner Komponisten Walter Haupt das Konzept der Linzer Klangwolke – Synonym für ein Freiluftkonzert, das mit Visualisierungen ergänzt ist. Die Klangwolke war der Auftakt der Konferenz und sollte die achte Sinfonie von Anton Bruckner (1887) einem breiten Publikum zugänglich machen. Die Eröffnungsrede hielt ein Roboter aus Amerika, der wie ein Staatsgast am Flughafen empfangen wurde.

Während die Politiker von der Klangwolke gleich begeistert waren, musste die Konferenz erst zum Festival werden, um sich durchzusetzen. Als Seismograph für die Entwicklungen in der Medienkunst sollte das Festival offen sein für Kunstschaffende, Forschende, Technologen, Designer, Entrepreneure aber auch für Studierende. Durch die Verbindung von Kunst, Technologie und Gesellschaft, fand man schließlich ein variables Themenfeld, dessen Fokus verschiebbar war. Wobei es nicht zuletzt die Positionierung im Spannungsfeld von Bild und Akkustik war, welche die Fortführung ermöglichte, so die Zeitzeugin Schöpf. 1996 erhielt die ARS Electronica ihr eigenes Haus, das als Museum der Zukunft geführt wird. Auf 3000 qm Fläche werden seither permanent Projekte rund um Computerkunst und Technologie präsentiert.

Zukunftsszenarien

Dass das Festival in der sozialen Transformation durch die Digitalisierung eine Funktion hat, wurde längst bewiesen. Organisatoren und Mitwirkende haben nicht bloß über Technologie informiert, sondern auch die Frage gestellt, wie wir diese nutzen wollen. Die so entstandenen Zukunftsszenarien haben sich im Rückblick oft bewahrheitet, erklärt der künstlerische Leiter Gerfried Stocker.

In seiner vierzigsten Auflage läuft das Festival unter dem Titel Out of the Box – Die Midlife Crisis der digitalen Revolution. Das Thema Out of the Box bezieht sich auf das Versprechen der Industrie auf Geräte, die sofort und problemlos funktionieren. Gleichzeitig ist es das Mantra einer Start-up-Szene, in der es um das Neue geht. Das Thema wird aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet.

Emanzipation

In einer Standortbestimmung soll der Slogan eine Aufforderung zur Emanzipation sein. Bisher wurde die Digitalisierung den Technologiekonzernen überlassen. Die Midlife Crisis kommt mit der Erkenntnis, dass es unsere Zukunft ist, welche die Konzerne gestalten und wir aktiv eingreifen müssen. Zitat: „Wir müssen die uns zugewiesene Rolle als bloß Konsumierende und willfährig Datenliefernde hinter uns lassen.“ Eine Vertiefung in das Thema bietet die gleichnamige Themenkonferenz.

Mit Spannung bleibt der Starts Day zu erwarten, der Vorträge, Panels und Workshops über das Potenzial zukünftiger Innovatoren bietet. Dahinter steckt eine Initiative der Europäischen Union, welche die Kooperation von Kunst und Technologie fördert. Künstler sind aufgerufen, notwendige Konzepte zu entwerfen und Handlungsmöglichkeiten auszuloten. Im Rahmen des Festivals wird das Projekt S+T+ARTS = STARTS präsentiert – gemeinsam mit einer Auswahl der preisgekrönten und nominierten Werke des STARTS Prize 2019.

Neuer Programmpunkt ist die European Platform for Digital Humanism, eine Ausstellung, in der die Frage nach einem europäischen Weg in die digitale Gesellschaft gestellt wird. Das Projekt wurde mit zahlreichen Partnern realisiert und verdeutlicht so die zunehmende Bedeutung internationaler Kooperationen. Auf einer zweigeschoßigen Fläche von knapp 100.000 qm Fläche werden zwei Ansätze für Kunst- und Technologieprojekte präsentiert:

  • Kunst- und Technologieprojekte, die vorrangig im Kontext von Forschung entstanden sind;
  • Kunst- und Technologieprojekte, die in erster Linie künstlerische Ausdrucksmittel sind;

 

Locations

Eine Besonderheit der ARS Electronica sind sicher die zehn verschiedenen Locations, die teilweise im Kontrast zur technoiden Struktur des Festivals stehen. Hot Spot ist die Post City, nahe dem Bahnhof. Eine Reihe von musikalischen Darbietungen werden im etwas außerhalb von Linz liegenden historischen Stift Sankt Florian abgehalten. Im Mariendom, im Stadtzentrum, zeigt die auf Technologiethemen spezialisierte junge Berliner Galerie Yair Videoinstallationen von internationalen Kunstschaffenden. Eine ungewöhnliche Location ist zweifellos auch der Donaupark, der die Freiluftbühne für die 40. Klangwolke bildet. Regisseur David Pountney inszeniert ein Gesamtkunstwerk in fünf Akten und mit spektakulären Bühnenbildern.

Das Publikumsinteresse sprengt die Kapazitäten der 200.000 Einwohner zählenden Stadt Linz. Alle Hotels seien ausgebucht, erklärt Stocker eine Woche vor Start des Events. Er empfiehlt Interessierten in der Nähe von Linz abzusteigen und die Zugverbindungen zu nutzen.

 

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