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Was schon seit einiger Zeit immer mehr diskutiert wird, haben Forscher der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen (UDE) nun in einer Studie bestätigt. Im renommierten Journal of Infection schreiben sie, dass alleine die Ergebnisse von RT-PCR-Tests nicht aussagekräftig genug sind, um sie als Grundlage für Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung zu nehmen.

Die Untersuchungen haben demnach gezeigt, dass auch positive Testergebnisse keinen hinreichenden Beweis dafür liefern, dass Menschen, die mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert sind, andere anstecken können. Die Wissenschaftler haben gemeinsam mit Kollegen der Universität Münster und dem MVZ Labor Münster rund 190.000 Ergebnisse von mehr als 160.000 Menschen dahingehend ausgewertet.

Lockdowns aufgrund falscher Zahlen?

PCR-Tests gelten nicht nur in Deutschland als das Non-plus-Ultra zum Nachweis einer Infektion mit dem Coronavirus. Anhand dieser Tests wird dann die Zahl der bundesweiten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner – die sogenannte Inzidenz – ermittelt. Diesen Wert nehmen Bundes- und Landesregierungen dann wiederum, um Anti-Corona-Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren, Schließungen des Einzelhandels, der Gastronomie etc. zu begründen. Die Forscher aus Essen und Münster setzen hinter diese Entscheidungen nun jedoch ein großes Fragezeichen.

“Ein positiver RT-PCR-Test allein ist nach unserer Studie kein hinreichender Beweis dafür, dass Getestete das Coronavirus auf Mitmenschen auch übertragen können“, sagt Erstautor Prof. Dr. Andreas Stang, Direktor des Instituts für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE) des Universitätsklinikums Essen. “Die am Ende errechnete Zahl von SARS-CoV-2 positiv Getesteten sollte daher nicht als Grundlage für Pandemiebekämpfungsmaßnahmen, wie Quarantäne, Isolation oder Lockdown, benutzt werden.“

Vorbild Niederlande?

Nach Meinung der Wissenschaftler sollten auch Daten aus anderen Bereichen mit zur Bewertung der Pandemie-Lage einbezogen werden. “Geeigneter wären zum Beispiel verlässliche Angaben zur Intensivbetten-Belegung sowie zur Mortalität, also zu der jeweiligen Zahl der Todesfälle in Zusammenhang mit COVID-19“, schlägt Epidemiologe Prof. Stang vor. Er und seine Kollegen untersuchen die Folgen von Epidemien auf Gesellschaften.

In anderen Ländern, wie den Niederlanden, geht man genau diesen Weg. Man betrachtet zwar ebenfalls in erster Linie die Inzidenz, berücksichtigt aber zusätzlich auch die Anzahl der Krankenhauseinlieferungen und COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen.

Hoher Ct-Wert = niedrige Ansteckungsgefahr

Die deutschen Forscher schlagen außerdem vor, in Zukunft den sogenannten Cycle-threshold-Wert (Ct-Wert) mit einzubeziehen, um die Aussagekraft des PCR-Wertes bei der Bewertung der Pandemielage zu verbessern. Anhand dieses “Schwellen-Zyklus-Wertes” könnten Aussagen über die Ansteckungsgefahr durch mit dem Coronavirus infizierte Personen getroffen werden.

Aktuell geht man davon aus, dass jemand, der positiv auf das Coronavirus getestet wurde, bei einem Ct-Wert von 25 oder höher nicht mehr ansteckend ist, da die Viruslast zu gering ist. “Bei durchschnittlich etwa 60 Prozent der Getesteten mit COVID-19-Symptomen wurden solch hohe CT-Werte nachgewiesen. In den Wochen 10 bis 19 waren es sogar 78 Prozent, die sehr wahrscheinlich nicht mehr ansteckend waren“, betont Prof. Stang. „Auch das Abfragen von COVID-19-Symptomen bei Getesteten würde helfen, die Ergebnisse von RT-PCR-Tests besser bewerten zu können.“

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