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An der Universität Innsbruck forscht man an den ökonomischen Präferenzen von Kindern – und den Faktoren, die diese beeinflussen. Die Richtung ist noch neu in der Wirtschaftsforschung. Die Befunde sind weitreichend und können in verschiedenen Bereichen genutzt werden.

Daniela Glätzle-Rützler von der Universität Innsbruck arbeitet am Lehrstuhl für experimentelle Wirtschaftsforschung am Institut für Finanzwissenschaften und forscht zum ökonomischen Verhalten von Kindern. Unlängst veröffentlichte sie gemeinsam mit Matthias Sutter und Claudia Zoller einen Überblicksartikel über den Forschungszweig, der in den vergangenen fünfzehn Jahren aufgekommen ist. Zuvor waren alle gängigen ökonomischen Theorien auf Erwachsene zugeschnitten.

Studien zum ökonomischen Verhalten von Kindern galten lange als Nische in der Wirtschaftsforschung. In der Zwischenzeit ist klar, dass diese Studien wichtig sind, um das Verhalten der Erwachsenen zu verstehen. Darüberhinaus sollen diese eine Basis für politische Interventionen im Hinblick auf das ökonomische Verhalten in Kindheit und Adoleszenz bereiten.

Ökonomische Präferenzen

In ihren eigenen Forschungsprojekten untersucht Glätzle-Rützler die Entwicklung ökonomischer Präferenzen von Kindern, wie etwa Geduld, Risiko-Einstellung, soziales Verhalten, Kooperation und Wettbewerbs-Verhalten. „Wir versuchen zu verstehen, wie sich diese Eigenschaften mit dem Alter entwickeln, wodurch diese beeinflusst werden und welche Auswirkungen diese haben.“ Die Befunde sind weitreichend und in mehreren Bereichen anzuwenden – wie etwa in der Bildung. So weiß man aus der Forschung, dass geduldigere Kinder einen höheren Bildungsstatus erreichen und somit später höhere Gehälter haben.

Ihre Probanden sind im Kindergarten- und Schulalter. Die Kleinsten sind drei Jahre alt. In den Experimenten bekommen diese Aufgaben, die spielerisch zu bewältigen sind.

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Wettbewerbs-Verhalten

Wenn es um den Einfluss-Faktor Wettbewerbs-Verhalten geht, bekommen die Kinder zwanzig Schachteln, in denen unterschiedliche Dinge sind. Eines der Dinge soll aussortiert werden. Für jede richtig gefüllte Schachtel bekommen die Kinder einen Spielchip, den sie später gegen Süßigkeiten eintauschen dürfen. In einer abgewandelten Version dieser Aufgabe bekommt das Kind nur dann eine Belohnung, wenn es schneller ist, als ein zweites Kind. Dafür lockt eine höhere Belohnung. Für jede richtig gefüllte Schachtel gibt es zwei Spielchips. Die Kinder können zuvor entscheiden, welche Variante sie lieber spielen: Die sichere Version mit einer geringeren Belohnung oder die riskantere Version mit keiner oder einer höheren Belohnung.

Durchgängiger Befund dieses Experiments ist, dass Jungen ein höheres Selbstbewusstsein haben als Mädchen und zur Selbstüberschätzung neigen. Mädchen haben eine realistische Selbsteinschätzung – mit Ausnahme der kleinen Mädchen, die über-selbstbewusst sind. Das überhöhte Selbstbewusstsein der Jungen geht mit einer höheren Risikobereitschaft einher und führt zu einem kompetitiveren Verhalten: Jungen entscheiden sich öfter für den riskanteren Wettbewerb als für die bloße Ordnungsaufgabe mit der sicheren Belohnung. Dieser Geschlechtsunterschied ist nicht eindeutig zu erklären, tritt aber schon bei Drei- bis Fünfjährigen auf, erklärt Glätzle-Rützler.

Wie Glätzle-Rützler aus anderen Studien weiß, ist dieser Geschlechtsunterschied hauptsächlich in entwickelten Gesellschaften zu beobachten. Außerdem ist dieser bei Kindern aus  Bildungsschichten stärker ausgeprägt, als in sozial weniger privilegierten Schichten. Die Gründe gilt es noch zu erforschen.

Geduld

Das Experiment zur Messung des Einfluss-Faktors Geduld, basiert auf einem Gespräch. Die Kinder müssen entscheiden, ob sie lieber heute eine fixe Belohnung bekommen möchten oder eine mit der Zeit größer werdende Belohnung. Bei Kleineren besteht die Belohnung aus Süßigkeiten, bei Größeren aus Geld. Glätzle-Rützler: „Wir wissen aus Versuchen, dass die Geduld bis zum Alter von etwa zehn Jahren ansteigt. Mit zehn ist man etwa so geduldig wie ein Erwachsener.” Langzeitstudien haben zudem ergeben, dass es Zusammenhänge zwischen Geduld und späterem beruflichen Erfolg gibt. Auch der Body-Mass-Index und das Suchtverhalten korrelieren mit Geduld.

Soziale Präferenzen

Im Moment erforscht Glätzle-Rützler wie sich der Einfluss-Faktor soziale Präferenzen auf das ökonomische Verhalten von Kindern auswirkt. Eine Testvariante ist das Diktatorspiel, in dem Kinder entscheiden, ob und wenn ja, wie viel ihres Besitzes sie an ein anderes, unbekanntes Kind geben wollen. In einer Experiment-Variante stehen zwei mögliche Verteilungen zur Wahl: Eine Verteilung, in der beide einen Spielchip bekommen und eine Verteilung, in der das entscheidende Kind einen Spielchip bekommt und das andere zwei. Letztere Verteilung ist effizienz-maximiert, weil die Belohnung größer ist, auch wenn das entscheidende Kind weniger als das andere bekommt. Im Altersvergleich zeigt sich, dass kleine Kinder egozentrierter sind und nicht oder weniger gern teilen. Im Geschlechtervergleich erweisen sich Mädchen fairness-orientiert und Jungen effizienz-orientiert.

Großes Forschungspotenzial

„Wenn wir sehen, wie Kinder Entscheidungen treffen, hilft das auch, mögliche Entwicklungen vorherzusehen und vielleicht gegenzusteuern“, erklärt Glätzle-Rützler, die noch viel Forschungspotenzial ortet. So gibt es erst eine Studie, in der versucht wurde, Ungeduld zu senken – und auch weitere Zusammenhänge zwischen den einzelnen Einfluss-Faktoren auf ökonomische Entscheidungen von Kindern sind noch kaum untersucht.

Hier finden Sie den Link zum Artikel:

Glätzle-Rützler, D./Sutter, M./Zoller, C. (2018): Economic behaviour of children and adolescents – a first survey of experimental economics results. In: European Economic Review. Elsevier B.V.

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